Aktuelles

Flüchtlingsrat: Gleichberechtigte Teilhabe statt diskriminierender Bezahlkarte

Am Mittwoch hat der Innenausschuss über ein sogenanntes Omnibusverfahren Änderungen am Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und damit der bundesrechtlichen Absicherung zur Einführung einer Bezahlkarte für Asylsuchende zugestimmt. Mit dieser Karte sollen Asylsuchende künftig ihren monatlichen persönlichen Bedarf decken. Nach Aussagen der Bundesregierung sollen die Kommunen dadurch „von Bürokratie entlastet“ werden. Offenkundig geht es bei der Bezahlkarte aber nicht um Bürokratieabbau, sondern um Diskriminierung – leider auch in Niedersachsen:

Mit Unverständnis reagiert der Flüchtlingsrat Niedersachsen auf die Pläne der Landesregierung, im Rahmen der Einführung einer Bezahlkarte Bargeldzahlungen an Geflüchtete zu beschränken und ihnen Überweisungen zu verbieten. Der Flüchtlingsrat fordert die Landesregierung auf, die Bezahlkarte nicht als Instrument zur Diskriminierung von Geflüchteten einzusetzen, und erinnert die rot-grüne Koalition an ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, Diskriminierungen zu beseitigen.

Konkret fordert der Flüchtlingsrat Niedersachsen, dass die Landesregierung sich ein Beispiel an der „Socialcard“ in der Landeshauptstadt Hannover nimmt und die Bezahlkarte diskriminierungsfrei ausgestaltet. Darüber hinaus fordert der Flüchtlingsrat, dass das Land Niedersachsen anderen Bundesländern (wie z.B. Schleswig-Holstein) folgt und auch für Geflüchtete landesweit eine Gesundheitskarte einführt. Es mutet absurd an, wenn einerseits die Leistungen zum Lebensunterhalt ausschließlich digital erbracht werden, während andererseits für Besuche bei Ärzt:innen weiterhin ein Papierkrankenschein erforderlich ist, der beim Sozialamt abgeholt werden muss. Dies ist auch vor dem Hintergrund geboten, dass die Einführung der Bezahlkarte den bürokratischen Aufwand der Sozialämter verringern soll.

Leider gehen die aktuellen Planungen jedoch in eine andere Richtung: Da die hannoversche Socialcard auch Überweisungen zulässt, könne sie, so heißt es jetzt aus dem Innenministerium, nach der niedersachsenweiten Einführung der Bezahlkarte keinen Bestand mehr haben. Mit der Bezahlkarte sollen weder Inlands- noch Auslandsüberweisungen möglich sein. (Debit-Karte ohne Überweisungsmöglichkeit). Eine Gesundheitskarte, deren Einführung die Landesregierung laut Koalitionsvertrag eigentlich prüfen wollte, sei dagegen nicht in Planung.

Ein Bankkonto können sich alle Asylsuchenden zwar auch weiterhin selbst zulegen, aber die Sozialleistung wird nach den aktuellen Planungen der Landesregierung für Grundleistungsempfänger:innen (immer und ausschließlich) auf die Bezahlkarte überwiesen. Von den Leistungen kann nur ein eingeschränkter Betrag in bar abgehoben werden. Der verfügbare Barbetrag soll in den Erstaufnahmeeeinrichtungen (EAEs) und in den Kommunen gleich hoch sein. Da in der Erstaufnahmeeinrichtung viele Leistungen als Sachleistungen erbracht werden, soll der über die Karte bereitgestellte Betrag für unbare Leistungen dort dann geringer sein.

Der Ausschluss jeglicher Überweisungsmöglichkeit läuft auf eine erhebliche Behinderung, wenn nicht Verhinderung einer Rechtsvertretung hinaus: Anwaltskanzleien müssten sich nicht nur ein Lesegerät anschaffen, sondern auch z.B. bei Ratenzahlungen ihre Mandant:innen monatlich persönlich empfangen, um die Bezahlkarte einzulesen und den Ratenbetrag abzubuchen. Anwaltskanzleien, die oft mehrere hundert Mandant:innen haben, werden dies nicht leisten können. Für die Betroffenen bedeutet dies zusätzliche Kosten für Reisen, eine anwaltliche Vertretung könnte nur noch regional gesucht werden. Dies ist schon im Asylverfahren kaum zu realisieren, da erfahrene Asylanwält:innen in bestimmten Regionen einfach nicht zu finden sind. Gleiches gilt für Anwält:innen im Sozialrecht.

Wenn es bei den bisherigen Planungen bleibt, werden die Betroffenen auf nicht hinnehmbare Weise aus dem gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt: Auch Sport- und andere gemeinnützige Vereine werden sich keine Lesegeräte für Bezahlkarten anschaffen, um Vereinsmitgliedschaften zu ermöglichen und dann monatlich persönlich die Beiträge in Empfang zu nehmen. Für etliche kleine Läden lohnt sich die Anschaffung eines Lesegeräts nicht, gerade in ländlichen Kommunen dürfte es schwierig werden. Eine Nutzung von Online- und Gebrauchtwarenbörsen und alle Bestellungen im Internet wären unmöglich. Bislang sind wir davon ausgegangen, dass es in Niedersachsen sowohl die Möglichkeit gibt, Überweisungen im Inland zu tätigen, als auch die gewährte Leistung von der Bezahlkarte abzuheben. Die Verhinderung jeglicher Zahlungen durch Überweisungen und Lastschriften ist rechtlich nicht vorgeschrieben und wäre aus Sicht des Flüchtlingsrats ausgrenzend und diskriminierend.

Die Leistungen nach dem AsylbLG betragen 460 € monatlich für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Haushalt, Haushaltsenergie sowie Leistungen für die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (Anteil: 204 € von 460 €).  Es spricht schon Bände, dass die Politik sich nun schon seit Monaten darum streitet, wie man Geflüchteten ihre ohnehin geringen Leistungen weiter reglementieren und beschränken kann: Wie armselig und schäbig ist das? Nach Aussagen nahezu aller Fachleute wird die Einführung einer Bezahlkarte ohne Überweisungsfunktion und mit eingeschränkter Bargeldfunktion negative Auswirkungen auf die Integration und Teilhabe der Geflüchteten haben, zusätzliche Kosten mit sich bringen und ihr eigentliches Ziel, die Reduzierung der Fluchtmigration, verfehlen [siehe hierzu etwa die Stellungnahme von Prof. Herbert Brückner zur Bezahlkarte]. Offenkundig zielt die Einführung der Bezahlkarte vor allem auf die Innenpolitik: Sie signalisiert, man setze Schutzsuchenden in Deutschland Schranken und behandele sie schlechter als Einheimische. Mit solchen wohlstandschauvinistischen Bestrebungen nährt und befördert die Politik am Ende nur das Geschäft der organisierten Rechtsextremisten.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem wegweisenden Urteil vom 18.07.2012 festgestellt, dass das Existenzminimum „migrationspolitisch nicht zu relativieren“ sei. Nun droht mit der Bezahlkarte aber genau das: Aus migrationspolitischen Erwägungen wird die Verfügbarkeit über die Leistungen eingeschränkt. Faktisch wird das Leben für Geflüchtete teurer werden. Schon die im Dezember 2023 beschlossene Verlängerung des Zeitraums, in dem Asylsuchende eingeschränkte Leistungen erhalten, von 18 auf 36 Monaten war offenkundig verfassungswidrig (siehe  Gutachten des Gesetzes- und Beratungsdienstes des Bundestags).


Gerechtigkeit für Lamin Touray – Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert lückenlose Aufklärung des tödlichen Polizeieinsatzes

Am vergangenen Samstag (30. März) wurde der 46-jährige Lamin Touray aus Gambia in Nienburg von Polizist:innen getötet. Die Beamt:innen gaben mindestens acht Schüsse auf den Verstorbenen ab, die ihn allesamt trafen. Ein Video, das in den sozialen Netzwerken kursiert, [Triggerwarnung] zeigt, wie die Beamt:innen aus nächster Nähe auf Lamin schießen: Zunächst fallen zwei Schüsse. Nach einer kurzen Feuerpause wird eine weitere Salve von fünf Kugeln auf Lamin abgefeuert. Erneute Feuerpause. Es fällt ein weiterer Schuss. Laut Obduktionsbericht waren zwei dieser Schüsse – einer in die Leber und einer ins Herz – ursächlich für den Tod Lamins.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert, die Todesumstände Lamins umfassend und lückenlos aufzuklären. Für die NGO bleibt es weiterhin unbegreiflich, wieso der Polizeieinsatz eskalierte und Lamin sterben musste. Die Strafverfolgungsbehörden sind unter anderem Antworten auf folgende Fragen schuldig:

Die Polizei wurde von Angehörigen Lamins darüber informiert, dass dieser sich in einem psychischen Ausnahmezustand befand. Wurde dies im Rahmen des Einsatzes von den Polizist:innen berücksichtigt? Falls ja, wie genau?

Lamin habe die Polizei mit einem Messer bedroht, was die Polizist:innen in Gefahr gebracht habe. Weshalb haben die 14 (!) eingesetzten Polizist:innen den Druck auf Lamin erhöht und die Situation weiter eskaliert, anstatt sich zunächst zurückzuziehen und die Situation – unter Hinzuziehung psychologischer Fachkräfte – zu deeskalieren?

Weshalb haben die Polizist:innen es der Freundin Lamins verwehrt, ihn zur Kooperation mit der Polizei zu bewegen?

Weshalb haben die Beamt:innen den Polizeihund entleint und auf Lamin gehetzt? War dies aus Sicht der Polizei geeignet, die Situation zu deeskalieren?

Weshalb sind die ersten beiden Schüsse auf Lamin gefallen? Gab es keine milderen Mittel, mit denen die 14 (!) Polizist:innen die – vermeintliche – Gefahr hätten abwehren können?

Wie rechtfertigen sich die Schüsse drei bis sieben sowie Schuss acht, die jeweils nach einer Feuerpause erfolgten? Weshalb sind die Polizist:innen davon ausgegangen, dass nach den ersten beiden Schüsse, die Lamin getroffen haben, noch insgesamt sechs weitere Schüsse erforderlich waren, um die – vermeintlich –  von im ausgehende Gefahr abzuwehren?

Weshalb behaupten die Strafverfolgungsbehörden, Lamin habe seine Freundin mit einem Messer bedroht, obwohl die Freundin dies bestreitet?

Weshalb sind immer wieder Schwarze und geflüchtete Menschen und Personen of Color von tödlicher Polizeigewalt betroffen? Warum werden Einsätze bei Menschen in psychischen Ausnahmesituationen regelmäßig bis hin zum Schusswaffeneinsatz eskaliert?

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen bedauert, dass sich die Medien – mit Ausnahme der taz – bislang damit begnügt haben, die Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden wieder zu geben, anstatt den Sicherheitsbehörden diese und weitere Fragen, die sich förmlich aufdrängen, zu stellen.

Mindestens fünf Menschen mit Fluchtgeschichte starben allein in den vergangenen vier Jahren in Niedersachsen im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen: Aman Alizada im August 2019 im Landkreis Stade, Mamadou Alpha Diallo im Juni 2020 im Landkreis Emsland, Qosay K. im März 2021 in Delmenhorst und Kamal I. im Oktober 2021 im Landkreis Stade. Am Neujahrestag 2023 starb ein Schwarzer im Polizeigewahrsam in Braunschweig.

Mindestens drei dieser Menschen befanden sich – wie auch Lamin –  zum Zeitpunkt ihrer Tötung in einem psychischen Ausnahmezustand – wie die eingesetzten Polizist:innen jeweils wussten. In all diesen drei Fällen haben Menschen die Polizei kontaktiert, um Hilfe für ihre Freunde bzw. Angehörigen zu erhalten. Doch statt der benötigten Hilfe fanden sie den Tod. Auch Lamin Tourays Freundin stellt bitterlich fest, „statt zu helfen, haben sie ihn wie ein Tier im Wald erschossen“ und ergänzt: „Ich wünsche mir nichts als Gerechtigkeit!“

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen erwartet von den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung über die umfassende und lückenlose Aufklärung des tragischen Todes Lamin Tourays hinaus, dass diese endlich alles dafür tun, damit sich derartige Tötungen niemals wiederholen.

Kontakt:
Flüchtlingsrat Niedersachsen
Caroline Mohrs
Tel.: 0511 – 98 24 60 34
E-Mail: cm(at)nds-fluerat.org, nds(at)nds-fluerat.org

Hintergrund:
Vergangenen Samstag (30. März) wurde der 46-jährige Gambier Lamin Touray durch Schüsse der Polizei getötet. Die Darstellung der Polizei zu dem Einsatz und den Umständen des Todes wurden daraufhin tagelang unhinterfragt von der Presse wiedergegeben. So heißt es, Lamin Touray habe seine Freundin mit dem Messer bedroht. Inzwischen stellt diese gegenüber der taz klar: Sie hat die Polizei nicht wegen einer Bedrohung für sie gerufen, sondern weil sie in Sorge war, dass er aufgrund seines psychischen Zustands eine Gefahr für sich selbst sein könnte. Statt eines Krankenwagens kamen mehrere Polizist*innen. Doch „statt zu helfen, haben sie ihn wie ein Tier im Wald erschossen“, so Lamin Tourays Freundin und ergänzt: „Ich wünsche mir nichts als Gerechtigkeit!“

Wir stehen in voller Solidarität an der Seite der Familie und Freund*innen von Lamin Touray,  der unterstützenden Aktivist*innen und allen Getroffenen von Polizeigewalt.


Paritätischer gegen Bezahlkarte für Geflüchtete

Der Paritätische Gesamtverband lehnt die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete grundsätzlich ab und begrüßt die Initiative von Abgeordneten der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Vorhaben noch einmal zu überprüfen.
Dazu hat der Wohlfahrtsverband heute Briefe an die Fraktionsvorsitzenden der Ampelkoalition geschickt, um seinen Standpunkt zu untermauern und Grundstandards zu formulieren.
“Wir begrüßen außerordentlich, dass Teile der Grünen die Diskussion um die Bezahlkarte noch einmal aufmachen, da wir die Bedenken in hohem Maße teilen.” erklärte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Er bezieht sich auf die Äußerungen des Grünen-Abgeordneten Audretsch, der findet, dass eine Bezahlkarte die Menschen vor ganz praktische Probleme vor Ort stellen kann und dazu ein Integrationshemmnis darstellen könnte. Ulrich Schneider kritisiert die Motivation hinter der Einführung des Kartenmodells: “Es ist offenkundig  und abzulehnen, dass hier in erster Linie ein  Abschreckungsinstrument, basierend auf Vorurteilen gegenüber geflüchteten Menschen geschaffen, werden soll.” Es gäbe keine Belege, dass Sozialleistungen von Flüchtlingen in nennenswerter Größe in die Herkunftsregionen überwiesen werde.
Die Folgen der zahlreichen Restriktionen, die durch eine Bezahlkarte ermöglicht werden, seien noch nicht absehbar. Mit Einschränkungen unter anderem bei der Verfügbarkeit von Bargeld, Überweisungen oder der räumlichen Nutzung der Karte drohen nach Befürchtung des Verbandes vertiefte Armut, Teilhabehindernisse, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und in der Summe umfassende Integrationshemmnisse.
Sollte eine Karte dennoch eingeführt werden, müsse seitens der Bundesregierung sichergestellt werden, dass eine Karte in allen Geschäften, für alle Dienstleistungen und ohne eine räumliche Beschränkung genutzt werden könne, schreibt der Verband. Auch Lastschriftverfahren und Überweisungen müssen ebenso wie die unbegrenzte Bargeldabhebung möglich sein. Darüber hinaus müsse der Bund bundesweite Standards gewährleisten, um einen Bezahlflickenteppich zu vermeiden. Die beste Lösung für alle Beteiligten sei überdies die Überweisung der Leistungen auf ein Bankkonto.


09. März 2024

2.000 Cuxhavenerinnen und Cuxhavener aus Stadt und Landkreis
und ihre Gäste beteiligten sich an der Kundgebung „Cuxhaven ist bunt“.

27. Januar 2024

4.000 Cuxhavenerinnen und Cuxhavener aus Stadt und Landkreis
und ihre Gäste beteiligten sich an der Kundgebung „Cuxhaven ist bunt“.


Alle Fotos: © Karl-Heinz Zulkowski-Stüben


 

Offener Brief

Gesundheit von schutzsuchenden Menschen gefährdet:

Zeitraum für abgesenkte Sozial- und Gesundheitsleistungen
für Asylsuchende (AsylbLG) darf nicht verlängert werden!

4. Januar 2024

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,
sehr geehrter Herr Bundesminister Heil,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

in großer Sorge um die Gesundheit schutzsuchender Menschen in Deutschland rufen wir Sie
mit aller Dringlichkeit dazu auf: Stoppen Sie sofort das Vorhaben, den Zeitraum von 18
auf 36 Monate zu verlängern, in dem Asylsuchende nur Anspruch auf abgesenkte
Sozial- und Gesundheitsleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten sollen!

hier gehts weiter:

PE_Anlage_Offener_Brief_AsylbLG-36_Monate_20240104


Kein Wettlauf der Schäbigkeiten

 

Verbände und Initiativen fordern Bund und Länder auf, bei der Leistungsgewährung für Geflüchtete die Verfassung zu wahren und auf weitere rassistische Diskriminierungen zu verzichten

Auf ihrem letzten Treffen haben die Ministerpräsident:innen der Länder gemeinsam mit dem Bund beraten, was getan werden kann, um die Zahl der Asylsuchenden in Deutsch­land zu reduzieren. Ein Vorschlag der MPK lautet: Die Bezugsdauer für eingeschränkte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz soll von 18 auf 36 Monate verlängert werden, und die Bargeldausgabe an Asylsuchende soll über eine sog. „Bezahlkarte“ regle­mentiert werden. Als Verbände, die im Umgang mit Asylsuchenden in Niedersachsen lange Erfahrung haben, stellen wir fest:

1) Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind verfassungswidrig:

Mit seiner Entscheidung vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11) hat das Bundes­verfassungsgericht dem Gesetzgeber ins Stammbuch geschrieben, dass Leistungskürzun­gen nur für einen kurzen Zeitraum und nur dann zulässig sind, wenn nachvollziehbar be­rechnet und nachgewiesen werden kann, dass tatsächlich in der ersten Zeit ein geringerer Bedarf besteht. Eine solche Begründung fehlt nach wie vor, obwohl das Bundesverfassungsgericht am 19.10.2022 seine Rechtsprechung nochmals bekräftigt und damit eine weitere verfassungswidrige Kürzung des Gesetzgebers aufgehoben hat.

2) Die vorgeschlagenen Maßnahmen sorgen für eine Desintegration:

Eine Politik der Abschreckung und „Vergrämung“ durch Leistungskürzungen und sozialen Ausschluss hat für die hier lebenden Geflüchteten gravierende Folgen. Der verlängerte Ausschluss von einer gleichberechtigten Teilhabe durch Unterschreitung des gesetzlich definierten Existenzminimums, die Versagung einer angemessenen Gesundheitsversor­gung über die Krankenkassen und technische Restriktionen über eine „Bezahlkarte“ ge­fährden die Gesundheit und verursachen Prozesse der Ausgrenzung und Ghettoisierung. Sie verstärken damit rassistische Erfahrungen, die oftmals ohnehin zum Alltag Geflüchte­ter gehören.

3) Die vorgeschlagenen Maßnahmen verfehlen ihr Ziel:

Es ist irrational zu glauben, Geflüchtete würden sich durch „Bezahlkarten“ und die Ein­schränkung von Sozialleistungen davon abschrecken lassen, in Deutschland Asyl zu beantragen:

Zunächst einmal bleibt festzustellen, dass Menschen nach Deutschland kommen, weil sie Schutz vor Verfolgung, Krieg oder Krisen finden wollen. Eine Schutzquote von über 70% in diesem Jahr macht deutlich, dass selbst nach Ansicht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die meisten Asylantragsteller:innen zu Recht Schutz suchen.

Innerhalb der EU ist für Schutzsuchende Deutschland in erster Linie Zielland, weil sich bereits Familienangehörige und Bekannte bzw. Angehörige einer Community von Geflüch­teten hier aufhalten, weil sie politische, ökonomische und soziale Sicherheit wollen, die Gewährleistung demokratischer Prinzipien und Möglichkeiten eines beruflichen Neuan­fangs. Die Leistungsform und Dauer von Leistungskürzungen sind in der Regel gar nicht bekannt und spielen bei der Wahl des Zielstaats absolut keine Rolle.

4) Die gesetzgeberischen Tricksereien zur Unterschreitung des Existenzminimums müssen endlich auch in Niedersachsen unterbunden werden:

Trotz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 19.10.2022 erhalten Asylsu­chende mit einer Aufenthaltszeit von unter 18 Monate in Gemeinschaftsunterkünften in Niedersachsen nur gekürzte Leistungen, weil das Land sich weigert, den Empfehlungen des BMAS vom 23.1.2023 und der Aufforderung der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) vom 03.05.2023 zu folgen und das Urteil auf alle Leistungsempfänger:innen nach dem AsylbLG in Gemeinschaftsunterkünften anzuwenden. In Hessen, NRW und Bayern ist dies längst geschehen, der grüne Finanzminister Niedersachsens verweigert jedoch bis heute die Korrektur der offenkundig verfassungswidrigen Praxis, um auf dem Rücken von Asylsuchenden Geld einzusparen.

Wir fordern Bund und Länder auf, endlich zu einer grundgesetzkonformen Ausge­staltung von Leistungen für Geflüchtete zurückzukehren, auf die Einführung einer diskriminierenden Bezahlkarte mit eingeschränkten Funktionen zu verzichten und eine angemessene gesundheitliche Versorgung für alle Asylsuchenden zu gewähr­leisten.

Erstunterzeichnet von:

  • Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
  • Arbeitsgemeinschaft Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge in Niedersachsen – amfn e.V.
  • Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e. V.
  • Paritätische Wohlfahrtverband Niedersachsen e.V.
  • AWO Bezirksverband Hannover e.V.
  • Exil e.V. Osnabrück
  • Arbeitskreis Asyl Cuxhaven e.V.
  • Bundes Roma Verband e.V.
    Roma Center e.V./ Roma Antidiscrimination Network
  • VVN-BdA e.V.
  • Verein „Willkommen in Lehre“ e.V.
  • REFUGIUM Flüchtlingshilfe e.V. aus Braunschweig
  • Janusz Korczak – Humanitäre Flüchtlingshilfe e.V.
  • Outlaw gGmbH – Osnabrück
  • JANUN Lüneburg e.V.
  • mosaique – Haus der Kulturen e.V.
  • Lüneburger Netzwerk gegen Rechts
  • IBIS-Interkulturelle Arbeitsstelle e.V.
  • Landesjugendring Niedersachsen e.V.
  • SJD – Die Falken, Unterbezirk Hannover
  • Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen – NTFN e.V.
  • TRIVT e.V. – Welcome House und Fahrradwerkstatt
  • ver.di Landesbezirk Niedersachsen-Bremen
  • Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen e.V.
  • Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen e.V. – VNB

  • (weitere Unterstützung möglich)

Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an: Kai Weber, Tel. 0178 – 17 32 569


Am 25.11. Groß-Demonstration in Berlin

„Nein zu den Kriegen“

Die bundesweite Demonstration wurde vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges geplant. Inzwischen ist mit dem Krieg in Nahost ein zweiter Brandherd dazu gekommen. Eine zentrale Forderung für beide Kriege ist die nach einem sofortigen Waffenstillstand.
Verbreitet bitte den Termin! Kommt, wenn möglich, zu der Friedensdemonstration nach Berlin. Näheres findet Ihr beim Bundesausschuss Friedensratschlag (friedensratschlag.de) unter https://nie-wieder-krieg.org  

 

MPK: Wettlauf der Schäbigkeiten

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz scharf:

Die deutsche Politik hat ihre im Jahr 2015 ausgerufene „Willkommenskultur“ endgültig beerdigt. In der Hoffnung, der rechtsextremen AfD Wählerstimmen abzujagen, überbieten auch die demokratischen Parteien einander in einem sich täglich weiter aufschaukelnden Wettbewerb der Abschreckung. Es scheint, als würden diejenigen gewinnen, die Geflüchteten am weitestgehenden entrechten und ihnen die größten Schäbigkeiten zumuten wollen. Dieser Paradigmenwechsel schlägt sich auch in der verwendeten Sprache nieder, wenn in den Debatten durchgängig nur noch von „irregulärer Migration“ die Rede ist. Flüchtlinge sind keine „irregulären Migrant:innen“: Sie nehmen ein verfassungsrechtlich verbrieftes Recht in Anspruch, das im Rahmen regulärer Asylverfahren geprüft wird. Wer gegen Geflüchtete hetzt und den Eindruck erweckt, ihre Vertreibung und Vergrämung sei oberste Staatsräson, legt eine Lunte an ein Pulverfass.

Die beabsichtigte Absenkung der Asylbewerberleistungen ist aus unserer Sicht nicht nur „integrationspolitisch kontraproduktiv und unter Kindeswohlgesichtspunkten bedenklich“, wie die Bundesländer Bremen und Thüringen – leider nicht Niedersachsen – zu Protokoll gegeben haben. Es ist auch unmenschlich und unvernünftig, Geflüchtete absichtlich über Jahre in Armut zu halten und ihnen erst nach 36 statt wie bisher nach 18 Monaten zumindest Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe zu zahlen. Ein solcher Schritt wird die Zahl der Geflüchteten nicht verringern, aber soziale Probleme verschärfen. Dabei ist die Theorie, wonach Sozialleistungen einen vermeintlichen Pull-Effekt erzeugen, nie bewiesen worden und längst widerlegt.

Leistungseinschränkungen und Sachleistungen für einen Zeitraum von 36 Monaten, das hatten wir alles bis zur bahnbrechenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 schon einmal. Die Kürzungen sind in verfassungsrechtlicher Hinsicht mehr als fragwürdig und zeugen von Empathielosigkeit und Unkenntnis der Lebensrealität geflüchteter Menschen. Schutzsuchende Menschen werden sich nicht von der Flucht abhalten lassen, weil sie 36 statt 18 Monate eingeschränkte Leistungen erhalten. Aber der Beschluss wird, sollte er so umgesetzt werden, die soziale Not vergrößern und die soziale Ausgrenzung vertiefen. Er schließt Menschen von Maßnahmen zur Vorbereitung und Eingliederung in den Arbeitsmarkt aus und behindert ihre Vermittlung in Arbeits- und Ausbildungsstellen. Zudem wird ihnen im Asylbewerberleistungsgesetz eine angemessene Gesundheitsversorgung verwehrt, die gerade für Asylsuchende, die oft traumatische Gewalt im Herklunftsland oder auf der Flucht erleiden mussten, von erhebliche Bedeutung sind. Mit dem Kürzungsbeschluss ignorieren die Ministerpräsident:innen von Bund und Ländern auch die Expertise und einmütige Einschätzung von Fachorganisationen.  Über 150 Fachverbände und soziale Organisationen hatten sich Anfang November gemeinsam gegen Kürzungen am Existenzminimum ausgesprochen und stattdessen für die sozialrechtliche Gleichstellung Geflüchteter geworben.

Für Empörung sorgt beim Flüchtlingsrat Niedersachsen auch der beabsichtigte Verzicht auf eine – im Koalitionsvertrag der Ampel fest vereinbarte – Wiederherstellung des Rechts auf Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte: Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK). Es ist verstörend und zeugt von menschlicher Kälte, wenn Politiker:innen und Parteien, die ansonsten keine Gelegenheit auslassen, die Bedeutung der Familie für den emotionalen, sozialen und wirtschaftlichen Schutz und ein gedeihliches Zusammenleben zu betonen, den vor oder während der Flucht unfreiwillig getrennten Familien über Jahre eine Trennung von ihrem Liebsten zumuten.

Der auf Betreiben von CDU- und Grün – regierten Ländern beschlossene Prüfauftrag für eine Externalisierung von Asylverfahren in Transitländer verdeutlicht, wie weit die Diskursverschiebung in der asylpolitischen Diskussion mittlerweile gediehen ist. Zwar hat die SPD dankenswerterweise darauf gedrungen, dass die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention dabei zu achten sind. Der von den Ministerpräsident:innen gleichzeitig geforderte Fortsetzung und Umsetzung des Flüchtlingsdeals mit der Türkei, die weder die Genfer Flüchtlingskonvention noch die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert hat, verdeutlicht jedoch, dass „achten“ offenkundig nicht „einhalten“ bedeutet.

Hintergrund zu verringerten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz:

Bei der Erfindung des Asylbewerberleistungsgesetzes vor genau 30 Jahren hielten Bundesregierung und Parlament eine Kürzung des sozialrechtlichen Existenzminimums für zwölf Monate vertretbar, darüber hinaus aber für unzumutbar. Es könne dann mangels „noch nicht absehbarer weiterer [Aufenthalts-]Dauer nicht mehr auf einen geringeren Bedarf abgestellt werden […]. Insbesondere sind nunmehr Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine stärkere Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse und auf bessere soziale Integration gerichtet sind.“ (Bundestagsdrucksache 12/5008 vom 24.5.1993). Derlei Überlegungen hielten die Regierungen dennoch nicht davon ab, die gekürzten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beständig zu verlängern.

Nach dem Bundesverfassungsgericht hat jeder Mensch das Recht auf ein menschenwürdiges physisches, aber auch soziokulturelles Existenzminimum, das die gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen soll. Ob die gegenüber dem sozialrechtlichen Existenzminimum gekürzten Grundleistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes überhaupt mit dem Verfassungsrecht vereinbar sind, ist fraglich. Nachdem das Verfassungsgericht konkrete Leistungssätze des Asylbewerberleistungsgesetzes bereits mehrfach nach oben korrigierte und Kürzungen widersprach, ist aktuell ein weiteres Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig.

weitere Informationen:

Kai Weber, Tel. 0511 – 84 87 99 72
Muzaffer Öztürkyilmaz, Tel. 0511 – 98 24 60 38

Flüchtlingsrat stellt Forderungen an die nächste Landesregierung

 
Einen Monat vor der kommenden Landtagswahl veröffentlicht der Flüchtlingsrat Forderungen an die kommende Landesregierung

Forderungen zur Landtagswahl

Der Angriffskrieg auf die Ukraine verdeutlicht uns allen erneut und auf eindringliche Weise, dass die Aufnahme von Geflüchteten eine Aufgabe und Herausforderung darstellt, der wir uns dauerhaft stellen wollen und auf die die Politik angemessene Antworten entwickeln muss. Wir stehen in Solidarität mit allen Menschen, die ihr Herkunftsland aufgrund von Krieg und Verfolgung verlassen müssen. Wir fordern einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der niedersächsischen Asyl- und Migrationspolitik für alle Geflüchteten: Weg von einer Politik, die Schutzsuchende durch Lagerunterbringung, Fremdbestimmung und Barrieren etwa beim Zugang zu Gesundheitsversorgung diskriminiert, hin zu einer Politik der gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe, die Brücken baut, Chancen eröffnet und Bleibeperspektiven für alle Menschen schafft, die ihren Lebensmittelpunkt in Niedersachsen gefunden haben.

Geflüchtete Menschen aus der Ukraine werden auch in Niedersachsen mit offenen Armen empfangen und willkommen geheißen. Im Umgang mit den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine beweisen die deutsche und die niedersächsische Politik ihre Solidarität in beeindruckender Weise. In kürzester Zeit wurden gesetzliche und verwaltungstechnische Maßnahmen ergriffen, um tausenden Opfern von Krieg und Verfolgung unbürokratisch Aufenthaltssicherheit, eine Wohnung, Arbeitsangebote und volle soziale Leistungen zu verschaffen.

Wir begrüßen diese Politik. Allerdings fragen wir uns, warum die ergriffenen Maßnahmen nicht auch auf andere Schutzsuchende angewandt werden, die auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung in Deutschland ankommen. Daher fordert der Flüchtlingsrat Niedersachsen von der Bundes- und Landesregierung eine Neuorientierung der Flüchtlingspolitik.

Es wird Zeit, den Reformstau zu überwinden, der in den vergangenen fünf Jahren unter einer großen Koalition auch in Niedersachsen entstanden ist. Dazu gehört, dass Niedersachsen sich als vielfältiges Land definiert, in dem Diversität nicht als Manko, sondern als Stärke begriffen wird. Alle Geflüchteten sollen in Niedersachsen angenommen und wertgeschätzt werden. Unter Bezugnahme auf die konkreten Reformen, die gestartet wurden, um den geflüchteten Menschen aus der Ukraine einen Neustart in Niedersachsen zu erleichtern, und anknüpfend an die in der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung ausgebreiteten Agenda wollen wir die Rechte von Geflüchteten stärken und Bleiberechtsperspektiven absichern.

An die neue Landesregierung haben wir hohe Erwartungen:

  • Wir wollen eine Aufnahmepolitik, die Geflüchtete Willkommen heißt und ihnen nach kurzer Registrierung schnellstmöglich eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe (Wohnen, Arbeiten, Partizipation) ermöglicht
  • Niedersachsen ist ein offenes Land. Viele Kommunen haben ihre Aufnahmebereitschaft erklärt. Es braucht ein niedersächsisches Aufnahmeprogramm für gefährdete Geflüchtete
  • Familien gehören zusammen! Der Familiennachzug muss durch die Ausländerbehörden unterstützt statt aufgehalten und behindert werden.
  • Familie ist mehr als die Ehe! So ist beispielsweise in vielen Ländern, aus denen Geflüchtete kommen, keine gleichgeschlechtliche Ehe möglich. Hier braucht es einen Übertrag in das deutsche Rechtssystem und eine Abkehr von der Fixierung auf den Ehebegriff als Grundlage der Familiendefinition, wenn es zum Beispiel um Familiennachzug geht.
  • Wir brauchen Mindeststandards zur Gewährleistung von Gewaltschutz – auch für Geflüchtete. Vulnerable Geflüchtete müssen zeitnah identifiziert werden und haben Anspruch auf besondere Hilfen.
  • Fragwürdige Beschränkungen der Freizügigkeit (durch Wohnverpflichtungen) und der Beschäftigung (durch Arbeitsverbote) für Geflüchtete lehnen wir ab.
  • Die Diskriminierung von Asylsuchenden im Bereich des Leistungsrechts muss ein Ende haben: Alle Geflüchteten – und nicht nur die Vertriebenen aus der Ukraine – müssen einen Anspruch auf Hartz 4 – Leistungen und gleichberechtigte medizinische Leistungen erhalten.
  • Die von der Bundesregierung angekündigte Bleiberechtsregelung muss unbürokratisch und vollständig in Niedersachsen umgesetzt werden. Die Ausländerbehörden sollen die Aufgabe erhalten, Langzeitgeduldete zu unterstützen statt zu behindern und Wege ins Bleiberecht zu eröffnen. Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden.
  • Es muss endlich Schluss sein mit überfallartigen Abschiebungen zur Nachtzeit. Familien dürfen durch Abschiebungen nicht getrennt werden. Humanität im Umgang mit Geflüchteten muss wiederhergestellt werden!
  • Wir fordern, die Abschiebungshaftanstalt in Langenhagen zu schließen. Solange es sie gibt, müssen Abschiebungsgefangene Anspruch auf eine soziale, medizinische und juristische Beratung und Unterstützung haben. Rechtswidrige Inhaftierungen soll es nicht mehr geben.

Wir erkennen an, dass die Landesregierung durch Gewährleistung einer Migrationsberatung sowie die Bereitstellung von Sprachkursen für alle Asylsuchenden ohne Ansehen ihres Status wesentliche Bedingungen dafür geschaffen hat, dass ein Neustart in Niedersachsen gelingen kann. Das allein reicht aber nicht, wenn und solange Geflüchtete jahrelang in Unsicherheit über ihr Aufenthaltsrecht gehalten werden. Was jetzt gebraucht wird, ist ein Paradigmenwechsel weg von ordnungspolitisch motivierten Versuchen einer Reglementierung und Ausgrenzung, hin zu einer Politik der Ermöglichung und des Empowerments.


09. September 22

EU-Verordnung ist Frontalangriff auf das europäische Asylrecht

PRO ASYL und rund 60 NGOs aus ganz Europa warnen in einem Brandbrief vom 8. September angesichts einer derzeit diskutierten EU-Verordnung vor einer weitreichenden Aushebelung des europäischen Asylrechts. In Brüssel und den europäischen Hauptstädten…

Gemeinsame Presseerklärung von PRO ASYL und Flüchtlingsräten

29. Juni 2022

Melilla: Bundesregierung muss sich einsetzen für die Beendigung
der tödlichen EU-Kooperation mit Marokko bei der Grenzabwehr

Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL begrüßen, dass die spanische Justiz die brutale Gewalt gegen Schutzsuchende an der Grenze zur spanischen Exklave Melilla untersuchen will. Die Organisationen verurteilen die Gewalteskalation der Grenzkräfte und Verharmlosung durch den spanischen Regierungschef Sanchez und EU-Ratspräsident Charles Michel aufs Schärfste – und fordern von der Bundesregierung, dies ebenfalls zu verurteilen.

Nachdem Grenzkräfte an den europäischen Außengrenzen in Melilla auf Schutzsuchende eingeprügelt haben, Hunderte schwer verletzt zurückließen und  dabei mindestens 23 Menschen zu Tode kamen, erklärt Karl Kopp, Leiter der Europa-Abteilung bei PRO ASYL: „Nicht nur ist die Gewalt, mit der die Grenzkräfte in Melilla gegen Schwarze Menschen auf der Flucht vorgegangen sind, völlig außer Kontrolle geraten. Auch die politischen Reaktionen sind außer Kontrolle: Sie zeigen die Menschenverachtung, die Verantwortliche nutzen, um das Geschehene zu legitimieren. In Melilla fallen die letzten Tabus in der europäischen Abwehrpolitik. Das Recht auf Leben und auf Schutz sowie die Menschenwürde lösen sich auf.“ So lobte der spanische Ministerpräsident Sanchez das Vorgehen der Sicherheitskräfte, und  EU-Ratspräsident Charles Michel sagte den spanischen Behörden seine volle Unterstützung zu.

Es ist wichtig, dass zumindest die spanische Justiz zu erkennen scheint, dass hier die Menschen- und Grundrechte der Schutzsuchenden verletzt wurden. Auch mehrere UN-Organisationen und die Afrikanische Union hatten eine Untersuchung gefordert. Doch das reicht nicht. Von der Bundesregierung fordern Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL eine deutliche Verurteilung der Brutalität an der Grenze und eine klare Positionierung gegen dieses tödliche europäische Grenzregime. Karl Kopp dazu: „Von einer Bundesregierung, die nach eigenen Aussagen das Leid und den Tod an den Außengrenzen beenden will, erwarten wir eine klare Verurteilung dieser Menschenrechtsverletzungen. Zudem muss sie sich dafür einsetzen, die tödliche EU-Kooperation mit Marokko bei der Grenzabwehr zu beenden. Die Normalisierung von Gewalt gegen Geflüchtete an den EU-Außengrenzen muss ein Ende finden.“

Die Eskalation am Wochenende reiht sich ein in die massive Gewalt gegen Schutzsuchende an den EU-Außengrenzen – und muss doch endlich eine Zäsur darstellen! „Man liest dieser Tage von ,erneuter‘ oder ,wiederholter‘ Gewalt. Die Formulierungen treffen zu und bagatellisieren doch den in Kauf genommenen Tod von Schutzsuchenden. Sie werden seit Jahren vor aller Augen im Mittelmeer, bei illegalen Pushbacks, in polnischen Wäldern und an nahezu allen anderen Außengrenzen der EU tödlichen Gefahren ausgesetzt. Das Verprügeln von Schwerverletzten ist aber zweifelsohne eine neue Stufe der Barbarei, vor allem, wenn diese von politisch Verantwortlichen gelobt wird“, so Dave Schmidtke, Pressesprecher des Sächsischen Flüchtlingsrats.

Dabei ist die Lage im marokkanischen Nador und der spanischen Enklave Melilla seit Jahren komprimiertes Sinnbild einer gescheiterten Asylpolitik der EU. Frustriert, erschöpft und am Existenzminimum warten Schutzsuchende dort jahrelang auf die Möglichkeit, in Europa Schutz zu beantragen – meist ohne Erfolg. Längst stellt sich nicht mehr die Frage, „ob“ Schutzsuchende daran gehindert werden, ihr Recht auf Asylantragsstellung wahrzunehmen, sondern nur noch, auf welche unmenschliche Art und Weise. Auch die jüngste Medienberichte zu Griechenlands Vorgehen, Flüchtende dazu zu missbrauchen, sich an Pushbacks gegen Flüchtende zu beteiligen, zeigen eine weitere Stufe der Perfidität.

Zur Information:
PRO ASYL, der Hessische Flüchtlingsrat und Seebrücke Frankfurt rufen zur Demonstration gegen das brutale Vorgehen der Grenzbeamten in Melilla und Nador auf: am Freitag, 1. Juli, 17 Uhr vor dem marokkanischen Generalkonsulat in der Ostparkstraße 35, 60385 Frankfurt.

 


 

Zugang zu notwendiger medizinischer Versorgung
für alle Geflüchteten sicherstellen

 

Sehr geehrter Herr Bundesminister Heil,

wir wenden uns als Vertreter*innen von 57 Organisationen und Verbänden aus den Bereichen Flucht und Gesundheit an Sie, weil wir beim Zugang zu Gesundheitsversorgung eine menschenrechtswidrige Ungleichbehandlung zwischen geflüchteten Menschen und eine medizinische Unterversorgung hunderttausender Menschen beobachten.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24.02.2022 sind nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge rund 600.000 ukrainische Geflüchtete in Deutschland angekommen. All diese Menschen – unter ihnen überwiegend Frauen, Kinder und alte Menschen – brauchen Zugang zu einer Gesundheitsversorgung, die auch die Behandlung psychischer und chronischer Erkrankungen und notwendige Vorsorgeuntersuchungen einschließt.

Geflüchtete in Deutschland haben nach §§ 4, 6 AsylbLG in den ersten 18 Monaten ihres Aufenthaltes aktuell nur Anspruch auf eingeschränkte Gesundheitsleistungen. Das Asylbewerberleistungsgesetz garantiert nur die Behandlung bei akuten Krankheiten und Schmerzzuständen. Alle weiteren Behandlungen, unter anderem von chronischen oder psychischen Erkrankungen, bedürfen einer oftmals langwierigen Einzelfallentscheidung durch das Sozial- und Gesundheitsamt. Dies führt zu einer massiven gesundheitlichen Unter- und Fehlversorgung. Die gesetzlichen Ansprüche Geflüchteter liegen deutlich unter dem Niveau, das im GKV-Leistungskatalog nach SGB V als das „Maß des Notwendigen“ definiert ist.

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die Entscheidung des Bundeskanzlers und der Regierungschefs und -chefinnen der Länder vom 07.04.2022, Geflüchteten nach § 24 AufenthG aus der Ukraine ab dem 01.06.2022 Zugang zu Sozialleistungen nach SGB II und XII und damit zu umfassenden Gesundheitsleistungen nach GKV-Leistungskatalog zu gewähren. Dies ist ein richtiger und wichtiger Schritt.

Mit großer Sorge erfüllt uns jedoch die Ungleichbehandlung geflüchteter Menschen in Deutschland, die wir in Bezug auf Aufenthaltsrecht, Zugang zu Sozial- und Integrationsleistungen sowie zum Arbeitsmarkt, insbesondere aber auch in der gesundheitlichen Versorgung beobachten.
Wir sehen dies zum einen in der Praxis auf kommunaler Ebene. An mehreren Orten mussten Kriegsflüchtlinge aus Syrien, dem Irak, aus Afghanistan oder dem Jemen aus ihren Unterkünften weichen und an Orte mit schlechter psychosozialer und medizinischer Versorgungsstruktur umziehen, um Platz zu machen für Geflüchtete aus der Ukraine. In einigen Kommunen ist es Geflüchteten aus der Ukraine möglich, kostenlos den Nahverkehr zu nutzen, während Geflüchtete aus anderen Ländern oft Schwierigkeiten haben, eine Arztpraxis aufzusuchen, weil sie sich die Transportkosten nicht leisten können.

Zum anderen besteht auf Bundesebene der Anspruch auf umfassende Gesundheitsversorgung nach dem Beschluss vom 07.04.22 nur für hilfsbedürftige Menschen aus der Ukraine, die einen Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG haben. Damit sind sowohl aus der Ukraine geflüchtete Staatenlose und Drittstaatsangehörige ohne Daueraufenthaltsrecht in der Ukraine potenziell ausgeschlossen als auch Geflüchtete aus anderen Staaten, die weiterhin nur eingeschränkte Leistungsansprüche haben.

Alle Menschen in Deutschland brauchen eine Gesundheitsversorgung auf dem Niveau des GKV-Leistungskatalogs. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass der Bedarf Geflüchteter aus anderen Ländern als der Ukraine – oder von Geflüchteten aus der Ukraine, die keinen Aufenthaltstitel nach § 24 bekommen – niedriger sei als das im Leistungskatalog der GKV festgelegte „Maß des Notwendigen“.

Deutschland hat sich völkerrechtlich verbindlich verpflichtet, einen diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Unterschiedliche Niveaus im Anspruch auf Gesundheitsversorgung sind daher nicht zu rechtfertigen. Bereits 2018 wurde Deutschland von dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in seinen abschließenden Bemerkungen zum Staatenbericht eindringlich aufgefordert, die Einschränkungen im Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen. Auch aus ökonomischer Perspektive ist der eingeschränkte Zugang zur Gesundheitsversorgung nachteilig. Eine Studie von Kayvan Bozorgmehr und Oliver Razum hat bereits 2015 zeigen können, dass der Ausschluss von Asylsuchenden in Deutschland höhere Kosten verursacht als deren Einbezug in die Regelversorgung.

Wir möchten Sie daher dringend auffordern, die aktuell bestehende Ungleichbehandlung zu beenden und sie zum Anlass zu nehmen, Einschränkungen im Asylbewerberleistungsgesetz für alle Geflüchteten abzuschaffen. Denn alle Menschen in Deutschland müssen ihr Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsversorgung wahrnehmen können.
Um dies tatsächlich zu gewährleisten, ist es zudem notwendig, dass Geflüchtete bundesweit über eine elektronische Gesundheitskarte einen unbürokratischen Zugang erhalten. Zudem müssen Angebote der Gesundheitsversorgung, insbesondere im Bereich der psychischen Gesundheit, bedarfsgerecht ausgebaut und angepasst werden. Hierzu gehört auch, qualifizierte Sprachmittlung zu gewährleisten. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag bereits angekündigt, das Asylbewerberleistungsgesetz zu überarbeiten, einen unbürokratischeren Zugang zu Gesundheitsversorgung für Geflüchtete sicherzustellen und Sprachmittlung im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung als Bestandteil des SGB V zu verankern. Wir bitten Sie, sich innerhalb der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass diese Vorhaben schnellstmöglich angegangen werden, damit alle schutzsuchenden Menschen in Deutschland Zugang zu notwendiger medizinischer Versorgung im Rahmen des Regelgesundheitssystems erhalten.

Gerne stehen wir Ihnen für weiterführende Gespräche und Rückfragen zur Verfügung.

Mit herzlichem Dank und freundlichen Grüßen
1. François De Keersmaeker, Direktor, Ärzte der Welt e. V.
2. Günter Burkhardt, Geschäftsführer, PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.
3. Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik, Diakonie Deutschland
4. Prof. Dr. med. Ansgar Gerhardus, Vorsitzender, Deutsche Gesellschaft für Public Health
5. Sylvia Urban, Bundesvorstand, Deutsche Aidshilfe
6. Elise Bittenbinder, Vorstandsvorsitzende, Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfFe.V.)
7. Prof. Dr. med. Gerhard Trabert, Vorsitzender, Armut und Gesundheit e. V.
8. Dr. Felix Kolb, Geschäftsführender Vorstand Campact e. V.
9. Torsten Jäger, Geschäftsführer, Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz
10. Dr. med. Angelika Claußen, Co-Vorsitzende, Deutsche Sektion der Internationalen Ärzt*innen zur Verhütung des Atomkriegs/Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V.
11. Jörg Schaaber, Geschäftsführer, BUKO Pharma-Kampagne
12. Dr. Inez Kipfer-Didavi, Geschäftsführerin, Handicap International e. V.
13. Noah Peitzmann, Geschäftsführer, Anonymer Krankenschein Bonn e.V.
14. Janina Meyeringh, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin und Leitung, XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
15. Dr. med. Gerhard Bonnekamp, Vorstandsmitglied, Medinetz Essen e.V.
16. Felix Ahls, Ko-Vorsitzender, Verein demokratischer Ärzt*innen 17. Medinetz Karlsruhe e. V.
18. Dr. med. Roland Fressle, Vorsitzender, Refudocs Freiburg e.V. 19. Medibüro Berlin e. V.
20. Sophia Wirsching, Geschäftsführerin, KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
21. MediNetz Bielefeld e. V.
22. Mona Golla, Medibüro Kiel e. V.
23. Prof. Dr. Karin Weiss, Geschäftsführerin, Zentrum ÜBERLEBEN gGmbH
24. Johanna Schwarz, Vorstandsmitglied, Medinetz Mainz e.V.
25. Nele Wilk, Clearingstelle Krankenversicherung RLP
26. Julia Helm, Vorstandsmitglied, Medibüro Lübeck e.V.
27. Pater Claus Pfuff SJ, Direktor, Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland
28. Prof. Dr. Katrin Keller, Vorsitzende, IN VIA Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit – Deutschland e.V.
29. Susanne Kahl-Passoth, Vorsitzende, Evangelische Frauen in Deutschland e.V.
30. Eva Klotz, Projektkoordination, Clearingstelle und Anonymer Behandlungsschein Leipzig e.V.
31. Claudius Voigt, Vorstandsmitglied, Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V. (GGUA)
32. Nicolay Büttner, Politische Arbeit und Advocay, Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen
33. Medinetz Halle/Saale e.V.
34. Thomas Hammer, Vorstand, Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten e.V. (VdPP)
35. Medibüro Chemnitz e. V.
36. Naciye Demirbilek, Geschäftsführung, Frauenperspektiven e.V.
37. Bayerischer Flüchtlingsrat e. V.
38. Dr. Elizabeth Beloe, Vorstandsvorsitzende, moveGLOBAL e.V.
39. Dr. Claudia Tamm, Vorsitzende, MediNetz Koblenz e. V.
40. Jasper Steingrüber, Vorstand, MediNetz Jena e.V.
41. Kai Weber, Geschäftsführer, Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
42. Wolfgang Kramer, Vorstandsvorsitzender, refugio stuttgart e. V.
43. Achim Meis und Wolfgang Schwarz, Leitung soziale Dienste, Caritasverband Koblenz e.V.
44. Hannes Ströhlein, Aktion Grenzenlos e.V./Medizinische Flüchtlingshilfe Nürnberg + Fürth
45. Jugendliche ohne Grenzen
46. Valentin Senft, Vorsitzender, MediNetz Bonn e. V.
47. Medibüro Hamburg e. V.
48. Holger Förster, Geschäftsführer, Verband für Interkulturelle Arbeit (VIA) Regionalverband Berlin/Brandenburg e.V.
49. Franek Machowski, Projektkoordinator Gemeinsam. Schaffen.Teilhabe durch Patenschaften, Polnischer Sozialrat e.V.
50. Eva Weise, 1. Vorsitzende, Psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge Düsseldorf e.V.
51. FRABS e. V. (Freiburger Anonymisierter Behandlungsschein)
52. Medinetz Freiburg e. V.
53. Christin Hempeler, 1. Vorsitzende, Medinetz Hannover e.V.
54. Dr. Doris Felbinger, Geschäftsführung, BIG e. V. – Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen
55. Katrin Bahr und Frederik Kronthaler, Geschäftsführender Vorstand, Condrobs e.V. (mit der Condrobs Clearingstelle Gesundheit)
56. medinetz Gießen
57. Michael Knecht, Geschäftsführer Ambulante Hilfe

(Der Brief als PDF)

Kai Weber
Geschäftsführer
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Röpkestr. 12
30173 Hannover
Tel.: 0511/98 24 60 30 Mo-Fr: 10.00 bis 12.30, Di+Do: 14.00 bis 16.00
Fax: 0511/98 24 60 31
Mail: nds@nds-fluerat.org


Tödlicher Polizeieinsatz gegen Geflüchteten:

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein

Die Staatsanwaltschaft Stade teilt heute in einer Presseerklärung (siehe Anhang) mit, dass sie die Ermittlungen gegen die Beamt:innen, die bei einem Einsatz in einer Geflüchtetenunterkunft in Harsefeld in Landkreis Stade am 03.10.2021 den aus dem Sudane geflohenen Kamal I. erschossen, eingestellt hat. Damit unterbindet dieselbe Staatsanwaltschaft, die bereits den tödlichen Polizeieinsatz gegen Aman Alizada im August 2019 nicht zur Anklage bringen wollte, erneut eine weitergehende Aufarbeitung tödlicher Polizeigewalt, mit der Begründung, dass angeblich Notwehr bzw. Nothilfe vorlag. Das ist angesichts der Faktenlage nur schwer zu ertragen.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen ist entsetzt über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, das Ermittlungsverfahren einzustellen, und fordert eine gerichtliche Klärung der Todesumstände von Kamal I., dem elf Kugeln aus der Waffen von drei Polizist:innen den Tod brachten.

Sigmar Walbrecht, Referent des Flüchtlingsrat Niedersachsen

„Angesichts der Faktenlage ist es absolut unbegreiflich, weshalb die vier Polizeibeamt:innen keine andere Möglichkeit gesehen haben, als auf Kamal I. zu schießen, um die Situation zu bewältigen. Deshalb halten wir es für dringend notwendig, dass die Todesumstände vor Gericht öffentlich und transparent aufgeklärt werden. Es darf nicht sein, dass Ermittlungen zu einem tödlichen Polizeieinsatz bei der Staatsanwaltschaft Stade erneut in einer Sackgasse verlaufen. Der Staatsanwaltschaft fehlt es ganz offensichtlich am nötigen Aufklärungswillen gegenüber Ihren Kolleg:innen von der Polizei, mit denen sie tagtäglich Zusammenarbeit.“

Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Stade

PM_StW_Einstllng_Ermttlng_06-04-2022

Die BI Menschenwürde aus Stade hat dazu bereits eine Pressemitteilung verfasst

PM_BI_Menschenwuerde_Verfahrenseinstellung_06-04-2022

ENOUGH IS ENOUGH! BLACK LIVES MATTER!

Mit einer Kundgebung in Stade gedachten rund 80 Menschen, ehemalige Mitbewohner, Freunde und Unterstützer verschiedener Initiativen und auch des Flüchtlingsrates Niedersachsen, Kamal Ibrahim, der nach einem Polizeieinsatz in Harsefeld (Landkreis Stade) am 03. Oktober seinen Verletzungen erlegen war. Es war bereits der zweite, tödliche Polizeieinsatz innerhalb von zwei Jahren im Landkreis Stade. Die Kundgebungsteilnehmer forderten eine gründliche Aufklärung sowohl des Todes von Kamal Ibrahim als auch des Todes von Aman Alizada, der im August 2019 ebenfalls durch Polizeischüsse zu Tode gekommen war und dessen Verfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt wurde. Eine der Hauptforderungen war deshalb, dass beide Vorgänge öffentlich durch eine Gerichtsverhandlung geklärt werden müßten und nicht allein der Staatsanwaltschaft überlassen werden dürften.

 

 

 
 

Demonstration in Gedenken an Aman Alizada und für die Rettung, den Schutz und Sicherheit aller bedrohten Menschen aus Afghanistan

Gemeinsam mit der Intiative Aman Alizada, Freund:innen, Angehörigen und Unterstützenden von Aman, den Falken Niederelbe und der SKF Sauerkrautfabrik Harburg rufen wir zur Teilnahme an der Demonstration auf.

Samstag, 21.08.2021
Start: 14 Uhr
Ort: Pferdemarkt, Stade

Aufruf und weitere Informationen zur Demonstration finden sich unter: www.initiativeamanalizada.blackblogs.org und auf der Homepage des Flüchtlingsrats Niedersachsen


Bundestagsabgeordnete und die türkische Opposition prangern Menschenrechtsverletzungen unter Erdoğan an und fordern
„Klares Signal der EU gegenüber der Türkei!“


Aufruf
„Lipa: grausame Folge der europäischen Abschottungspolitik.
Evakuierung und Aufnahme jetzt!“
,

initiiert von Seebrücke, Balkanbrücke und PRO ASYL
 

Asylzahlen auf historischem Tiefstand

Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert Verletzung internationales Rechts

„Die Friedensnobelpreisträgerin EU verletzt systematisch das Non-Refoulement-Gebot der GFK“

Die Zahl der in Deutschland gestellten Asylanträge ist im Jahr 2020 so tief gefallen wie seit sieben Jahren nicht mehr: Nach den jetzt veröffentlichten Asylzahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für 2020 wurden 102.581 Erstanträge auf Asyl gestellt. Das waren 28 Prozent weniger als im Vorjahr (142.509). Bundesinnenminister Seehofer feiert den Rückgang der Asylzahlen als Erfolg: Der Rückgang der Asylanträge sei nicht allein auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, auch die Maßnahmen zur Steuerung der Migration wirkten.

Der Zynismus dieser „Erfolgsmeldung“ ist augenfällig: Dass die Zahl der Flüchtlinge in Europa um rund ein Drittel sinkt, ist die direkte Folge der europäischen Abschottungspolitik. Mit systematischer Gewalt und unter Bruch von nationalem, europäischem und internationalem Recht werden Flüchtlinge daran gehindert, Schutz in Europa zu finden.

  • In der Ägäis fängt die griechische Küstenwache Schutzsuchende ab, zwingt sie in unsichere Rettungsinseln und lässt sie Richtung Türkei zurücktreiben.
  • Im zentralen Mittelmeer blockieren die EU-Staaten die zivile Seenotrettung und finanzieren libyische Milizen („Küstenwache“), die Menschen auf der Flucht nach Europa abfängt und zurück in die Internierungslager verschleppt.
  • An der kroatisch-bosnischen Grenze prügelt die kroatische Grenzpolizei die auch mit deutschen Wärmebildkameras gefundenen Flüchtlinge zurück nach Bosnien.

Wer also versucht, nach Europa zu fliehen, wird mit Gewalt daran gehindert, trotz winterlicher Temperaturen in Elendslagern und Zelten vor unseren Toren isoliert und zermürbt oder zurückgeschoben.

Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrat Niedersachsen, kommentiert:

„Die Praxis europäischer Grenzstaaten, Flüchtlinge in völkerrechtswidrigen Push-Back-Aktionen mit Gewalt in Staaten zurückzubringen, in denen sie vor Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen nicht sicher sind, ist völkerrechtswidrig. Flüchtlinge haben an den europäischen Außengrenzen einen Anspruch auf die individuelle Prüfung ihrer Fluchtgründe. Die Friedensnobelpreisträgerin Europäische Union verletzt systematisch das Non-Refoulement-Gebot der Genfer Flüchtlingskonvention. Wenn die Bundesregierung die rechtswidrige Abschiebungspraxis an den europäischen Außengrenzen durch gemeinsame Frontex-Einsätze und die Lieferung von Polizeitechnik deckt und unterstützt, macht sie sich mitschuldig.“

Nur aufgrund der völkerrechtswidrigen Vertreibung und Verschleppung von Schutzsuchenden in Anrainerstaaten sinkt die Zahl der Asylanträge in Europa, während die Zahl der Flüchtlinge weltweit steigt: Sie beläuft sich derzeit auf über 80 Millionen Menschen.

Die Asylanträge im Detail

Etwa ein Viertel der Asylerstanträge im Jahr 2020 (26.520) entfiel auf hier geborene Kinder von Geflüchteten, die bereits in Deutschland leben. Lediglich 76.061 Flüchtlinge sind also neu ins Land gekommen (sog. „grenzüberschreitende Asylanträge“), darunter etliche, die im Rahmen des Familiennachzugs regulär einreisen konnten. Insgesamt wurden 122.170 Asylanträge gestellt. Darin sind auch Folgeanträge enthalten. Die Hauptherkunftsländer der Erstantragsteller_innen waren 2020 Syrien (36.433), Afghanistan (9.901), Irak (9.846) und Türkei (5.778).

Insgesamt hat das BAMF im vergangenen Jahr über die Anträge von 145.071 Personen entschieden: 38.883 weniger als 2019, was ein Minus von rund 21 Prozent bedeutet. 26,1 Prozent (37.818) wurden als Flüchtling nach der Genfer Konvention anerkannt, 18.950 Personen (13,1 Prozent) erhielten subsidiären Schutz. Darüber hinaus stellte das BAMF bei 5702 Personen (3,9 Prozent) Abschiebungsverbote fest. Damit ist die Gesamtschutzquote auf (unbereinigt) 43 Prozent gestiegen (2019: 38 Prozent). Abgelehnt wurden 46.586 Anträge (32,1%), anderweitig erledigt weitere 36.015 (24,8%) – etwa weil ein anderes EU-Land als zuständig betrachtet wurde oder das Verfahren nicht weiter betrieben wurde.

Um die tatsächliche Schutzquote zu berechnen, müssen die „anderweitig erledigten“ Fälle herausgerechnet und nur die Asylverfahren berücksichtigt werden, in denen das BAMF eine inhaltliche Entscheidung getroffen hat. In diesem Fall liegt die Schutzquote bei 57% (sogenannte bereinigte Schutzquote). Diese hohe Schutzquote ist erfreulich, allerdings muss in Rechnung gestellt werden, dass viele der als Flüchtlinge Anerkannten hier geborene oder nachgezogene Familienangehörige von bereits im Bundesgebiet lebenden Geflüchteten sind und im Rahmen des sogenannten Familienasyls von Amts wegen Asyl erhalten. Die Zahl der noch nicht entschiedenen Anträge lag laut dem Ministerium Ende Dezember bei 52.056.


Appell an Ministerpräsident Weil und Innenminister Pistorius

Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert die Aufnahme Geflüchteter aus dem niedergebrannten Lager Lipa in Bosnien

42 Städte, Landkreise und Gemeinden in Niedersachsen haben sich zu Sicheren Häfen erklärt

In Bosnien sind seit dem 23. Dezember rund 900 Geflüchtete in den Ruinen des abgebrannten Camps Lipa bei Bihac dem bosnischen Winter schutzlos ausgeliefert. Vor Silvester war ihre Evakuierung in eine als Notunterkunft geplanten ehemaligen Kaserne südlich von Sarajevo an innerbosnischen Konflikten gescheitert. Darüber hinaus müssen tausende weitere Schutzsuchende im Norden Bosniens bei klirrender Kälte in wilden Camps, Ruinen oder Zelten ausharren.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen appelliert vor diesem Hintergrund an Ministerpräsident Weil und Innenminister Pistorius, umgehend die in Lipa und in den weiteren Camps im Norden Bosniens Hunger und Kälte schutzlos ausgesetzten Geflüchteten in Niedersachsen aufzunehmen und dafür ein entsprechendes Landesaufnahmeprogramm vorzulegen.

Sascha Schießl vom Flüchtlingsrat Niedersachsen:

„Seit Jahren riegelt die EU die kroatisch-bosnische Grenze ab, drängt Schutzsuchende mit Gewalt nach Bosnien zurück und schiebt so die Verantwortung für die Schutzsuchenden auf den ohnehin kaum funktionierenden bosnischen Staat ab. Damit hat die EU die humanitäre Notlage in Lipa und anderen Orten Bosniens überhaupt erst geschaffen. Die europäischen Staaten müssen nun endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und die Schutzsuchenden aufnehmen. Dazu muss auch Niedersachsen seinen Beitrag leisten.“

Allein in Niedersachsen haben sich 42 Städte, Gemeinden und Kommunen zu Sicheren Häfen erklärt, verfügen über Unterbringungskapazitäten und stehen zur Aufnahme bereit. Die Bereitschaft, Geflüchtete aus den Elendslagern an den europäischen Außengrenzen aufzunehmen, ist also enorm. Auch in den Landesunterkünften sind laut dem niedersächsischen Innenministerium derzeit rund 3.000 Aufnahmeplätze ungenutzt. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen erinnert auch daran, dass die allermeisten Menschen, die jetzt in Bosnien gestrandet sind, zuvor Schutzsuchende in Griechenland waren und dort schon von den Behörden sich selbst überlassen worden. Die Balkanroute blieb für die Schutzsuchenden dann der einzige Ausweg. 

Als empörend und absolut unzureichend kritisiert Pro Asyl – Geschäftsführer Günter Burkhardt das Nichthandeln der Europäischen Union und der EU-Staaten. „Wir erleben ein Totalversagen der Europäischen Union und der EU-Mitgliedsstaaten. Kroatien prügelt die Schutzsuchenden an der EU-Grenze zurück, die gesamte EU schaut tatenlos zu. Deutschland, Österreich und Italien beraten nun nur über Notfallmaßnahmen vor Ort. Es gibt in Zelten vor den Toren der EU aber keine Chance auf Schutz und Asyl. Die Grenzen müssen geöffnet und die frierenden Menschen innerhalb der EU aufgenommen werden. Die Situation ist eine unmittelbare Folge der illegalen Push Backs und der Mißachtung des EU-Rechts an der Grenze durch Kroatien. Jeder Tag zählt.“

Hintergrund

Am 23, Dezember 2020 hat sich die Internationale Organisation für Migration (IOM), die die meisten Notunterkünfte in dem Land leitet, aus dem Camp Lipa bei Bihac im Norden Bosniens zurückgezogen, weil die Bedingungen völlig unzumutbar waren und das Lager zu keinem Zeitpunkt winterfest war. Von Beginn an fehlten Strom, Heizung und fließendes Wasser. Das Gelände war niemals für eine Unterbringung von Menschen im bosnischen Winter geeignet. Das Camp wurde anschließend von den bosnischen Behörden geräumt, die Schutzsuchenden wurden sich selbst überlassen. Während der Räumung ist das Camp auch noch abgebrannt. Die bosnische Polizei hat in den Tagen danach verhindert, dass die Menschen das Gelände verlassen. Seither wurde um eine alternative Unterbringung der Menschen gerungen. Bei der immer wieder genannten Alternative. das geschlossene IOM-Camp Bira in Bihać wiederzueröffnen, stellt sich die Stadt Bihac quer. Ohnehin haben NGOs das Camp Bira (eine große Lagerhalle) wegen der schlechten Bedingungen immer wieder kritisiert. Seit Anfang diesen Jahres bauen die bosnischen Behörden das Camp Lipa nun erneut auf. Auch dabei ist klar, dass Lipa kein winterfestes Camp werden wird.

weitere Informationen:
Sascha Schießl, Tel. 0511 – 8564 5459
Kai Weber, Tel. 0511 – 8487 9972


 


 


Stadt und Landkreis Cuxhaven: 50 Flüchtlinge könnten kommen

Auch Cuxhaven zeigte Gesicht –
in Solidarität mit den Geflüchteten in den griechischen Lagern

aus den Cuxhavener Nachrichten vom 14.09.20

 

Alle Fotos: Karl-Heinz Zulkowski-Stüben

Samstag, den 12.09.2020

Auch Cuxhaven zeigte Gesicht –
in Solidarität mit den Geflüchteten in den griechischen Lagern

Mehr als 80 BürgerInnen, (unter ihnen auch 2 Flüchtlingsfamilien, Roma bzw. Kurden mit ihren Kindern) waren dem gemeinsamen Aufruf von Arbeitskreis Asyl Cuxhaven e.V., Bündnis 90 / Die Grünen OV Cuxhaven, DIE LINKE. Hadeln-Osteland und DIE LINKE. Cuxhaven gefolgt und forderten u.a. eine sofortige Aufnahme einer großen Zahl von Geflüchteten aus dem Lager Moria und die Evakuierung aller Flüchtlingslager in Griechenland.
In einem großen Kreis mit dem zugehörigen „Coronaabstand“ und mit Mund- und Nasenschutz hatten sie sich mitten in der Einkaufszone versammelt, um ihrem Protest Aufmerksamkeit zu verleihen.
Auch eine ganze Reihe Passanten blieb stehen, um den kurzen aber intensiven Redebeiträgen zu lauschen.
Der Sprecher des Arbeitskreises Asyl bezeichnete den bisherigen Umgang der politisch Verantwortlichen (aus der Europäischen Union, der Regierung in Griechenland aber auch der Bundesrepublik Deutschland) mit den Flüchtlingslagern in Griechenland als große Schweinerei. Sie alle hätten die gegenwärtige Situation nicht nur in Kauf genommen, sondern im Gegenteil durch aktives Verhalten geradezu befördert. Das Lager Moria war von Beginn an nicht als Schutz für Flüchtlinge gedacht sondern als die „Abschreckungswaffe“ schlechthin. Der Innenminister Horst Seehofer solle seine Blockadehaltung ab sofort aufgeben und sich ebenfalls für die Aufnahme der Flüchtlinge aus dem Lager Moria einsetzen.

Der Cuxhavener Oberbürgermeister Uwe Santjer nahm ebenfalls an der Mahnwache teil und bekräftigte noch einmal, dass die Stadt Cuxhaven, als Mitglied der SEEBRÜCKE bereit ist, zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen.

Die Rojava Solidaritätsgruppe Land Hadeln wies auf die Notwendigkeit hin, demokratische, gesellschaftliche Entwicklungen wie in der Region Rojava in Nordsyrien zu unterstützen, um auch damit einen Beitrag gegen „Fluchtursachen“ zu leisten.

Der Sprecher der Amnesty Gruppe Cuxhaven bedankte sich noch einmal bei der Stadt, bzw. den Stadtratsmitgliedern, die dem Städtebündnis „Städte für das Leben – Städte gegen die Todestrafe“ beigetreten sei. In seinen Augen bedeute das Lager Moria aber eine Todesstrafe auf Raten.

Einige Teilnehmer der Mahnwache riefen in sehr persönlich gehaltenen Appellen dazu auf, sich auch weiterhin solidarisch zu zeigen und gemeinsam für eine „humane Flüchtlingspolitik“ zu streiten, die diesen Namen auch verdient.

 

Solidarität mit den Geflüchteten in den griechischen Lagern –

am Samstag, den 12.9.2020 11:30,

Protestaktion in der Nordersteinstraße, Penzancer-Platz, Cuxhaven

Pressemitteilung
des Arbeitskreis Asyl Cuxhaven e.V., Bündnis 90 / Die Grünen OV Cuxhaven, DIE LINKE. Hadeln-Osteland, DIE LINKE. Cuxhaven.

Moria: Europas Glaubwürdigkeit und Gewissen verbrannt!!!

Der verheerende Brand im griechischen Flüchtlingslager Moria ist der Tiefpunkt der nun endgültig gescheiterten europäischen Flüchtlingspolitik. Die Zustände in Moria und den anderen Lagern auf den griechischen Inseln sind seit Jahren menschenunwürdig und katastrophal und ebenso lang wurden die Warnungen von Menschenrechtsorganisationen in den Wind geschlagen.

Wir sehen Deutschland, welches aktuell die europäische Ratspräsidentschaft innehat, jetzt erst Recht in der Pflicht, eine sofortige Evakuierung und Aufnahme der Geflüchteten aus Moria zu organisieren.

Moria war bereits vor dem Brand mit rund 13.000 Menschen heillos überfüllt, Trinkwasser und Nahrungsmittel waren knapp, die öffentliche Müllentsorgung fand einfach nicht statt und auch die medizinische Versorgung lag in den Händen von Menschenrechtsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen.

Dann folgte noch der Corona Ausbruch. Statt die Infizierten außerhalb des Lagers zu behandeln, sollte das ganze Lager isoliert und von allen Kontakten nach Außen abgeschnitten werden.

In dieser Situation war es nur eine Frage der Zeit, wann es zur Katastrophe kommen mußte.

Auch wenn in den letzten Monaten knapp 500 Kinder, unbegleitete minderjährige Jugendliche und einige kranke Menschen aufgenommen wurden, weigert sich die Bundesregierung bis heute zusätzlich Geflüchtete aufzunehmen. Sie verweist wie der Innenminister Horst Seehofer auf die Verantwortung der Europäischen Union, wohl wissend, dass eine Zustimmung aller Länder niemals zu erreichen sein wird.

Dies obwohl 170 Städte und Kommunen in Deutschland seit Monaten ihre Bereitschaft zur Aufnahme von Geflüchteten angezeigt, die Länder Berlin und Thüringen dies sogar explizit gefordert haben. Auch die Stadt und der Landkreis Cuxhaven haben sich im Rahmen der SEEBRÜCKE bereit erklärt, zusätzlich Geflüchtete aufzunehmen.

Wir rufen deshalb – in Solidarität mit den Geflüchteten in den griechischen Lagern – am Samstag, den 12.9.2020 11:30 zu einer Protestaktion in der Nordersteinstraße, Penzancer-Platz auf.

Unser Ziel:

  • sofortige Aufnahme einer großen Zahl von Geflüchteten aus dem Lager Moria
  • die Evakuierung und Auflösung aller Lager in Griechenland
  • eine überfällige Neuausrichtung der deutschen und europäischen Flüchtlingspolitik
  • Auflösung des menschenunwürdigen EU-Hotspot-Systems

PS: Mund- und Nasenschutz nicht vergessen!


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Stade, 22.08.2020

Demonstration zum Gedenken an Aman Alizada,
der am 17. August 2019 in Stade von der Polizei erschossen wurde.

Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Ermittlungen gegen den Polizisten bereits eingestellt, es sollte also nicht zu einem Prozess gegen den Schützen kommen. Aber für viele wirft der Tod des jungen Geflüchteten weiterhin viele Fragen auf, die so nie beantwortet werden können.

Der Arbeitskreis Asyl Cuxhaven e.V. begrüßt gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat Niedersachsen die jüngste Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Celle, dass die Ermittlungen zum Polizeieinsatz wieder aufgenommen werden. Die Abläufe müssen restlos aufgeklärt werden.

Weitere Hintergrundinformationen zu dem tödlichen Polizeieinsatz in Stade

https://www.nds-fluerat.org/46175/aktuelles/aman-alizada-starb-vor-einem-jahr-durch-polizeischuesse-in-stade/

https://www.akweb.de/politik/aman-a-aus-stade-erschossen-von-deutschen-polizisten/

Alle Fotos: Karl-Heinz Zulkowski-Stüben

Redebeitrag des Flüchtlingsrats

Nachfolgend dokumentieren wir den Redebeitrag von Dörthe Hinz für den Flüchtlingsrat Niedersachsen:

Ein Jahr ist vergangen seit dem tragischen Tod des 19 jährigen Aman Alizada. Tod durch Schüsse aus der Pistole eines Polizisten. Der Tod von Aman Alizada bei einem Polizeiansatz am 17. August letzten Jahres in Stade wirft weiterhin Fragen auf, die beantwortet werden müssen.

Auch heute machen das Geschehen, der Tod, die Todesumstände, die Erinnerung tief betroffen und traurig. Es bleibt unbegreiflich, dass dieser junger Mensch gestorben ist, gestorben im Rahmen eines Polizeieinsatzes, der bis heute nicht lückenlos aufgeklärt ist.

Neben der Trauer macht das Geschehen aber auch wütend. Wütend, dass im Falle Amans, wie auch in vielen Weiteren ähnlichen Fällen, die Ermittlungen eingestellt wurden bzw. werden sollten. Diese Entscheidung der Stader Staatsanwaltschaft ließ aus Sicht des Flüchtlingsrates nicht nur etliche Fragen unbeantwortet, vielmehr wurden sogar weitere Fragen aufgeworfen. Es war zwingend nötig, dass die Generalstaatsanwaltschaft Celle die Staatsanwaltschaft in Stade zur erneuten Aufnahme der Ermittlungen aufforderte und die Ermittlungen jetzt weitergehen müssen. Denn die Antworten und Einschätzungen, die die Staatsanwaltschaft lieferte, sind beschämend und zeugen nicht von einer gründlichen Ermittlungsarbeit. (…) Unsere Forderung nach lückenloser und auch transparenter Aufklärung hat damit weiterhin Bestand.

„Warum eigentlich? Warum?“, fragt sich sein Bruder Rahmat, „warum fand mein jüngerer Bruder in einem der sichersten Länder der Welt den Tod durch einen Polizisten, vier Jahre nach seiner Flucht aus einer der gefährlichsten Regionen der Erde?“

Aman Alizada floh mit 15 Jahren ohne seine Eltern aus Afghanistan. Er suchte Schutz vor Verfolgung, Schutz vor Krieg. Die ersten zwei Jahre in Deutschland wohnte er mit 70 anderen Minderjährigen in einer Turnhalle statt in einer jugendgerechten Unterkunft. Kurz vor seinem 18. Geburtstag wurde sein Asylantrag abgelehnt. Kurz danach wurde auch die Unterstützung seitens der Jugendhilfe eingestellt. Sein psychischer Zustand wurde zunehmend schlechter. Er wurde krank. Er benötigte Hilfe – Hilfe, die er nicht bekam.

Der Polizei war Amans psychischer Krankheitzustand bekannt, als sie am Abend des 17.8. 2019 zu seiner Unterkunft fuhr. Wieso stirbt ein junger Mann, der sich allein in einem Zimmer befindet, wo keine weitere Person in Gefahr schwebt, der keine unmittelbar tödliche Waffe bei sich trägt – Wieso stirbt er umgeben von vier Polizisten und Polizistinnen?

Die uns bekannten Fakten lassen alles andere zu als den Schluss, dass die fünf Schüsse, in „glasklarer Notwehr“ abgegeben wurden. Nach den uns bekannten Zeug_innen-Aussagen hat sich der Polizist selbst in eine Lage gebracht, die möglicherweise für ihn bedrohlich wurde, obgleich zuvor für keinen Menschen eine Gefahr bestand. Der Beamte hat die Tür des Zimmers, in dem sich Aman Alizada allein befand, aufgetreten und ist in das Zimmer vorgedrungen. Man kann sicher allein deshalb nicht mehr von Notwehr sprechen. Die Situation war von den zwei draußen befindlichen Polizist_innen überwiegend einsehbar. Die Eskalation einer zuvor kontrollierbaren Situation bleibt unbegreiflich.

Es heißt, es habe einen Angriffsversuch von Aman gegeben. Ein Gutachten, dass die abgegebenen Schüsse untersucht hat, kommt allerdings zu der Erkenntnis, dass zwei Schüsse, von denen mindestens einer tödlich war, in Höhe des Brustbeins in Aman Alizadas Körper eintraten. Die Ergebnisse zu den Schusswinkeln legen nahe, dass Aman sich in einer sitzenden Position befunden hat, wie er es zuvor laut Zeug_innen-Aussagen auch getan hat, und dass er damit nicht in Angriffshaltung dem Polizisten gegenüberstanden haben kann. Notwehr – oder doch Totschlag? (…) Notwehr ist nur dann gegeben, wenn es keine andere Möglichkeit gegeben hat, aus der lebensbedrohlichen Situation anders herauszukommen.

Wir fragen:

  • Die psychische Erkrankung von Aman war bekannt. Warum wurden nicht frühzeitig der sozialpsychiatrische Dienst, psychologische Fachleute oder andere medizinische Hilfe eingebunden?
  • Wieso haben die beiden Beamten, die sich im Haus befanden, sich gewaltsam Zutritt zum Zimmer verschafft und damit nach dem bisherigen Erkenntnisstand ganz eindeutig die Gefahrensituation verschärft?
  • Lag auch danach überhaupt eine Notwehrsituation vor? Nicht zuletzt die Ergebnisse zu den Einschusswinkeln lassen einen anderen Schluss zu.
  • Warum wurden nicht weitere Einsatzkräfte angefordert?
  • Warum wurde nicht in Arm oder Bein geschossen?

Ist die Staatsanwaltschaft vertrauenswürdig, wenn sie einseitig ermittelt und diese Fragen nicht stellt?  (…) Der Tod von Aman Alizada, aber auch viele weitere bedenkliche Polizeieinsätze in den letzten Wochen und Monaten zeigen: Es muss sich etwas ändern bei Polizeieinsätzen. Notwendig sind Konsequenzen bei den Einsatzstrategien der Polizei. Bei Einsätzen wie in Stade muss die Polizei anders vorgehen und sicherstellen, dass niemand dabei stirbt.

Eine aktuelle Statistik zeigt auf, dass 8 von 10 Menschen, die durch Polizeieinsätze sterben, psychisch krank sind. Eine alarmierende Zahl. Es ist Unwissenheit und Überforderung, die mitunter in solchen Fällen dazu führt, das Polizist_innen nicht entschärfen, sondern vielmehr zur Eskalation beitragen. Psychisch erkrankte Menschen mit gezogener Waffe zu konfrontieren, führt oft unweigerlich zur Eskalation der Situation. Das ist alles nicht neu; umso unbegreiflicher ist es, dass es offensichtlich weiterhin an Handlungswissen mangelt und die Einbeziehung von psychologischen Fachleuten nicht standardmäßig vorgenommen wird.

Hier ist auch die Politik gefragt. Es ist auch ihre Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, Strukturen zu hinterfragen und sie zu verändern, so dass junge Menschen wie Aman und viele andere Schutz, Sicherheit und Hilfe bekommen. Die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen, an die sich Menschen richten können, ist ein wichtiger Schritt, um willkürliches Handeln in der Polizei einzuschränken und Sicherheitsbehörden demokratischer zu machen. Eine unabhängige Beschwerdestelle gibt es in Niedersachsen nicht. Sowohl die Stelle als auch die Polizei sind dem gleichen Ministerium untergestellt.

Es ist schon lange Zeit zu handeln. Doch was wir erleben ist eine aggressive Abwehrhaltung von kritischer Begleitung solcher Todesfälle. Abwehr trägt wenig dazu bei, fortschrittliche und notwendige Veränderungen in den Sicherheitsorganen voranzubringen. Ähnliches lässt sich auch bei der aktuellen Debatte um die Untersuchung zum Thema „Rassismus in der Polizei“ beobachten. Es sollte doch im Interesse aller sein, dass das Handeln von Behörden ständig überprüft und von Politik und den Behörden selbstkritisch reflektiert und, wo nötig, auch nachgebessert wird. Nur so kann das Vertrauen jedes einzelnen Menschen, der hier lebt, in die Behörden hergestellt werden.

Wir werden an diesem Fall hier dranbleiben, wir werden solange Aufklärung fordern, wie es nötig ist. Wir werden gemeinsam eine öffentliche Sichtbarkeit schaffen für Geschehnisse wie diese und für Menschen, die unsichtbar gemacht werden sollen. Es gehört zu den Grundvoraussetzungen einer Demokratie, dass sich die Polizei Fragen gefallen lassen muss, wenn bei ihren Einsätzen Menschen geschädigt oder gar getötet werden. Und diese Fragen müssen auch beantwortet werden. Dies gilt umso mehr in Zeiten, in denen immer häufiger rechte Netzwerke und Rassismus in Sicherheitsorganen bekannt werden.

Wir erinnern heute auch daran, dass Aman Alizada als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Niedersachsen kam. Wir erinnern daran, dass er trotz psychischer Erkrankung, trotz weiterer Unterstützungsbedarfe mit 18 Jahren aus der Jugendhilfe verwiesen wurde. Es ist inakzeptabel, dass weiterhin zu viele Jugendämter in Niedersachsen nach Vollendung der Volljährigkeit die Unterstützung einstellen. Eine Hilfe, die im Regelfall vorgesehen ist und so oft dringend benötigt wird. Der Alltag junger Flüchtlinge ist bereits vielfach belastet durch Flucht und Trennung von der Familie, er ist dominiert von Ängsten, Unwissenheit und Unsicherheiten der Betroffenen über ihre aufenthaltsrechtliche Situation und ihre Zukunft in Deutschland. Sie in dieser Situation alleine zu lassen ist fatal.

Im letzten Jahr haben wir die bestehenden Versorgungsdefizite in Stade identifiziert und benannt. Es fehlt jedoch bis heute in Stade eine den Bedarf deckenden psychosoziale und psychologische Versorgungsstruktur, es fehlen bedürfnisorientierte Angebote und Anlaufstellen für (junge) geflüchtete Menschen. Statt sich mit der Kritik auseinanderzusetzen wurde sie größtenteils abgewehrt. Es ist für uns unbegreiflich, dass es nach der Kritik von mehreren Seiten bislang keine erkennbaren Verbesserungen oder Veränderungen gibt. Wir appellieren heute erneut eindringlich an Politik und Verwaltung in Stade, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und die Versorgungsdefizite abzuschaffen.

An dem tragischen Tod von Aman Alizada können wir leider nichts mehr ändern. Aber wir können und müssen gemeinsam in all unseren unterschiedlichen Rollen, Funktionen, Verantwortlichkeiten Konsequenzen ziehen, bestehende Strukturen und das eigene Handeln hinterfragen und unter Einbeziehung von geflüchteten Menschen aus Stade eine tatsächlich offene und vielfältige Stadt gestalten, die Menschen willkommen heißt, in denen sich Menschen willkommen fühlen… und in denen Menschen wie Aman, die als Kinder oder Jugendliche aus Kriegssituationen allein fliehen müssen, sich geschützt und sicher fühlen können. Das ist unsere Aufgabe und Verantwortung, egal ob wir jetzt im Auftrag der Bundesregierung/des Staates arbeiten oder in einer unabhängigen Menschenrechtsorganisation tätig sind.

Einzelne Redebeiträge der Kundgebung und Demonstration

Rede des Bruders Rahmat Alizada

Goodafternoon everyone. My name is Rahmat. And I am the older brother of Aman who was killed in his refugee accommodation by a police officer last year.
His death should never have happened. To begin, I would like to thank all of you for coming. In doing so, you are paying respect to my brother, and to others like him. Like me, you want change so that others don’t suffer the same fate. I want to sincerely thank individuals, groups, organisations, community advocates, and refugee supporters who have worked tirelessly to organise today’s event.
I want to thank media when it truthfully reported what happened on that fateful night. Thank you for helping to expose where wrong has been committed, particularly against vulnerable and innocent people.
It is not my place here to go into detail about what happened. I wasn’t there. But I believe I have the right, as we all do, to demand honest answers. And to expect a fully independent investigation. I believe that my brother was killed by an indiscriminate abuse of force, committed on a vulnerable youth who was struggling to find his way in a new land that he’d come to love as his own.
To my mind it was an over-reaction, an excessive use of force, a cowardly act, and a show of needless brutality in a perfectly harmless situation. I can’t explain how many tears I’ve shed over my brother’s death, and how it has driven a sword into the heart of our little family, forcibly scattered across the world. We are scattered because it is the only way we’ve known how to survive. While I was in Germany visiting my brother’s grave, after burying him, I met others who also claimed they had suffered from needless police brutality. Today, I call on all of them, and other like them, to step forward and demand justice for the sake of all.
My brother Aman and I are from Afghanistan. We are Hazaras. For generations, the Hazaras have suffered racism, massacres, and abuse. Aman and I fled the Taliban into Pakistan before things became too dangerous there too, and this time it was the Pakistani Taliban that started attacking Hazaras. I fled then to Australia, while I could, before my brother found his way to Germany, after first trying to sustain himself in Iran. As an asylum seeker he was happy in Germany. He was loved and supported. One night I asked him about his visa. He laughed, and said to me, “Look brother, I live in this great country Germany. I feel safe. They give me the right to study and the right to work. Then, why I should worry about my visa? They will give me my visa sooner or later”.
Aman was a humble, loyal, kind, and respectful young man. His friends and teachers will tell you that too. The night before he was killed, he said to me, “Brother, today I cleaned my room, washed my clothes, and I am going to be very busy because I got a job at Amazon, and on Monday I am going to work”. I was so happy for him. That was our last conversation. The next night, all his wishes, his dreams and his hopes were taken in a moment. If you can imagine this was your child, your brother or member of your family. That’s what it has been like for us. You would be devastated. You too would be heartbroken. My heart burns for my brother Aman; my friend Aman. And I am left with these questions: Why? And, how could it have happened? I will fight for answers and for change.
Thank you for joining the fight.
Thank you for your compassion.
Thank you for listening.
 
Redebeitrag Dorothea Hoffmann, Betreuerin

Liebe Freunde, liebe Gemeinschaft!

Wir haben uns hier gemeinsam zusammengefunden, um eines jungen Menschen zu gedenken, der auf eine tragische und furchtbare Weise sein Leben mit nur 19 Jahren verlor.

Als ich Aman kennenlernte, wohnte er noch in einer Inobhutnahme und war zu dem Zeitpunkt als unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender, registriert. Er lebte damals mit 80 weiteren Jugendlichen in einer Turnhalle, in der sich mit Holzwänden voneinander getrennte Räume befanden, die in den meisten Fällen von zwei Jugendlichen bewohnt wurden. Diese Räume waren sehr hellhörig und besaßen weder eine Zimmerdecke, noch einen Zimmerschlüssel.

Wenn man nachts die konstruierten Gänge betrat, sprangen durch einen Bewegungsmelder grelle Lichter an, die nicht nur den Gang erhellten, sondern auch alle angrenzenden Zimmer. Chronische Unruhe bei den jungen Menschen, die große Probleme hatten schon tagsüber Ruhe zu finden, war längerfristig die Folge. Sie können sich vorstellen, was diese Art zu leben von einem jungen Menschen abverlangen kann, der seiner Integrations- und Schulpflicht nachkommen muss. Viele Jugendliche litten unter Schlafmangel, Antriebsstörungen und schlechter Laune…

…Nicht so Aman! Wenn andere mit Freunden unterwegs waren, um altersgemäß ihren Aktivitäten nachzugehen, machte Aman seine Hausaufgaben, auch wenn es bedeutete, dass er die Betreuer bis 1 Uhr morgens mit Hausaufgaben quälte. Wenn andere Jugendliche sich gegenseitig neckten und Scherze miteinander machten, beobachtete Aman die Gruppen. Wenn jemand traurig aus der Scherzerei in sein Zimmer ging, ging Aman ihm nach und redete mit ihm.

Aman half seinen Freunden wo er nur konnte; bei Schularbeiten, aber auch beim malen und singen. Er war eben ein Naturtalent! Hochbegabt und hochintelligent mit einem Einfühlungsvermögen, dass für sein Alter ungewöhnlich stark ausgeprägt war.

Dabei war Aman auch konsequent und ließ sich nicht beirren. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, musste man ihm schon kluge Argumente liefern, die ihn beeindruckten.

Aman wirkte immer, als habe er den absoluten Überblick und könne Hebel in Bewegung setzen, von denen keiner auch nur einen blassen Schimmer hatte.

Und das tat er auch, innerhalb von wenigen Monaten lernte er die deutsche Sprache fließend, er war ein absolutes Ass in Mathe und hatte vor allem für die Naturwissenschaft ein ausgezeichnetes Talent.

Umso mehr treibt mich und auch andere Bezugspersonen die Frage um, ob wir ihm nicht zu viel „Erwachsensein“ zugemutet haben. Wir haben das Bild eines reifen und abgeklärten Erwachsenen wahrgenommen. So wollte Aman auch wahrgenommen werden, nur war er grade mal 17/18 Jahre alt!

Aman funktionierte in diesem Konstrukt auffallend gut. Er war nun mal geschickt in den Dingen, die er anpackte! Er erledigte seine Aufgaben und vermittelte zwischen den Menschen, das war eben eine gute Sache, so etwas war gewollt und gewünscht.

Ich habe Aman niemals über SEINE Sorgen und Nöte sprechen hören! Er war ja immer so bescheiden!
Ich habe Aman auch niemals über seine verstörenden Erfahrungen reden hören! Er war sehr vorsichtig und zurückhaltend. Seine Verletzlichkeit, seine Angst, seine Trauer und seinen chronischen seelischen Schmerz behielt er für sich.

Er war eben ein Macher, ein Mensch, der nach vorne blickt und Dinge in die Hand nahm.
Er funktionierte eben!
Dass Aman unter einer schweren psychischen Erkrankung litt, dass er mit all den vergangenen Traumata eben so wie die anderen zu kämpfen hatte, trat nicht in sein Erscheinungsbild.

Ich appelliere in erster Linie an die Menschlichkeit, die Menschlichkeit, die uns sensibilisieren kann.
Ich appelliere an die gegenseitige Wertschätzung, eine bedingungslose Wertschätzung, die es möglich macht, seinem Gegenüber angemessen und offen zu begegnen.

Ich appelliere an eine gegenseitige Achtung, eine Achtung vor dem wahren Wesen des Menschen.
Dazu gehört Vertrauen, Mut und Wertschätzung, für das, was der Mensch mit seinen Möglichkeiten leisten kann.

Wenn all das ein fester Bestandteil unseres Systems ist, wäre es dann nicht denkbar, menschenverachtende Systeme, im Keim zu ersticken?

Also Menschlichkeit, Achtung und Wertschätzung als täglichen Begleiter anzunehmen; dafür appelliere ich an jeden von uns und vor allem an die, die Positionen einnehmen, die ein hohes Maß an Empathiefähigkeit abverlangen!

Diejenigen, die mit Menschen tagtäglich zu tun haben, die Leid tagtäglich sehen.
Denn wir sind alle Teil des Systems und haben Verantwortung in jeder Sekunde unseres Seins, Verantwortung uns und unserem Nächsten gegenüber; das ist Nächstenliebe

Danke!


Rede von Ralf Poppe, Mitglied der BI Menschenwürde und Vorstandssprecher der Grünen im KV Stade, Ex-Polizist (wird noch nachgereicht)


 

 
2. August: Warum müssen wir gedenken? Film & Diskussion

Am 2. August 1944 wurden die letzten ca. 4300 Roma und Sinti, die in Auschwitz-Birkenau inhaftiert waren und bis dahin überlebt hatten, ermordet. Daher gedenken Roma jährlich am 2. August ihrer im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Vorfahren und Angehörigen. Ein zentraler Ort des Gedenkens, das Mahnmal für die im NS ermordeten Sinti und Roma Europas, ist derzeit durch die Pläne der Deutschen Bahn und der Stadt Berlin, in seiner Existenz bedroht. Vor dem Hintergrund dieser geschichtsvergessen Aggression und der Frage Warum müssen wir gedenken? begeben wir uns mit einem Film auf eine Zeitreise. Sie beginnt mit dem zentralen Ort der Vernichtung und seinen Überlebenden: Anna Mettbach, Ceija Stojka und Hugo Höllenreiner…

https://www.facebook.com/Roma-Antidiscrimination-Network-RAN-1160540740639190/videos/891183024705817


Flüchtlingsrat Niedersachsen
24. Juni 2020

Tod von Aman Alizada in Stade:
Staatsanwaltschaft stellt Verfahren gegen Polizisten ein

Was bleibt, sind viele offene Fragen und Zweifel

Die Staatsanwaltschaft Stade hat das Ermittlungsverfahren gegen den Polizisten eingestellt, der am 17. August letzten Jahres den afghanischen Jugendlichen Aman Alizada bei einem Einsatz erschossen hatte (siehe u.a. Stader Tageblatt, Süddeutsche Zeitung und Kreiszeitung-Wochenblatt, mehr zum Hintergrund des Falles hier). Nach Angaben der Staatsanwaltschaft habe es sich bei den fünf vom Beamten abgegebenen Schüssen, von denen einer tödlich war, um „glasklare Notwehr“ gehandelt. Ein Anklageverfahren wegen Totschlags dürfe somit laut Staatsanwaltschaft nicht eröffnet werden.

Mit einem Gerichtsverfahren hätten vermutlich einige Ungereimtheiten geklärt werden können. Nicht nur bleiben aus Sicht des Flüchtlingsrates mit der Einstellung des Verfahrens etliche Fragen unbeantwortet, vielmehr werden sogar weitere Fragen aufgeworfen.

Es beginnt damit, dass die Staatsanwaltschaft nach Auskunft von Journalist_innen bereits am 15.06.2020 das Verfahren eingestellt hat, ihr dies aber (bis heute) nicht mal eine Pressemeldung wert war, in einem Fall, der bundesweit für Aufsehen gesorgt hat und in dem es die Ermittlungsbehörden sowohl den Hinterbliebenen wie Aman Alizadas Bruder, als auch der Öffentlichkeit schuldig sind, für Aufklärung zu sorgen.

Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt, nachdem nun ein forensisches Gutachten zu den abgegebenen Schüssen vorliegt. Für die Beurteilung der Frage, ob der Polizist in Notwehr geschossen haben könnte, ist das Gutachten nach Ansicht des Anwalts – auch weil es sonst nur Polizist_innen als Zeug_innen gibt – von großer Bedeutung. Wie die Anwaltskanzlei mitteilt, lässt dieses Gutachten aber alles andere als den Schluss zu, dass es sich um „glasklare Notwehr“ gehandelt habe.

Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltshaft nun verlautbaren lässt, dass ein türkischer Nachbar, der sich durch Aman bedroht fühlte, die Polizei gerufen habe. Dass er Türke ist, sei wichtig, weil das Grund für eine Bedrohung seitens Aman A.s gegen den Nachbarn gewesen sei. Der Nachbar habe zitternd vor den Polizist_innen gestanden, gibt das Wochenblatt die Staatsanwaltschaft wieder. Nach den dem Flüchtlingsrat und dem Anwalt vorliegenden Informationen hat der damalige afghanische Mitbewohner von Aman A. die Polizei gerufen. Von einem türkischen Nachbarn war bisher nie die Rede.

Die psychische Erkrankung von Aman A. ist laut Medienberichten der Polizei bekannt gewesen. Warum hat man dann nicht versucht, zusammen mit dem sozialpsychiatrischen Dienst die Situation zu lösen? Nach Darstellungen in den Medien als auch nach Auskunft der Anwaltskanzlei, befand sich niemand außer Aman A. in dem Zimmer, als die Polizei dort anscheinend gewaltsam (indem sie die Tür eintrat) eindrang. Es hätte somit keine Person (mehr) gegeben, die unmittelbar durch Aman A. gefährdet war. Wieso haben der Polizist und seine Kollegin dann das Zimmer gestürmt und sich in diese Lage gebracht? Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass der Einsatz von Pfefferspray beruhigen kann. Die Polizei habe aber – so wie das Stader Tageblatt die Staatsanwaltschaft wiedergibt – versucht, beruhigend auf Aman A. einzuwirken. Und ist es dann wirklich denkbar, dass Aman Alizada trotz des Pfefferspraynebels, in den er gehüllt worden sei, einen Angriff starten konnte?

Es bleiben also viele Fragen offen, die aber unbedingt beantwortet werden müssen, um den Hergang des Vorfalls verstehen zu können und um Zweifel an der Version, die der Öffentlichkeit nun präsentiert wird, auszuräumen.

Der Anwalt des Bruders von Aman A. wird Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens einlegen. Sollte die Beschwerde abgelehnt werden, bliebe noch die Möglichkeit eines Klageerzwingungsverfahrens, um den Fall vor Gericht zu bringen.

In jedem Fall wird der Flüchtlingsrat auch weiterhin die Aufarbeitung des tödlichen Polizeieinsatzes gegen Aman Alizada intensiv verfolgen.

Pressemitteilung der BI Menschenwürde vom 25.06.2020:

Auch die Bürgerinitiative „Menschenwürde“ aus Stade, die sich im letzten Jahr bereits früh darum bemüht, dass der tödliche Polizeieinsatz gegen den Jugendlichen Aman Alizada umfassend aufgeklärt wird, ist empört über die Einstellung und hat viele Fragen, die sie in einer Pressemitteilung zum Ausdruck gebracht hat, siehe hier.

Mehr:

Tödlicher Polizeieinsatz in Stade

Ein Gedanke zu „Tod von Aman Alizada in Stade:
Staatsanwaltschaft stellt Verfahren gegen Polizisten ein“
  1. Lieber Flüchtlingsrat,
    was für eine Tragödie! Auch wenn ich niemanden böse Absichten unterstellen will, so hat am Ende doch ein junger Mann sein Leben verloren. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die vielen offenen Fragen nicht in einem Gerichtsverfahren klären zu lassen kann ich nicht nachvollziehen. Aber vor allen Dingen danke ich Euch und der BI-Menschenwürde aus Stade für den sachlichen Umgang mit dieser Meldung. Leider sind die Kommentare in den sozialen Medien oft voller Hass und Emotionen. Sie spiegeln wider, wie sehr sich unser Land in den letzten Jahren radikalisiert hat. Es ist höchste Zeit freundlich, aber bestimmtent für eine offene Gesellschaft und unsere freiheitlichen Werte einzustehen.


#LeaveNoOneBehind
23.05.20 Wochenmarkt in Cuxhaven
Wir haben Platz! – Aufnahme jetzt!
Für humane Aufnahme – Gegen rassistische Abschottung!
Banner der Seebrücke Cuxhaven & Arbeitskreis Asyl Cuxhaven e.V. mit Unterstützung der Parteien die Linke und Bündnis 90/Die Grünen

 
Offener Brief an den Cuxhavener Oberbürgermeister Uwe Santjer und den Landrat des Landkreises Cuxhaven, Kai-Uwe Bielefeld

Cuxhaven, 20.04.2020

Sehr geehrter Oberbürgermeister Santjer, sehr geehrter Landrat Bielefeld,

am 2.5.2019 hat der Rat die Stadt Cuxhaven und am 12.6.2019 hat der Kreistag den Landkreis zu einem „Sicheren Hafen“ erklärt. Beide unterstützen damit mindestens eine Forderung der Initiative SEEBRÜCKE. (seebruecke.org) Im Antrag der SPD-Fraktion und der Grünen-Fraktion heißt es:
„Wir betonen, dass wir auch in Cuxhaven einen Beitrag leisten wollen, um in Seenot geratenen Menschen einen sicheren Hafen zu bieten, wir bieten an, Flüchtlinge aufzunehmen und bieten ihnen Hilfe und Unterstützung an.“
Mit Bedauern müssen wir nun fast ein Jahr später feststellen, dass der lobenswerten Erklärung keine Taten gefolgt sind, dass sowohl die Stadt als auch der Kreis in der aktuellen Krisensituation keinen sichtbaren Beitrag zur Unterstützung schutzbedürftiger Menschen auf der Flucht leisten, weder im Mittelmeer, wo hunderte Flüchtlinge dem Ertrinken ausgeliefert sind, noch in den griechischen Flüchtlingslagern.
Zur Zeit sitzen ca. 42.000 Menschen unter katastrophalen Bedingen in den Lagern der Ägäis fest – unter ihnen ca. 14.000 Kinder und Jugendliche. Sie haben keine sichere Wasser- und keine Medikamentenversorgung. Nicht nur wir, sondern auch „Ärzte Ohne Grenzen“ appellieren seit Monaten an die EU und auch die deutsche Regierung endlich Verantwortung zu übernehmen und die Menschen zu evakuieren.
Vor der drohenenden Gefahr eines Corona Ausbruchs, ist die Aufnahme von 47 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in der BRD lächerlich gering.
Wir gehen davon aus, dass Ihre Empathie nicht nur bis an die Stadt- bzw. Landkreisgrenzen reicht. Gerade deshalb sind wir enttäuscht, haben aber noch nicht aufgegeben.
Wir möchten von Ihnen wissen:
– Warum unterstützen Sie nicht die Initiative des Niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius, der nach einem Besuch der Elendslager bereit ist, 500 Kinder in Niedersachsen aufzunehmen?
– Warum schließen Sie sich nicht den Oberbürgermeistern verschiedener Städt wie z.B. Oldenburg und Osnabrück an, die sich ebenfalls zur Aufnahme von Kindern einsetzen. „Die humanitäre Katastrophe, die sich auf den griechischen Inseln abspielt, ist ein Armutszeugnis für Europa. Wir brauchen ein entschlossenes und gemeinsames Handeln. Wir wollen mit gutem Beispiel vorangehen und konkrete Hilfe anbieten“ „Wir wissen, dass dies nur ein kleiner Beitrag sein wird. Hoffen jedoch, dass sich viele Kommunen diesem Beispiel anschließen werden“, so der Oldenburger OB Krogmann.
– Gelten die Menschenrechte nicht universell und gilt das Recht auf Gesundheit und körperliche Unversertheit nicht auch für die Menschen in den Elendslagern wie Moria, das für 3.000 Menschen errichtet, in dem aber seit vielen Monaten weit über 20.000 Menschen zusammengepfercht dahinvegetieren müssen?
– Gerade erst hat Ministerpräsident Stefan Weil zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen Belsen daran erinnert, dass Bergen-Belsen eine offene Wunde in der Geschichte bleibe „Wir gedenken in tiefer Trauer und in tiefer Scham der Opfer.“ Müssen wir nicht auch die griechischen Lager befreien? nicht militärisch sondern durch Menschlichkeit, durch Evakuierung. Oder soll das Lager Moria auch zu einer offenen Wunde für uns als Europäer werden?

Wir fordern Zusammenhalt, Toleranz und Solidarität gegenüber Menschen, die alles verloren haben und jetzt Gefahr laufen, auch noch ihr Leben zu verlieren.

Mit der Hoffnung auf solidarisches Handeln

Arbeitskreis Asyl Cuxhaven e.V.
Bündnis 90 / Die Grünen, Kreisverband Cuxhaven
Caritasverband Cuxhaven
Die LINKE. Kreisverband Cuxhaven
Initiative „Offenes Herz Altenwalde“

AK Asyl Gemeinsame Presseerklärung offener Brief an Santjer und Bielefeld

Antwort von OB Uwe Santjer auf Facebook vom 25.04.2020
 
Auch in Corona Zeiten darf die Humanität nicht aussetzen!
Deshalb bieten wir als Stadt Cuxhaven dem Niedersächsischem Ministerium für Inneres und Sport bei der Aufnahme von Minderjährigen aus Flüchtlingslagern unsere Hilfe und Unterstützung an.
Der Rat der Stadt Cuxhaven hat am 02. Mai 2019 mehrheitlich beschlossen, dass die Stadt Cuxhaven sich der internationalen Initiative „Seebrücke“ anschließt.
Dem Bundesinnenministerium und der Bundesregierung ist daraufhin seitens der Stadt Cuxhaven mitgeteilt worden, dass die Stadt Cuxhaven bereit ist, Menschen, die im Mittelmeer aus Seenot gerettet wurden, aufzunehmen und alle Bemühungen der Bundesregierung auf dem Weg zu einer solidarischen, humanitären und europäischen Flüchtlingspolitik unterstützt, soweit es in ihren Möglichkeiten liegt.
Cuxhavens Oberbürgermeister Uwe Santjer teilt mit, dass die Stadt Cuxhaven ausdrücklich die Initiative des Niedersächsischen Innenministeriums, Kinder aus dem griechischen Flüchtlingslager in Niedersachsen aufzunehmen, unterstützt.
Die Mitglieder des Verwaltungsausschusses haben sich in ihrer Sitzung am 23.04.2020 erneut zu ihrer Verantwortung bekannt und den Ratsbeschluss vom 02. Mai 2019 bekräftigt.
Die Stadt Cuxhaven ist bereit, besonders schutzbedürftige unbegleitete Minderjährigen aus dem griechischen Flüchtlingslager in Cuxhaven aufzunehmen und ihnen eine Perspektive für ein neues, behütetes Leben in sicherer Umgebung zu bieten.

Zur Zeit kein Treffen des Arbeitskreis Asyl wegen „Corona“
 
8. April 2020. Der Internationale Roma-Tag

Seit 1971 ist der Internationale Roma-Tag der wichtigste Tag, an dem Roma gegen Diskriminierung, Rassismus und Verfolgung und für Gleichberechtigung kämpfen. Nachfolgend dokumentieren wir aus diesem Anlass – leicht gekürzt – eine Erklärung des Fördervereins Roma e.V. Frankfurt:

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Ausgrenzung und Rassismus vor dem Hintergrund des Corona-Virus

Anlässlich des Welt-Rom-Tages am 8.4. weist der Förderverein Roma auf die verstärkte Ausgrenzung und Diskriminierung der Roma und Sinti hin. Alarmierende Nachrichten informieren über die Lage der Minderheit in Osteuropa. In Bulgarien werden Roma-Viertel isoliert, da ihnen die Infizierung und Verbreitung des Virus unterstellt werden. Eine Maßnahme, mit der keine andere Bevölkerungsgruppe des Landes konfrontiert wird. Im Kosovo bemängeln Roma-Politiker die mangelnde Information und Unterstützung und greifen auf eigene Initiativen zurück. Aktivisten aus Bosnien-Herzegowina berichten über die zunehmende Verelendung, weil wesentliche Einnahmequellen, nämlich die Sammlung und Verwertung von Wertstoffen nicht mehr möglich sind; öffentliche Hilfe bleibt aus. In Albanien protestiert die Roma Community über Verarmung aufgrund der Ausgangssperre. Bei der Verteilung von Lebensmittelpaketen werden Roma benachteiligt, medizinische und finanzielle Hilfen bleiben aus. In Nord-Mazedonien wurden Roma Musiker im Gegensatz zu anderen Einreisenden in Zwangsquarantäne genommen; infiziert waren die Betroffenen nicht. In der Slowakei werden landesweit mit Hilfe des Militärs ausschließlich Roma Siedlung getestet, ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Erkrankung zu haben. Die ungarische Regierung instrumentalisiert die Corona Pandemie, hetzt gegen Roma und verweigert Entschädigungen, die ihnen aufgrund von Segregationen im Schulbetrieb seit Monaten höchstrichterlich zustehen. Die Erklärung des Ausnahmezustandes in Ungarn findet ihre Begründung u. a. in der breiten Diffamierung von Roma.

Anstatt schnell und angemessen Unterkünfte für obdachlose Roma zur Verfügung zu stellen, lassen sich auch viele westeuropäische Städte Zeit. (…) Nicht zuletzt Roma, die gezwungen sind, auf der Straße zu leben, ihre Existenz durch Musik, das Sammeln von Pfandflaschen, durch Betteln und Tagesjobs notdürftig sichern, sind durch das weitgehende Einstellen des öffentlichen Lebens betroffen. Ihnen muss Aufmerksamkeit, Schutz und Hilfe zukommen. Menschen, die bereits durch ein Leben am Rande der Gesellschaft, durch chronische Krankheiten und eine umfängliche Form der Ausgrenzung gezeichnet sind, sind einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Angesichts geschlossener Grenzen und humanitärer Notwendigkeit muss sich Verwaltungshandeln an unbürokratischer menschlicher Unterstützung orientieren. Statt der Verweigerung von Hilfe, wie beispielsweise der erfolglosen Suche nach eingestellten europäischen Bahnverbindungen zwecks EU-interner Ausweisung oder der Abschiebung von Flüchtlingen in Kriegs- und Krisengebiete, ist die schnelle Bereitstellung von Wohnraum, die gesicherte gesundheitliche und alltägliche Versorgung und die Umsetzung von erforderlichen Hygienestandards geboten – und dies insbesondere im Hinblick auf die Minderheit Roma.

Am Welt Roma Tag erinnert der Förderverein Roma an die Zunahme von neonazistischen und rechtsradikalen Morden und Überfällen, an die Verweigerung staatlicher Behörden, zielgerichtet und effektiv zu ermitteln und zu ahnden. Der Anschlag auf den Regierungspräsidenten Lübke, die Drohbriefe aus dem 1. Polizei-Revier an die Frankfurter Rechtsanwältin Basay-Yildiz, die NSU-Morde und die über 300, dem rechten Spektrum zugeordneten Morde in den letzten 30 Jahren sind angesichts gegenwärtiger Probleme nicht zu vergessen. Die Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau, drei von ihnen waren Roma, vermitteln ein genaues Bild davon, was es bedeutet, einer Minderheit anzugehören, die von der überwiegenden Mehrheit abgelehnt wird und deren Existenz aktuell mehr denn je dazu dient, der Bevölkerung vermeintlich Schuldige für die Verbreitung des Corona-Virus zu präsentieren.

Gleichheit vor dem Virus existiert nicht. Die sozialen und ökonomischen Unterschiede markieren dies ebenso wie tief verwurzelte menschenverachtende Vorurteilsstrukturen. Selbst unter marginalisierten Menschen bleibt die Option der Diskriminierung und trifft vorrangig Juden, Roma und Muslime. Die den Roma und Sinti seit Jahrhunderten zugewiesene „Schuldenbock“ Rolle funktioniert in einer dafür empfänglichen Gesellschaft aktuell perfekter denn je. Dies zu verschweigen und der allgemeinen Betroffenheit und Solidarität unkritisch das Wort zu reden, ist eine der ersten Voraussetzungen dafür, dass letztlich Diffamierung und Unrecht dominieren. Um dieses Stigma zu durchbrechen, bedarf es Engagement und Sensibilität, die differenziert, die Ungleichheit benennt. Insbesondere dann, wenn die Covid 19 Meinungsmache erneut auf rassistische Argumentationsmuster gegenüber Roma und Sinti und auf Antisemitismus abhebt.

Förderverein Roma e.V., Pressemitteilung, 7. April 2020


gesehen am Elberadweg bei Cuxhaven-Altenbruch, 05.04.2020:

„Evakuiert die Lager in Griechenland, #LeaveNoOneBehind“

Live Schaltung zu Sören Moje auf der Sea-Watch 3 am 12.03.20

 

07. März 2020 Mitglieder des AK Asyl und Unterstützer aus der Linkspartei und Bündnis 90 / Die Grünen fordern die sofortige Aufnahme von Flüchtlingskindern aus Griechenland

 

Liebe Mitstreiter*innen,
der Arbeitskreis Asyl hat für morgen Samstag 11.00 -13.00 Uhr eine Mahnwache (Kundgebung und Infotisch) angemeldet
und die entsprechende Erlaubnis erhalten. Wir würden uns freuen, wenn viele Menschen uns unterstützen und teilnehmen
und über ihren E-Mail-Verteiler bzw. Soziale Medien zur Teilnahme aufrufen würden.
Ort: Penzancer Platz (Nordersteinstr. neben Jack Wolfskin, ehemals rote Telefonzelle).

Für humane Aufnahme – gegen rassistische Abschottung!

Seit fast einer Woche werden die Menschenrechte in Griechenland für Schutzsuchende ausgesetzt, gelten sie nicht für alle, gelten sie für keinen. Wir sind wütend und werden niemals still sein, wenn Menschen an der Grenze ermordet werden. In nur wenigen Tagen gab es fast 50 Demonstrationen, weitere sind geplant. Wir sehen eine unmenschliche Eskalation, getragen durch SPD, CDU und die EU-Kommission. Werdet aktiv, startet Aktionen, lasst das Unrecht nicht unbeantwortet. Es gibt mehr als 140 Städte sichere Häfen, sie alle stehen für eine Gesellschaft, die diese rassistische Abschottung nicht mittragen will. Jetzt müssen wir uns dem gemeinsam entgegenstellen, auf der Straße, in den Rathäusern, in den Landtagen und in unseren Nachbarschaften. Für eine humane Aufnahme und gegen die rassistische Abschottung!


Statt Sören Moje – zeigen wir den Film Lifeboat, ein Doku-Film
über die Freiwilligen auf der Sea-Watch. Der Film war im Jahr
2019 für den Oskar nominiert, als bester Dokumentar-Kurzfilm.

Mahnwache in Cuxhaven

Auch in Cuxhaven nahmen mehrere hundert Menschen an einer Mahnwache zum Gedenken der Opfer des rassistischen Angriffs in Hanau teil. Die Veranstalter und Teilnehmer wollen sich für „Respekt und Menschenwürde in Cuxhaven, unserem Land und Europa einsetzen“.

 

 

alle Fotos: Karl-Heinz Zulkowski-Stüben


Während der Fahrraddemo von Fridays for Future vor dem Bürgerbahnhof Cuxhaven


BAMF und der leichtfertige Umgang der Behörde mit vertraulichen und sensiblen Unterlagen

https://www.nds-fluerat.org/40935/aktuelles/auch-leyla-birliks-akte-landete-beim-tuerkischen-geheimdienst/

Wie die tagesschau vom 24.11.2019 berichtet, wurde auch die Akte der bekannten ehemaligen HDP-Abgeordneten Leyla Birlik zur Prüfung an die deutsche Botschaft in Ankara gesandt – und landete nach der Festnahme des Vertrauensanwalts der Botschaft, Yilmaz S., in den Händen des türkischen Geheimdienstes. Yilmaz S. sitzt dem Bericht zufolge in „erschwerter Einzelhaft“.

Der Überprüfungswahn des BAMF und der leichtfertige Umgang der Behörde mit vertraulichen und sensiblen Unterlagen verfolgter Flüchtlinge wird am Beispiel von Leyla Birlik besonders deutlich: Ein Blick ins Internet hätte gereicht, um festzustellen, dass die HDP-Politikerin mitsamt ihrer Familie in der Türkei verfolgt und bedroht wird. Die Überprüfung ihrer Akte war so überflüssig wie ein Kropf.

Das deutsche Asylverfahren verlangt von Asylsuchenden lediglich eine „Glaubhaftmachung“ von Verfolgung. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Verfolgte ihre Verfolgung oftmals nicht nachweisen können. „Die Asylrechtgewährung ist immer eine Frage der Generosität, und wenn man generös sein will, muss man riskieren, sich gegebenenfalls in der Person geirrt zu haben“, erklärte Vorsitzende des Parlamentarischen Rates Dr. Carlo Schmid 1949 zur Begründung. Unter Führung ihre Präsidenten Dr. Sommer hat sich der Umgang des BAMF mit Geflüchteten jedoch radikal geändert: Die Behörde begegnet Geflüchteten mit strukturellem Misstrauen, bestreitet Verfolgungstatbestände selbst bei einer sich aufdrängenden Evidenz der getätigten Aussagen und überprüft, was sich nur irgendwie überprüfen lässt. Entsprechend ist die Zahl der Anfragen an das Auswärtige Amt in den letzten zwei Jahren geradezu explodiert. Dieser Überprüfungswahn des BAMF unter Inkaufnahme einer Gefährdung von Menschen, die sich in Deutschland Schutz vor Verfolgung versprechen, ist der eigentliche „Türkei-Skandal“.

Dazu passt, dass BAMF-Chef Sommer die Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingspolitik trotz der Festnahme des Vertrauensanwalts Yilmaz S. über den grünen Klee lobt: „Die Türkei ist in der Migrationspolitik ein verlässlicher Partner“, sagte Sommer laut NRZ. „Ich sehe keinen Grund, Öl ins Feuer zu gießen.“ Offenkundig sorgt sich Sommer vor allem um den Fortbestand des völkerrechtswidrigen Türkei-Deals:  „Das Land hat mehr als drei Millionen Kriegsflüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Das ist eine Leistung, die wir anerkennen müssen.“ Er nehme keinen Kurswechsel in Ankara wahr, betonte Sommer. „Die Türkei ist weiterhin bereit, die Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen.“ Die wiederholten Hinweise von amnesty international auf push-backs und rechtswidrige Abschiebungen an der türkisch-syrischen Grenze werden von Sommer ignoriert: „Wir haben keine Erkenntnisse, dass die Türkei Syrer gegen ihren Willen nach Syrien zurückschickt.“

Die Festnahme des Anwalts kritisierte der Bamf-Chef nur zurückhaltend. „Dass nun der Anwalt verhaftet worden ist, ist schon ein Problem. Das berührt uns, das berührt auch die Gerichte“, sagte Sommer. Mit Asylverfahren und Innenpolitik hat das angeblich nichts zu tun: „Es ist aber zunächst Aufgabe des Auswärtigen Amtes, mit diesem Fall umzugehen.“

-- 
Kai Weber
Geschäftsführer
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Röpkestr. 12
30173 Hannover

20. November 2019
Festnahme eines türkischen Vertrauensanwalts der deutschen Botschaft gefährdet Tausende von Geflüchteten in Deutschland
 
Flüchtlingsrat fordert das BAMF auf, alle betroffenen Flüchtlinge anzuerkennen und zukünftig sensibler mit Beweisunterlagen umzugehen.

Rund 200 Geflüchtete aus der Türkei, die derzeit vor dem Verwaltungsgericht gegen die Ablehnung ihres Asylantrags klagen, erhalten in diesen Tagen Besuch vom Verfassungsschutz: Der türkische Geheimdienst MIT habe sie im Visier, so die Warnung. Sie sollten vorsichtig sein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat die Betroffenen zuvor im Asylverfahren als „unglaubwürdig“ abgelehnt.

Hintergrund der Warnungen: Ein Vertrauensanwalt der deutschen Botschaft in Ankara wurde in der Türkei wegen „Spionage“ festgenommen. Dieser Anwalt war beauftragt, Dokumente und Unterlagen zu prüfen, die aus der Türkei nach Deutschland geflohene türkische Staatsbürger_innen zum Beleg ihrer Verfolgung vorgelegt hatten. Die Rechercheunterlagen des Anwalts befinden sich nun in den Händen des türkischen Geheimdienstes MIT. Betroffen hiervon könnten – über die vom Verfassungsschutz vorgewarnten 200 Personen hinaus – Tausende weitere Geflüchtete sein, deren Verfolgung der Vertrauensanwalt in den letzten Jahren recherchiert hat.

Dündar Kelloglu vom Vorstand des Flüchtlingsrat erklärt dazu:

„Ich fordere das BAMF auf, zukünftig sensibler mit Beweisunterlagen umzugehen. Es ist unerträglich, wenn die Behörde, die für die Anerkennung von Fluchtgründen zuständig ist, dafür sorgt, dass zusätzliche Verfolgungsgründe entstehen. Die Bescheide des BAMF sind in vielen Fällen bodenlos schlecht, weil vorgelegte Beweismittel nicht gewürdigt werden.“

Dass unzählige Flüchtlinge befürchten müssen, vom türkischen Geheimdienst observiert und verfolgt zu werden, hat vor allem mit einer fragwürdigen Verwaltungs- und Entscheidungspraxis des BAMF zu tun: Das Bundesamt begegnet Geflüchteten aus der Türkei in einer Vielzahl von Fällen mit strukturellem Misstrauen. Statt die von Betroffenen vorgelegten Unterlagen über Anklagen und Gerichtsverfahren zu prüfen und zu bewerten, lehnt die Behörde Asylanträge oftmals ohne jede inhaltliche Auseinandersetzung mit den Dokumenten ab und klassifiziert die Asylanträge pauschal als „unglaubhaft“. Die Verwaltungsgerichte in Deutschland sehen sich wegen der ablehnenden Entscheidung des BAMF regelmäßig gezwungen, das Auswärtige Amt um Prüfung der Echtheit der vorgelegten Dokumente zu bitten. Bis vor kurzen waren solche Recherchen die Ausnahme, aktuell wird nahezu jeder zweite Fall aus der Türkei dem Auswärtigen Amt zur Prüfung vorgelegt. Bei den Verwaltungsgerichten ist die Empörung über die mangelhafte Qualität der BAMF-Bescheide groß.

Dündar Kelloglu:

„Wir fordern eine Kehrtwende des BAMF bei der Bewertung der Asylanträge von Flüchtlingen aus der Türkei. Oppositionelle und vermeintliche Regimegegner können aus nichtigem Anlass in den Fokus der türkischen Verfolgungsbehörden gelangen. Ganz offenbar werden die Leitsätze des BAMF dieser traurigen Realität in der Türkei nicht gerecht.“

Beispielfall:

Z. floh am 02.02.2018 in das Bundesgebiet und stellte einen Asylantrag. Seine Verfolgung bewies Z. durch zahlreiche gerichtliche Urkunden. Das Bundesamt prüfte den Asylantrag nur oberflächlich, verzichtete auf eine inhaltliche Würdigung der vorgelegten Urkunden und lehnte den Asylantrag am 08.06.2018 mit der Begründung ab, der Vortrag sei unglaubhaft, da nicht vorstellbar sei, dass ein unpolitischer Mensch wie der Antragsteller von staatlichen Verfolgungsmaßnahmen betroffen sei.

Am 21.06.2018 erhob der Kläger gegen den Bescheid Klage und verwies auf die drohende Verfolgung, die sich aus den vorgelegten Unterlagen zweifelsfrei ergab. Das Bundesamt hielt dennoch an seinem offensichlich mangelhaften Bescheid fest. Obwohl nichts für eine Fälschung der vorgelegten Unterlagen sprach, sah sich das Verwaltungsgericht Hannover daher genötigt, mit Beweisbeschluss vom 12.11.2018 eine Auskunft des Auswärtigen Amtes einzuholen, ob die eingereichen gerichtlichen Urkunden echt sind.

Mit Schreiben vom 05.09.2019 an das VG Hannover bestätigte das Auswärtige Amt die Echtheit der von Herrn Z. eingereichten Papiere. Herr Z. müsse, so das Auswärtige Amt, bei einer Rückkehr mit Verhaftung rechnen. Daraufhin verpflichtete das VG Hannover das Bundesamt mit Urteil vom 07.11.2019 ohne mündliche Verhandlung zu einer Flüchtlingsanerkennung.

Medienberichte zur Festnahme des Anwalts in der Türkei:

Spiegel-online

Deutschlandfunk

Tagesschau

https://www.nds-fluerat.org/40890/aktuelles/festnahme-eines-tuerkischen-vertrauensanwalts-der-deutschen-botschaft-gefaehrdet-tausende-von-gefluechteten-in-deutschland/


Experten: Türkei setzt Phosphorbomben ein

Es mehren sich die Hinweise, dass die Türkei bei ihrer völkerrechtswidrigen Invasion in Nordsyrien Phosphorbomben verwendet. Aufnahmen von Kindern und Erwachsenen mit verbrannten und verätzten Körperteilen sprechen für sich.

Es sind verstörende Aufnahmen von Kindern und Erwachsenen mit verbrannten und verätzten Körperteilen, die klar auf den Einsatz chemischer Substanzen hindeuten. Sowohl lokale Ärzte als auch internationale Experten gehen von Phosphorbomben aus. Der britische Experte für chemische Waffen, Hamish de Bretton-Gordon, erklärte gegenüber der Zeitung The Times: „Es sieht so aus, als wären die Verletzungen durch weißen Phosphor verursacht worden. In den letzten 24 Stunden wurden mir mehr Fotos mit Verbrennungen dieser Art gezeigt als in irgendeiner anderen Phase des syrischen Krieges.”

Bericht aus der Zeitung Newsweek

https://www.newsweek.com/exclusive-photos-turkey-white-phosphorus-weapons-syria-pictures-1466555


Demonstration Verteidigt Rojava

Copyright für alle Fotos: Karl-Heinz Zulkowski-Stüben

Auch in Hamburg demonstrierten am 19.10. tausende Menschen gegen den Angriffskrieg der Türkei in Rojava/Nordsyrien. Die Demonstration führte am Millerntor-Stadion vorbei, wo sich eine Vielzahl an St. Pauli Fans anschlossen. Im Vorfeld zeigten sich St. Pauli Fans mit einer Choreografie und einem Farbenmeer solidarisch mit Rojava.

Redebeiträge auf der Demonstration von: Yavuz Fersoglu, Sprecher der Veranstalter,
Ali Ertan Toprak, Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Wolfgang Rose, SPD-Bürgerschaftsfraktion Hamburg, Antje Möller, GRÜNE-Bürgerschaftsfraktion Hamburg und Bernd Riexinger, Parteivorsitzender Die Linke

Weitere Reden kamen von dem Hamburger Forum für Frieden, DIDIF, MLPD, der iL, Ende Gelände, der feministischen Kampagne „Gemeinsam kämpfen“ und anderen.

Es wurde ein Ende des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gefordert, totales Waffenembargo und wirtschaftliche Sanktionen als Druckmittel. Von den kurdischen Organisationen wurde die Einheit untereinander gegen den Angriffskrieg auf Rojava betont.

 

Yavuz Fersoglu

Ali Ertan Toprak

Wofgang Rose

 

Antje Möller

Bernd Riexinger


Erdogans Beziehungen zum IS

https://www.tagesschau.de/ausland/tuerkei-syrien-is-107.html


Siegmar Gabriel fand kein kritisches Wort in der Sendung des ZDF vom 17.10.19 „Maybritt Illner“. Seine Beiträge waren voller Verständnis für die türkische Politik.
Schon der Einmarsch der türkischen Truppen und mit ihnen verbündeter dschihadistischer Milizen in Afrin und die bis heute andauernde Besatzung wurde von der Bundesregierung bis heute nicht als völkerrechtswidrig verurteilt. Auch ein Verdienst des ehemaligen deutschen Außenministers. Wie weit ist Gabriel bereit zu gehen?

https://www.zdf.de/politik/maybrit-illner/erdogans-krieg-wie-machtlos-ist-europa-sendung-vom-17-oktober-2019-100.html

Zur Einnerung an die SPD

Das Solidaritätslied – Melodie, Hanns Eisler, 1931, Text Bertolt Brecht


Infos zu Kurdistan / Rojava finden Sie in der Rubrik: Solidarität mit Rojava

Gegen den türkischen Angriffskrieg in Nord-Syrien – Solidarität mit Rojava

Aufruf zu Anti-Kriegs-Demonstrationen am 19. Oktober 2019
in vielen Städten der BRD

Der Arbeitskreis Asyl Cuxhaven ruft zur Teilnahme in Hamburg auf.
Wir fahren mit dem Niedersachsenticket und treffen uns um 11.50 Uhr am Bürgerbahnhof Cuxhaven. Die Demonstration in Hamburg beginnt um 15.00 Uhr
am S-Bahnhof Sternschanze.

https://solidaritaetmitrojava.wordpress.com/aufruf/


Sonntag 13.10. um 18.30 Uhr

Lichterkette am Bürgerbahnhof Cuxhaven

Foto: Karl-Heinz Zulkowski-Stüben

Rund 120 Menschen, darunter viele kurdische Flüchtlinge aus Rojava/Syrien
beteiligten sich an der Lichterkette in Cuxhaven und forderten:

Hände weg von Rojava!
Türkische Armee raus aus Syrien!
Sofortiger Stopp aller Waffenlieferungen durch die Bundesregierung!
Stoppt Erdogan!

Organisiert war die Protestaktion vom Arbeitskreis Asyl Cuxhaven e.V. und der Ortsgruppe der Partei „Die Linke“ Cuxhaven. Die Cuxhavener Nachrichten, die einzige lokale Zeitung hatte unsere Pressemitteilung nicht veröffentlicht, so dass diese große Zahl an Teilnehmern, allein durch Mundpropaganda mobilisiert, uns sehr erfreut hat.

Liebe Freund*innen,
Liebe Mitbürger*innen
Liebe Gäste der Stadt Cuxhaven

Am letzten Mittwoch hat das türkische Militär eine erneute völkerrechtswidrige Invasion in Nordsyrien begonnen. Vor wenigen Stunden bombardierten Bomber und Artillerie Städte – nicht nur entlang der syrisch-türkischen Grenze, sondern auch die Stadt Ayn Isa, die 50 km im Landesinneren liegt. Während die Zivilbevölkerung vor den Angriffen flieht, strömen die Selbstverteidigungseinheiten der Demokratischen Kräfte Syriens an die Grenze, um dem Einmarsch des Militärs und mit dem türkischen Regime verbündeter islamistischer Milizen Einhalt zu gebieten.
Noch nicht mal vor einer Woche war Bundesinnenminister Horst Seehofer in der Türkei, um Erdogan weitere Unterstützung bei der Versorgung von Geflüchteten zuzusagen. Jetzt schafft Erdogan durch die Invasion weitere Millionen Flüchtlinge und destabilisiert die bisher sichersten Regionen Syriens, wie er es bereits 2018 in Afrin getan hat.
Der militärisch weitestgehend geschlagene Islamische Staat (IS) organisiert sich im Schatten der Invasion erneut und hat bereits neue Anschläge in Raqqa und Deir a Zor verübt. Die Eskalation in Nordsyrien wird die gesamte Region in neues Chaos stürzen.
Weltweit protestieren kurdische und mit Rojava solidarische Organisationen und Menschen gegen den Einmarsch des türkischen Militärs. Unterstützen Sie unseren Protest, schreiben Sie Leser*innen-, Hörer*innen- oder Zuschauer*innen-Emails an die Redaktionen der Medien, um eine kritische Berichterstattung über die Ereignisse vor Ort einzufordern.

Die Kampagne „MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien“ hat – anlässlich des begonnenen Militäreinsatzes der Türkei in Nordsyrien – eine Petition gestartet.
Das Formular zum Unterschreiben findet ihr auf der Website der MACHT FRIEDEN.-Kampagne unter http://www.macht-frieden.de/jetzt-unterschreiben-tuerkische-militaeroffensive-syrien-stoppen

oder dem Netzwerk Friedenskooperative unter
https://www.friedenskooperative.de/tuerkische-offensive-stoppen

Die Unterschriftenaktion läuft bis zum 17. Oktober 2019. Wir freuen uns, wenn ihr die Petition mit euren Unterschriften unterstützt und in den Sozialen Medien, auf euren Webseiten oder über entsprechende Verteilerlisten weiter verbreitet!

Der Appell im Wortlaut:

Ich unterzeichne den Appell und fordere die Bundesregierung und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf:
● die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei für bilaterale Gespräche zu nutzen, um von der türkischen Regierung einen Stopp des Militäreinsatzes zu fordern;
● alle deutschen Rüstungsexporte in die Türkei umgehend und vollständig zu stoppen;
● ihren Einfluss im UN-Sicherheitsrat geltend zu machen und gemeinsam mit anderen Mitgliedsstaaten den völkerrechtswidrigen Militäreinsatz nicht nur zu verurteilen, sondern alle verfügbaren diplomatischen Mittel auszuschöpfen, um diesen zu stoppen;
● gleichzeitig die militärische Zusammenarbeit mit der Türkei als ein Land, das einen Angriffskrieg führt, im Rahmen der NATO in Frage zu stellen;
● die Friedensprozesse in Syrien durch den Anstoß einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in der Region zu stärken.

Infos zu Kurdistan / Rojava finden Sie in der Rubrik: Solidarität mit Rojava

Gegen den türkischen Angriffskrieg in Nord-Syrien – Solidarität mit Rojava

Aufruf zu Anti-KriegsDemonstrationen am 19. Oktober 2019
in vielen Städten der BRD

Der Arbeitskreis Asyl Cuxhaven ruft zur Teilnahme in Hamburg auf.
Wir fahren mit dem Niedersachsenticket und treffen uns um 11.50 Uhr am Bürgerbahnhof Cuxhaven. Die Demonstration in Hamburg beginnt um 15.00 Uhr
am S-Bahnhof Sternschanze.


Zur Erinnerung
Erdogan, die Paradise Papers und sein Korruptionssumpf
Telepolis
 
Paradise Papers in der Türkei Retourkutsche für Recherchen
Tagesschau de

https://www.cnv-medien.de/news/abschiebung-verhindert-lehrerin-aus-schiffdorf-soll-strafe-zahlen.html?L=0

Abschiebung verhindert: Lehrerin aus Schiffdorf soll Strafe zahlen
03.10.2019
SCHIFFDORF. Einsatz mit Folgen: Als zwei Zivilfahnder der Polizei im März den sudanesischen Flüchtling Mammoud F. in der Max-Eyth-Schule in Schiffdorf festnehmen wollen, stellt sich ihnen eine Lehrerin in den Weg.

Sie will verhindern, dass der 28-Jährige abgeschoben wird. Dieses Verhalten wertet die Staatsanwaltschaft in Stade als „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“. Dafür soll die Frau 5000 Euro Strafe zahlen. Mammoud F. ist mittlerweile „abgetaucht“. Der Landkreis hat ihn zur Fahndung ausgeschrieben.

In falschen Raum geschickt

Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas in Stade bestätigt den Strafbefehl gegen die Lehrerin – nach Informationen unserer Zeitung wohnt sie in Schiffdorf – und blickt in die Unterlagen. Demnach hätten die Polizeibeamten die Lehrerin in der Schule gefragt, wo der Raum sei, in dem sich der Flüchtling aufhalte. „Die Lehrerin hat die Beamten zuerst in einen anderen Raum geschickt“, sagt Breas.

Im „richtigen“ Raum dann habe besagte Pädagogin sich den Polizisten in den Weg gestellt, um die Festnahme des Sudanesen zu verhindern. „Daraufhin hat ihr die Polizei einen Platzverweis erteilt, den sie nicht akzeptierte“, berichtet Breas. Als die beiden Beamten die Lehrerin dann zum Ausgang der Schule bringen wollten, hätte sie sich losgerissen. All das rechtfertige aus Sicht des Oberstaatsanwalts die Zahlung von 50 Tagessätzen à 100 Euro.

Einspruch eingelegt

Das Amtsgericht Geestland hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft Stade den Strafbefehl wegen „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ erlassen. Dies erklärt Amtsgerichtsdirektor Axel Döscher. Der Strafbefehl sei dem Verteidiger der Lehrerin in der letzten Augustwoche zugestellt worden. „Fristgerecht hat der Verteidiger Einspruch eingelegt, sodass es zu einer Hauptverhandlung vor dem Strafrichter des Amtsgerichts Geestland kommen wird“, führt Döscher weiter aus. Eine Terminierung der Verhandlung sei noch nicht erfolgt. (as)

Schiffdorf: Polizei-Einsatz um Flüchtling sorgt für Aufregung

Für helle Aufregung hat die vorübergehende Festnahme eines Flüchtlings an der Max-Eyth-Schule in Schiffdorf gesorgt. Beim Einsatz der bewaffneten Zivilfahnder soll eine Lehrerin verletzt worden sein, die sich schützend vor den jungen Mann aus dem Sudan gestellt haben soll.


Nach tödlichem Polizeieinsatz in Stade:
Demonstration in Gedenken an Aman

Am 17. August 2019 starb der 19 jährige Aman Alizada in Folge eines tödlichen Polizeieinsatzes in Stade. Am 12. Oktober 2019 wird es anlässlich der Tötung eine Demonstration in Stade geben.

Zum Aufruf

English and farsi version below

Aman Alizada flüchtete Ende 2015 mit 15 Jahren allein aus Afghanistan nach Deutschland. Als Angehöriger der ethnischen Minderheit Hazara suchte er Schutz und Sicherheit vor weiterer Gewalt und Verfolgung. Doch statt des ersehnten Schutzes fand der 19-jährige den Tod -durch die Kugeln aus der Dienstwaffe eines deutschen Polizisten. Die tödlichen Schüsse trafen Aman am Abend des 17. August 2019 in einer Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Bützfleth.

Aman, der unter einer psychischen Erkrankung litt, befand sich in einem akuten Krisenzustand. Aus Sorge um seinen Freund Aman entschied der Mitbewohner der Unterkunft, die Polizei zur Hilfe zu rufen. Der Umgang mit Menschen in akuten Krisenzuständen gehört zum Alltag der Polizei. Deshalb verstehen wir nicht, warum die Beamten der Polizeidirektion Stade Aman getötet haben. Mit der Demonstration bringen wir unsere Trauer, Angst und Wut zum Ausdruck und wiederholen unsere Fragen, die bislang unbeantwortet geblieben sind. Die Polizei spricht davon, in „Notwehr“ gehandelt zu haben. Allerdings verschweigt sie dabei, dass sie Aman bereits am 16. August – ebenfalls aufgrund eines Krisenzustandes – aufsuchte und spätestens seit diesem Tag von Amans psychischer Erkrankung wusste. Doch anstatt sich auf die Situation einzustellen, deeskalierend zu handeln und Aman die notwendige Hilfe zu gewähren, griffen sie zur Waffe und erschossen ihn.

Wir verstehen nicht, weshalb es sechs Polizisten nicht schafften, die Situation ohne den Einsatz der Schusswaffe zu bewältigen. Auch die Ermittlungen in dem Fall werfen Fragen auf: Fünf Wochen nach den Todesschüssen wurde bislang lediglich ein Mitbewohner von Aman Alizada von der Polizei zu den Ereignissen befragt. Die Befragung erfolgte unmittelbar nach der Tötung von Aman. Zwar war bei der Befragung ein Dolmetscher dabei – dieser sprach jedoch nicht die erforderliche Sprache und konnte sich daher lediglich begrenzt mit dem Mitbewohner verständigen.

Am 12. Oktober demonstrieren wir, um unsere Trauer, Angst und Wut auszudrücken und Aman zu gedenken. Wir werden die Tötung Amans durch die deutsche Polizei nicht vergessen. Der Tod des so jungen Menschen hinterlässt bei allen Hinterbliebenden eine große Leere,Trauer, Unverständnis und viele Fragen.

Wir fordern eine umfassende Aufklärung des tragischen Todes und wir wollen gemeinsam einen Raum für das Gedenken an Aman schaffen.

Schließt euch uns an, kommt zahlreich und lasst das Geschehene nicht in Vergessenheit geraten.

Beginn : 14 Uhr

Wo: Pferdemarkt, Stade

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen ruft gemeinsam mit Freunden und Unterstützer_innen von Aman, dem Flüchtlingsrat Hamburg, der Bürgerinitiative Menschenwürde Landkreis Stade,  SJ- Die Falken Niederelbe und SKF -Sauerkrautfabrik Harburg zur Teilnahme an der Demonstration auf. Schließt euch dem Aufruf an und verbreitet diesen.

Flyer zum Verbreiten: Deutsch, Persisch, Englisch

Ich hoffe auf Gerechtigkeit!

Leserbrief an die Cuxhavener Nachrichten vom 26.08.19

Für den Polizeibeamten, der in Stade einen jungen Afghanen erschossen hat, ist es sicherlich ein traumatisches Erlebnis. Gut, dass für ihn und seine Kollegen gesorgt wird.
Was ist mit den Flüchtlingen aus der Unterkunft in Bützfleth? Ein Mitbewohner erschossen – auch sie brauchen seelsorgerische Hilfen.
Wie muss sich derjenige fühlen, der durch seinen Anruf den Polizeieinsatz ausgelöst hat? Fühlt er sich mitverantwortlich für den Tod seines Mitbewohners oder kam der Anruf von Außerhalb.
Was bei der Polizei vielfach zu fehlen scheint, ist eine Ausbildung, um mit traumatisierten, psychisch auffälligen Menschen angemessen umgehen zu können. Auch der junge Afghane war offensichtlich in psychischer Behandlung und war der Polizei (nach eigenen Aussagen) bekannt, warum wurde dann kein Psychologe hinzugezogen? Es soll nicht um einen körperlichen Streit gegangen sein sondern einzig um laute Musik und laute Selbstgespräche.
„In den vergangenen fünf Jahren sind 38 Menschen in Deutschland durch Polizeikugeln getötet worden. Zwei Drittel von ihnen waren nicht kriminell, sondern krank. Sie hätten psychologische Hilfe gebraucht.“ (Süddeutsche Zeitung vom 27. Mai 2014)
Fast immer stellen die zuständigen Staatsanwaltschaften Verfahren, in denen Polizeibeamte beschuldigt werden, ein, so dass es erst gar nicht zu einer gerichtlichen Klärung kommt. Dies ist auch kein Wunder, da die Staatsanwaltschaften ständig auf die Zusammenarbeit mit der Polizei angewiesen sind. Auch wenn in diesem Fall die Polizei Cuxhaven ermittelt, ist für die Bewertung die Staatsanwaltschaft Stade zuständig. Eine wirklich unabhängige Untersuchung ist in diesem System nicht vorgesehen.
Ich jedenfalls hoffe, dass die Wahrheit über den Einsatz an Tageslicht kommt und zumindest die Familie des Getöteten Gerechtigkeit erfährt.

Virginia Stüben


 

Fridays for Future ein Riesenerfolg

„Der #Klima Streik am 20. September wird groß, sei auch du dabei! Egal ob jung oder alt, gemeinsam auf die Straße für eine bessere Zukunft.“ Die Erwartungen der beteiligten Schüler*innen wurden weit übertroffen. Mehr als 1.500 Teilnehmer, darunter auch viele erwachsene Bürger*innen aus der Stadt und dem Landkreis Cuxhaven waren ihrem Aufruf gefolgt und zogen in einem Demonstrationszug durch die Innenstadt. Die mehrstündige Veranstaltung endete mit einer Kundgebung auf dem Holstenplatz.

Die Otterndorfer Band Blizz heizte mächtig ein. Die Reden der verantwortlichen Schüler*innen zeugten nicht nur von dem Ernst mit dem sie das Klimaproblem angehen, sondern auch davon, dass sie sich vielfältige Kenntnisse und politisches Verständnis angeeignet haben. Die 16-jährige Lena verstand es, ihre Kritik auch mit humorvollen Spitzen zu versehen. Die Parents for Future begründeten die Notwendigkeit, dass auch die Erwachsenen ihren Beitrag zu einer erfolgreichen Klimapolitik leisten müssen. Mit Prof. Dr. Peter Lemke, vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) Bremerhaven, dass sich seit vielen Jahren die Erforschung des Klimas auf die Fahnen geschrieben hat, kritisierte ein hochkarätiger Wissenschaftler die gegenwärtige Klimapolitik der GROKO (Großen Koalition aus CDU und SPD) und bewertete den Klimakompromiss (Klimakabinett) als nicht ausreichend.

© alle Fotos: Karl-Heinz Zulkowski-Stüben



„BUNDESWEITE DEMONSTRATIONEN AM 06.07.19 FÜR DIE RECHTE VON GEFLÜCHTETEN UND #FREECAROLA

Carola Rackete, die Kapitänin der Sea Watch, hat den Notstand an Bord der Sea-Watch 3 ausgerufen und ist nach über zweiwöchiger Hängepartie auf eigene Faust in italienische Gewässer gefahren. Carola Rackete machte das einzig Richtige: Sie rettete Leben, bewies Haltung und verteidigte die Menschenrechte. Das können und müssen wir auch tun und deswegen rufen wir am 06.07. zu bundesweiten Demos für die Rechte von Geflüchteten und #freecarola! auf.

Aktuell ertrinkt jede sechste Person während des Fluchtversuchs über das Mittelmeer. Gleichzeitig werden Seenotretter*innen für das Retten von Menschenleben bestraft: italienische Behörden verhafteten Kapitänin Carola Rackete noch in der Nacht des Anlegens und beschlagnahmten die “Sea Watch 3”. Statt alles daran zu setzen, Menschenleben zu retten, erleben wir von Seiten der europäischen Nationalstaaten einen Tiefpunkt von Solidarität und Menschlichkeit: Menschen werden in libysche Folterlager zurückgewiesen, die Rettung von Menschen wird aktiv blockiert und zivile Seenotrettungsschiffe, wie zuletzte die Sea Watch 3, werden über Wochen daran gehindert, mit geretteten Menschen an Bord in einen Sicheren Hafen zu fahren.

DIE MENSCHLICHKEIT WIRD ANGEGRIFFEN, ES IST ZEIT ZU HANDELN. WIR RUFEN DEN NOTSTAND DER MENSCHLICHKEIT AUS! DIESER NOTSTAND WIRD SOLANGE ANDAUERN, BIS SICH EUROPÄISCHE STAATEN AUF EINEN SOLIDARISCHE UND HUMANEN VERTEILUNGSMECHANISMUS ALLER GERETTETEN VERSTÄNDIGT HABEN UND ALLE SEENOTRETTER*INNEN WIEDER FREI SIND.

Wie Carola werden wir nicht mehr warten. Solange die EU und die europäischen Regierungen untätig sind, werden wir, die Zivilgesellschaft, es sein, die sich schützend vor die Menschenrechte stellt und Widerstand leistet! Wir sind eine europaweite Gesellschaft der offenen Herzen, solidarischen Kommunen und Sicheren Häfen. Wenn die EU nicht in der Lage ist, die Verantwortung zu übernehmen, werden wir es tun.

SCHLIESST EUCH UNS AN, WERDET AKTIV“

http://seebruecke.org/


Es ist vollbracht!!!

Der Kreistag hat am 12.06.19 dem Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen zugestimmt.
Das bedeutet auch der Landkreis Cuxhaven ist jetzt „sicherer Hafen“ im Rahmen
der Internationalen Bewegung „Seebrücke“.

Noch einmal vielen Dank an Bündnis 90 / Die Grünen und alle Kreistagsmitglieder,
die diesen Antrag unterstützt haben.


Fridays for Future in Cuxhaven 24.05.2019

 https://www.youtube.com/watch?v=tAfVExWNHRY

 

 

Fridays for Future in Cuxhaven

 © alle Fotos: Karl-Heinz Zulkowski-Stüben

15.03.2019

Mehr als überrascht waren die Organisatoren der Demonstration „Fridays for Future“ in Cuxhaven über die hohe Zahl der TeilnehmerInnen. Erwartet hatten sie ca. 50 – 100 Schüler aber fast 700 waren gekommen um zu zeigen, dass sie mit der gegenwärtigen Politik und ihrem Umgang mit unserem Planeten nicht einverstanden sind.

Auf Transparenten und selbst gemalten Schildern teilten sie ihre Erwartungen und Hoffnungen mit.

 

In eigener Sache

Unter der Überschrift: Die PKK im Fokus der Ermittlungsbehörden wurden am Dienstag, den 19. Juni 2018 in einer Großrazzia in der Stadt bzw. Landkreis Cuxhaven 11 Objekte durchsucht.
Auch die örtliche Presse (Cuxhavener Nachrichten) berichteten am folgenden Tag.

Das Haus des 2. Vorsitzenden unseres Vereins wurde ebenfalls durchsucht und verschiedene Dinge, wie Computer, Datenträger usw. beschlagnahmt. Hier finden Sie PDF-Dateien zum Vorgang.

Kurden Kriminalisierung akt Ende August 18

Faust Hannover


Rote Flora Hamburg

 

Kurden Kriminalisierung

Resolution

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen (ein landesweiter Zusammenschluss von niedersächsischen Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen) verabschiedete auf seiner Mitgliederversammlung am 26. Mai 2018 folgenden Antrag des Arbeitskreis Asyl Cuxhaven e.V. mit 2 Enthaltungen bei 0 Gegenstimmen:

„Die Mitgliederversammlung des Niedersächsischen Flüchtlingsrats fordert von der Bundesregierung den sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen in die Türkei. Wir erwarten, dass die Bundesregierung und auch die Landesregierung die zunehmende Kriminalisierung kurdischer Organisationen in Form von Demonstrations- und Fahnenverboten, Durchsuchungen und Festnahmen sofort beenden. Wir erwarten, dass sich die Bundesregierung für den Abzug der türkischen Armee aus Afrin und ein Rückkehrrecht der Geflüchteten einsetzt.“
Hannover, den 26.05.2018


Für ein Ende der Invasion und der ethnischen Säuberung in Afrin durch den türkischen Staat

NAV-DEM – Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland

Der türkische Staat ist dabei die Massaker gegen die Zivilbevölkerung in Afrin zu intensivieren. Er hat die ethnische Säuberung in der kurdischen Stadt Afrin beschleunigt. Dabei nutzt der türkische Staat die Gelegenheit, die sich aus dem Rückzug der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) und der kurdischen Selbstverteidigungseinheiten YPJ und YPG ergab. Der Rückzug fand statt um noch größere Massaker an den Zivilisten zu verhindern.

Das wahre Ziel des türkischen Staates ist es, die kurdische Gesellschaft gänzlich auszulöschen und jeden politischen Status für sie zu verhindern. Afrin zeigt klar und deutlich, dass der türkische Staat diese Politik der ethnischen Säuberung mit seinen dschihadistischen Verbündeten fortsetzten wird.

Der türkische Staatsterror und die Barbarei der verbündeten Dschihadisten finden vor den Augen der ganzen Welt statt. Alle internationalen Akteure, vor allem die USA, Russland, die EU und UNO sind für diese Invasion und diese ethnischen Säuberungen verantwortlich.

Humanitäre Hilfe für Afrin

Hunderttausende Zivilisten, die aufgrund der Barbarei des türkischen Staates aus Afrin fliehen mussten, sind hilflos auf der Flucht. Eine große humanitäre Katastrophe droht. Die humanitären Bedürfnisse dieser Menschen finden bislang kein Gehör in der Welt.

Die internationalen Akteure, die angesichts der Massaker schweigen und die Invasion des türkischen Staates billigten, rühren nicht einmal einen Finger für die Unterstützung der zu hunderttausenden geflüchteten Menschen. Die Invasion von Afrin ist eine Schande für die Menschheit. Die heldenhaften Kämpfer der YPG, YPJ und SDF verteidigen nicht nur Afrin, sondern auch die Demokratie, Freiheit, Werte und die Würde der Menschheit.

Dringender Aufruf an die Regierungen, an politische Parteien, Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, internationale Institutionen und die internationale Gemeinschaft:

  • Sich gegen den türkischen Staatsterror zu stellen, ist eine humanitäre Pflicht.
  • Die Gewährleistung der Hilfe für Hunderttausende von geflüchteten Menschen, liegt in der Verantwortung der internationalen Kräfte.
  • Die türkischen Invasionskräfte sollten sofort zum Rückzug gezwungen werden. Der türkische Staat sollte wegen seiner Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht gestellt werden.
  • Ende aller Waffengeschäfte und politischer Partnerschaften mit autoritären Regimen wie der Türkei im Nahen- und Mittleren Osten.
  • Unterstützung der demokratischen Kräfte in der Region und der Friedensbemühungen der Demokratischen Föderation Nordsyrien für ein freies und demokratisches Syrien.

Tausende Demonstranten aus allen Teilen der Bundesrepublik feierten gemeinsam das Newroz-Fest 2018 in Hannover in Solidarität mit Efrin. Unter den Demonstranten auch der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt Hannover Herbert Schmalstieg und seine Ehefrau Heidi Merk, ehemals Sozialministerin in Niedersachsen. Der Liedermacher Konstantin Wecker und der Schauspieler Dieter Hallervorden forderten in ihren Grußbotschaften das PKK-Verbot aufzuheben und erhielten rauschenden Beifall. Nur die Polizei konnte es nicht lassen, alle zu filmen, die ein Öcalan Portrait mit sich trugen.

 

Über 20.000 Menschen beteiligten sich an der Solidaritätsdemonstration mit Afrin am 03.03.18 in Berlin. Auch viele deutsche Organisationen hatten zur Unterstützung aufgerufen.

Trotz Verbot ließen sich die Demonstranten nicht davon abhalten ihre Unterstützung für den Kampf der YPG in Nordsyrien gegen den Einmarsch und das Bombardement der türkischen Armee und mit Ihnen verbündeter dschihadistischer Milizen zu zeigen.

Heftige Kritik übten alle Redner der Schlusskundgebung am Verhalten der Bundesregierung die sich mit ihrem Schweigen zum Mittäter mache.

 



Kniefall vor Erdogan: Bundesregierung verbietet Antikriegsproteste
Presseerklärung von NAV-DEM, 14.02.2018

“Wir werden derzeit durch das Verhalten der deutschen Sicherheitsbehörden mit einer Situation konfrontiert, die mittlerweile enorme Parallelen zur türkischen Staatspolitik aufweist. In der Türkei wird jede noch so leise Regung gegen die Militäroffensive in Afrin brutal unterdrückt, in Deutschland werden Proteste und Demonstrationen für ein Ende des türkischen Besatzungskrieges verboten und untersagt.” Mit diesen deutlichen Worten reagiert Ayten Kaplan, Ko-Vorsitzende des Demokratischen Gesellschaftszentrums der KurdInnen in Deutschland (NAV-DEM), auf zwei Verbotsverfügungen, die durch das Polizeipräsidium Köln für Demonstrationsanmeldungen eines kurdischen Vereins in der Stadt erteilt worden sind.

In den genannten Verfügungen wird das Demonstrationsverbot damit begründet, dass es sich bei dem größten kurdischen Dachverband in Deutschland NAV-DEM um eine Nachfolgeorganisation der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans handele, wodurch das Recht, “öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und durchzuführen” verwirkt sei.

Ayten Kaplan wertet diese Verbotsverfügung als vorläufigen Höhepunkt der Repressionen der Bundesregierung gegenüber den in Deutschland lebenden Kurdinnen und Kurden. “Seit Beginn des Besatzungskrieges auf Afrin finden unter großer Beteiligung überall in Deutschland Proteste und Demonstrationen statt. Auf diesen Protesten wird nicht nur der Krieg der türkischen Armee und ihrer dschihadistischen Verbündeten gegen die Bevölkerung von Afrin verurteilt, sondern auch die Waffenunterstützung Deutschlands für die Türkei. Der Einsatz von deutschen Panzern beim Angriff auf Afrin ist hinlänglich bekannt. Die Bundesregierung scheint sich daran zu stören, dass wir öffentlich auf die deutsch-türkische Waffenbrüderschaft aufmerksam machen. Deswegen sollen wir mundtot gemacht werden. Die Verbotsverfügungen aus Köln stellen nicht nur die Außerkraftsetzung der Versammlungsfreiheit für hier lebende Kurdinnen und Kurden dar. Sie kommen auch einem politischen Betätigungsverbot für die zweitgrößte Migrantengruppe in Deutschland gleich. Aus unserer Sicht stellt dies einen offenkundigen Kniefall vor Erdogan und seiner Regierung dar”, so Kaplan weiter.

Die NAV-DEM Ko-Vorsitzende macht weiterhin darauf aufmerksam, dass nach Aussagen der Kölner Polizei die Verbotsverfügungen die Folge eines neuerlichen Erlasses aus dem Bundesinnenministerium seien. Verantwortliche aus dem kurdischen Verein in Köln seien demnach auch telefonisch von der Polizei darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass sie keine weiteren Demonstrationen anzumelden bräuchten, da man diese ebenfalls verbieten würde.

“Dass es kurz vor dem Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Yildirim bei der Bundeskanzlerin zu diesen Verbotsverfügungen kommt, ist alles andere als Zufall. Mittlerweile haben ‘Geschenke’ dieser Art von Seiten der Bundesregierung an Ankara Tradition. Dass auf diese Weise das ‘belastete Verhältnis’ zur Türkei begradigt werden soll, ist nicht hinnehmbar. Wir werden uns dieser undemokratischen Verbotspolitik nicht beugen und rechtliche Schritte hiergegen einleiten”, so die abschließenden Worte von Kaplan.


Offener Brief an Merkel und Gabriel wegen Angriff auf Afrin


Rund 1000 Menschen darunter 80 Demonstranten aus der Stadt Cuxhaven und Vertreter des Arbeitskreises Asyl Cuxhaven waren dem Aufruf verschiedener Organisationen wie dem Kurdisch-deutschen Gemeinschaftsverein, Alevitischer Kulturverein, Nord-Süd Forum Bremerhaven, Die Linke, die Sozialistische Jugend Deutschlands – die Falken Bremerhaven – gefolgt und forderten auf der Demonstration in Bremerhaven „Türkische Armee raus aus Afrin“. Die Demonstranten kritisierten auch das Verhalten der deutschen Regierung, die mit ihren Waffenlieferungen an Erdogan mitverantwortlich sei für den Krieg gegen die Kurden, sich jetzt aber ihrer Verantwortung nicht stelle.

Als „nützliche Idioten“ im Kampf gegen die Islamisten des IS sei die YPG (Volksverteidigungseinheit) unterstützt worden, jetzt aber habe sie ihre Schuldigkeit getan und würde den Interessen Erdogans geopfert.
Laut Erdogan würden in Syrien „Terroristen“ bekämft, tatsächlich würde aber das demokratische Gesellschaftsmodell, das hinter der Demokratischen Föderation Nordsyrien stehe, angegriffen. Basisdemokratie, Frauenrechte und ökologische Erneuerung sollen nicht auf die türkische Gesellschaft ausstrahlen.
Die Kräfte, die erfolgreich den IS bekämpft, tausende Eziden gerettet, und vielen Christen, Aleviten und anderen Minderheiten Schutz geboten haben werden nun mit Waffen (Leopard-Panzer, G3-Gewehre und Geschüze) aus deutscher Produktion angegriffen. Erdogan nehme nicht nur den Tod von Tausenden Menschen in Kauf sondern werde zudem viele Tausende auf die Flucht treiben.
Die Demonstranten forderten Frieden in Afrin und Kurdistan und forderten die Bundesregierung auf, jegliche Waffenlieferungen an die Türkei einzustellen und massiv gegen den türkischen Einmarsch zu protestieren. Die türkische Armee habe in Syrien nichts zu suchen.


http://navdem.com/die-alternative-lebt-ueberall-ist-afrin-ueberall-ist-widerstand/


Ermittlungen G 20 ist keine Lizenz zum Rechtsbruch

 Die Ermittler haben zur Fahndung nach G-20-Chaoten 100 Fotos und Videos ins Netz gestellt. Dieser Internet-Pranger ist gesetzeswidrig.
Kommentar von Heribert Prantl
Es gehört zu den Aufgaben von Polizei und Staatsanwaltschaft, Täter zu suchen. Es gehört nicht zu den Aufgaben von Polizei und Staatsanwaltschaft, bei dieser Suche Mittel einzusetzen, die unverhältnismäßig, untauglich und gefährlich sind. Die Ermittler haben zur Fahndung nach sogenannten G-20-Chaoten 100 Fotos und Videosequenzen ins Netz gestellt. Das ist eine gigantische Öffentlichkeitsfahndung, ein Massenscreening, eine Aufforderung zur öffentlichen Rasterfahndung.
Diese Präsentation von echten oder angeblichen Beschuldigten hat mit Steckbriefen nichts mehr zu tun. Es handelt sich um die umfassende Aufforderung an die Bevölkerung, Hilfssheriff zur spielen. Es handelt sich um die Aufforderung, eine Vielzahl von Menschen zu jagen, deren Tat oder Tatbeitrag völlig ungeklärt ist.
Diese Art von Fahndung geht über das, was der Paragraf 131b Strafprozessordnung erlaubt, weit hinaus. Die Ermittler dehnen den Paragrafen bis zur Unkenntlichkeit aus. Sie unterscheiden nicht zwischen Beschuldigten und Nichtbeschuldigten, sie machen alle abgebildeten Personen zu Beschuldigten. Diese Form des Internet-Prangers ist gesetzeswidrig. Der Zweck heiligt die Mittel nicht. Das gilt auch für die Ausschreitungen beim G-20-Gipfel.
G 20: Das Kürzel ist kein Universalschlüssel, um Türen aufzuschließen, die das Recht bisher aus gutem Grund verschlossen hat. G 20 ist keine Lizenz zum Rechtsbruch. Für Demonstranten nicht. Für die Ermittler auch nicht.

Niedersächsische Landesregierung verharmlost Menschenrechtsverletzungen im Maghreb

LSVD Niedersachsen-Bremen protestiert gegen das Vorhaben, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten erklären zu wollen

Hannover, 12. Dezember 2017. Die neue Niedersächsische Landesregierung aus SPD und CDU will zukünftig im Bundesrat die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten unterstützen, sofern die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Eine entsprechende Vereinbarung wurde in die Koalitionsvereinbarung für die 18. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtages 2017 bis 2022 aufgenommen.

„Mit dem Vorhaben der neuen Landesregierung würden Menschenrechtsverletzungen in den Maghreb-Staaten verharmlost. In Algerien, Marokko und Tunesien sind Schwule, Lesben und transgeschlechtliche Menschen massiven Verfolgungen ausgesetzt. Menschen werden eingesperrt und misshandelt, nur weil sie gleichgeschlechtlich lieben.“, erklärt Benjamin Rottmann, Vorsitzender des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) Niedersachsen-Bremen.

Das Konzept der „sichere Herkunftsstaaten“ begegnet größten menschenrechtlichen Bedenken. Durch die damit verbundenen Schnellverfahren ohne Zugang zu fachkundiger Beratung und ausreichendem Rechtsschutz werden gerade Lesben, Schwule und transgeschlechtliche Menschen von einer fairen Prüfung ihrer Asylgründe ausgeschlossen.

„Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass das Bundesverfassungsgerichts bereits 1996 erklärt hatte, dass Staaten nur zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden können, wenn dort landesweit für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen Sicherheit vor politischer Verfolgung besteht. Die Maghreb-Region erfüllt diese Voraussetzung nicht. Damit sind auch die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben“, betont der LSVD-Landesvorsitzende Rottmann.

Die Landesregierung würde sich mit ihrem Votum auch zum Handlanger von Regierungen machen, die die Menschenrechte von Lesben, Schwulen und transgeschlechtlichen Menschen verleugnen und mit Füßen treten.Eine solche Politik schwächt den weltweiten Kampf zur Abschaffung der Kriminalisierung von Homosexualität empfindlich.

Pressekontakt:

LSVD Niedersachsen-Bremen

Benjamin Rottmann

Tel. 0511 – 277 896 20

benjamin.rottmann@lsvd.de

Hintergrund

Gemeinsam für ein modernes Niedersachsen – Für Innovation, Sicherheit und Zusammenhalt

Koalitionsvereinbarung 2017-2022

http://cdu-niedersachsen.de/wp-content/uploads/2017/11/11-16_Koalitionsvertrag_final.pdf

Flüchtlinge schützen – Integration fördern. Beschluss des LSVD-Verbandstages 2016

https://www.lsvd.de/fileadmin/pics/Dokumente/Verbandstage/VT-2016/2016_Fluechtlinge_schuetzen.pdf


Aktivisteninfo zur Pyramide in Hannover

am Rande des AFD Bundesparteitages

 
Seit mehreren Jahren hat sich eine kreative Aktionsform des zivilen Ungehorsames etabliert.
Im Rahmen von verschiedenen Ereignissen haben sich Demonstranten in pyramidenförmigen Vorrichtungen auf der Straße fixiert.
Dabei handelte es sich zum Beispiel um Demonstrationen gegen Atomenergie/Lagerung und anderen Missständen.
Die kreative Aktionsform wird von breiten Teilen der Bevölkerung unterstützt und ist als Demonstration ausgelegt.
 
Der Abläufe dieser Aktionen:
Nach erfolgreicher Positionierung der Pyramide wird ein Verriegelungssystem aktiviert; welches
einen Körperteil fixiert. So werden Unterarme, Hände oder Finger in der Vorrichtung verankert.
Die Polizei stufte die Aktionen als Versammlung ein.
Die Folge war dementsprechend und die sich anschließenden polizeilichen Maßnahmen ähnelten sich
1. Mehrmalige Aufforderung zum Verlassen des Bereiches.
2. Eine Technische Einheit wird angefordert und zeigte sich umgehend für die Maßnahmen an der Pyramide verantwortlich.
3.Die Räumung wird durchgeführt. War dieses zeitlich mit verhältnismäßigen Mitteln nicht umsetzbar, wurde die Pyramide an Ort und Stelle belassen.
 
In Hannover am Rande des AFD Bundesparteitages wurde diese Aktionsform wieder umgesetzt:
Eine Metallpyramide mit einer Fingerarretierung wurde positioniert.
Die Finger wurden in das System gesteckt.
 
Die folgenden Minuten wichen von dem etablierten Ablauf ab.
Sofort sprangen die Polizisten auf die sitzenden Aktivisten und schlugen mit Fäusten auf sie ein. Auch verdrehten sie die Finger und Arme der fixierten Personen.
Sie ließen nicht ab, die Personen mit Gewalt von der Pyramide zu reißen. Dabei wurde einem, sich nach wie vor am Boden befindlichen, Demonstranten der Unterschenkel gebrochen.
 
Auch mit aller Brutalität konnte der Finger eines Aktivisten nicht gelöst werden. Die Anderen hatten das Glück, das der elektromotorische Antrieb in der Pyramide vermutlich noch nicht komplett verriegelte. (von außen nicht ersichtlich)
 
Ein Aktivist schrie permanent, dass sein Bein gebrochen ist. Trotzdem wurde er zum Gehweg geschliffen.
Eine andere Person wurde samt Pyramide an die Bahnböschung verbracht.
Erst ca eine Stunde später konnte der letzte Finger durch einen Mitstreiter mit einer Stromquelle gelöst werden.
 
Die heute bekannten Folgen:
Zwei offene Knochenbrüche mit mehrstündiger Notoperation, Hämatome, Prellungen, Abschürfungen, Überdehnungen usw.
 
Der Abtransport:
Nach ca 30 Minuten traf der erste Rettungswagen ein. Da zusätzlich ein Notarzt gerufen werden musste, verzögerte sich die Fahrt ins Krankenhaus um insgesamt eine Stunde.
Die anderen Aktivisten wurden in Gewahrsam genommen und nach Vorführung beim Haftrichter noch am selben Nachmittag entlassen. Der Schwerverletzte befindet sich nach wie vor auf der Intensivstation.
 
Der Polizeieinsatz ist durch nichts zu rechtfertigen!
 
Die Aktivisten von der Pyramide                        Stand:  3.12.2017
 

 

Demonstration gegen den Bundesparteitag der AFD

in Hannover am 02.12.2017


Protest gegen rechten AfD-Politiker_ _Denkmal der Schande_ vor der Haustür von Höcke – Politik – Tagesspiegel


Was sich derzeit vor der Küste Libyens abspielt, ist nichts als purer Zynismus. Trotz der dramatischen Berichte über Massenvergewaltigungen und Misshandlungen in libyschen Flüchtlingslagern (siehe Bericht von ttt „Ein Warlord als Türsteher zur Hölle“ am 09.07.2017, Zeit vom 09.08.2017 zur Oxfam-Studie, Süddeutsche Magazin v. 09.06.2017) halten die europäischen Staaten an ihrer Absicht fest, Libyen notfalls mit militärischer Gewalt abzuriegeln und Flüchtlinge wieder nach Libyen zurückzubringen. Sie nehmen damit nicht nur weitere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Libyen in Kauf, sondern auch weitere Tote im Mittelmeer.

Bereits im April hatte die EU-Kommission die Freigabe von Hilfen in Höhe von 90 Millionen Euro u.a. zur Unterstützung der libyschen Küstenwache beschlossen. Anfang Juli vereinbarte Thomas de Maizière mit seinen französischen und italienischen Kollegen weitere finanzielle Hilfen für die libysche Küstenwache. Nun hat die italienische Regierung einen Einsatz der Marine zur „Unterstützung der libyschen Küstenwache“ beschlossen, und wie immer deklariert man auch diesen Einsatz gegen Flüchtlinge, der angeblich „auf Anfrage der libyschen Regierung“ zustande gekommen sei, als „Kampf gegen Menschenschmuggler“. Das Kabinett stimmte am Freitag einer entsprechenden Mission zu. Die Europäische Union (EU) hat Italien am Freitag 46 Millionen Euro Unterstützung für seinen Marine-Einsatz zugesagt.

Auch Deutschland ist dabei: Im Juni stimmte der Bundestag mit 467 zu 116 Stimmen der Verlängerung der deutschen Beteiligung an der EU-Marinemission EUNAVFOR MED mit bis zu 950 Bundeswehrsoldaten zu. Seit Oktober 2016 bildet EUNAVFOR MED libysche Küstenwächter aus, in diesem Jahr bisher 130 Personen. Mit den Verbrechen der libyschen Küstenwache gegenüber Flüchtlingsbooten und Seenotrettungsorganisationen aber will die Bundesregierung nichts zu tun haben. Obwohl die EU-unterstützte libysche Küstenwache bereits auf Flüchtlingsboote geschossen hat und ganz offen damit droht, militärisch gegen NGO-Schiffe vorzugehen, wäscht die Bundesregierung ihre Hände in Unschuld und hat darüber angeblich „keine Erkenntnisse“.

Statt weiterer militärischer Eskalation ist nach dem erzwungenen Rückzug verschiedener NGO-Schiffe die Ausweitung der EU-Rettungsmission Triton zu fordern, die derzeit diskutiert wird. Die EU-Staaten müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und dürfen nicht hinnehmen, dass mehr Menschen im Meer sterben. Auch muss deutlich gemacht werden, dass die einseitige Ausdehnung der libyschen Hoheitsgewässer nicht rechtmäßig ist. Diese stellt einen Verstoß gegen internationales Recht dar. Nicht zuletzt darf die Seenotrettung nicht weiter kriminalisiert werden (sh. Spiegel Online v. 14.08.17)

Statt mit militärischer Gewalt und unter Inkaufnahme schwerster Menschenrechtsverletzungen Flüchtlinge wieder nach Libyen zurückzuzwingen, sollte Deutschland mehr Flüchtlinge aus Italien aufnehmen und seinen Einfluss geltend machen, um dafür zu sorgen, dass Flüchtlinge aus Italien in anderen europäischen Landern aufgenommen werden. Bereits im Juli 2015 sicherten die EU-Mitgliedstaaten Griechenland und Italien die Aufnahme von 98.255 Flüchtlingen zu, Deutschland war mit 27.322 Asylsuchenden dabei.

Ende Juli 2017 berichtete die Europäische Kommission, dass entgegen der ursprünglichen Vereinbarung nur rund 10.000 Personen in Italien für eine Übernahme in einen anderen EU-Mitgliedstaat registriert wurden. Gerade mal 3.000 Flüchtlinge aus Italien fanden in Deutschland Aufnahme. Von den 28 EU-Staaten haben anders als 2015 vereinbart 12 bislang keinen einzigen Flüchtling aus Italien genommen. Am Donnerstag forderte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos aber nicht etwa andere EU-Staaten auf, Italien Flüchtlinge abzunehmen. Stattdessen forderte er, dass alle EU-Staaten die „wichtige Arbeit mit Libyen und Herkunfts- und Transitländern in Afrika verstärken müssen, um die Ströme zu reduzieren“.

Kontakt und weitere Infos:
Kai Weber, Tel. 0178 – 1732 569

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Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.

FLÜCHTLINGSRAT Niedersachsen und PRO ASYL fordern Revision aller Asylablehnungen und ein Ende von Afghanistan-Abschiebungen.

Die Konferenz der Innenminister und -senatoren von Bund und Ländern (IMK) tagt ab Montag, den 12. Juni, in Dresden.

FLÜCHTLINGSRAT und PRO ASYL fordern von den Innenministern:

1. Die Länder müssen der fehlerträchtigen Asylentscheidungshektik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Einhalt gebieten. Abgelehnte Afghanistan-Asylanträge müssen revidiert und neu bearbeitet werden.

2. Nach der bei der EU geplanten Dublin-IV-Reform sollen ohne jede zeitliche Befristung Abschiebungen in EU-Staaten z.B. wie Bulgarien, Griechenland oder Ungarn vollzogen werden. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen und PRO ASYL warnen entschieden vor solch einer Reform.

3. Die vorübergehende Aussetzung von Abschiebungen nach Afghanistan ist angesichts der katastrophalen Lage am Hindukusch nicht ausreichend. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen und PRO ASYL appellieren an die Bundesländer, sich auf ein Ende aller Abschiebungen nach Afghanistan zu verständigen.

1. Folgen der fehlerhaften BAMF-Entscheidungen gehen auf Kosten der Flüchtlinge und der Bundesländer

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen und PRO ASYL appellieren an die Bundesländer, sich eindeutig gegen die Überlastung der Verwaltungsgerichte infolge der überwiegend negativen BAMF-Entscheidungspraxis zu stellen. Allein im ersten Quartal 2017 gingen bundesweit rund 97.000 Klagen gegen Asylbescheide ein. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2016 waren es 181.600 Klagen. Die qualitativ schlechte Entscheidungspraxis des Bundesamtes führt zur Überlastung der Justiz. Die Kosten für teure Richterstellen tragen die Länder.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen und PRO ASYL gehen davon aus, dass in tausenden von Fällen die Qualitätsmängel zur Ablehnung geführt haben. Im Jahr 2017 wurden bis Mai rund 146.000 Asylanträge abgelehnt, im Jahr 2016 rund 174.000. Bei AfghanInnen gab es 2016 rund 25.000 Ablehnungen, 2017 bis Mai waren es mehr als 42.000. Sämtliche Afghanistan-Ablehnungen basieren auf veralteten Informationen des BAMF zur Lage. Zudem wird Schutzsuchenden vorgehalten, es gebe sichere Gebiete, in die sie gehen könnten.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen und PRO ASYL kritisieren dies als reine Spekulation. Neben Afghanistan gehen auch die Ablehnungszahlen für IrakerInnen in die Höhe. Von den 44.620 Entscheidungen zwischen Januar und Mai 2017 wurden 16.234 abgelehnt (36,4 %).

Mit der Verlagerung der Probleme auf die Justiz und einer Aufstockung der Richterstellen wird das Problem nicht zu lösen sein. Es besteht erheblicher Mangel an im Asylrecht qualifizierten Richterinnen und Richtern. Es ist Aufgabe des Bundesamtes, sich selbst so zu organisieren, dass Verfolgungsgründe dort festgestellt werden können.

Wer glaubt, diese Massenablehnungen würden in absehbarer Zeit in Massenabschiebungen gleicher Größenordnung münden, der täuscht sich und verhindert in großem Maße die Integration vieler, die noch über eine längere Zeit in Deutschland leben werden. Nicht ohne Grund gab es in den letzten Jahren in Deutschland immer wieder Bleiberechtsregelungen.

Die Bundesländer müssen sich gegenüber dem Bundesinnenministerium klar positionieren. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen und PRO ASYL fordern, alle in 2016 und 2017 abgelehnten Anträge von AfghanInnen müssen vom BAMF revidiert und neu bearbeitet werden.

2. Keine Abschiebungen nach Afghanistan

Der Afghanistan-Bericht des Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) für den US-Kongress vom 30. April 2017 legt den immer größer werdenden Kontrollverlust der afghanischen Streitkräfte und  den wachsenden Einfluss der Taliban offen. Im Vergleich zu Januar 2016 zum Stand vor der Frühjahrsoffensive der Taliban gilt: Aktuell sind 11% weniger Distrikte unter Regierungskontrolle oder -einfluss, 6% mehr Distrikte umkämpft, und 5% mehr Distrikte unter Kontrolle oder Einfluss der Aufständischen (gerundete Angaben). Der aktuelle Folter-Bericht des afghanischen UNO-Programms UNAMA aus April 2017 belegt, dass exzessive Gewalt auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten herrscht und auch diese Regionen regelmäßig nicht als sicher klassifiziert werden dürfen. Schließlich hat UNAMA Opferzahlen für das erste Quartal 2017 vorgelegt. Demnach gibt es mehr Opfer unter Frauen, Kindern und in Kabul.

In Deutschland werden bislang die zahlreichen internationalen Berichte über die Opens external link in new windowVerschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan nicht zur Kenntnis genommen. UNHCR hat im Dezember 2016 festgestellt, dass sich die Gesamtsicherheitslage seit April 2016 rapide verschlechtert hat. Zwischen sicheren und unsicheren Regionen könne man »aufgrund der sich ständig ändernden Sicherheitslage« in dem Bürgerkriegsland gar nicht unterscheiden.

Aus Sicht von Flüchtlingsrat Niedersachsen und PRO ASYL ist es Pflicht des Bundesamtes, sämtliche in 2017 erlassenen negativen Bescheide vor dem Hintergrund der aktuellen Faktenlage zu revidieren. Gerade die Ausführungen des UNHCR sind nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (vgl. Beschluss vom 12.03.2008 – 2 BvR 378/057) zwingend zu beachten.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen und PRO ASYL appellieren an die Bundesländer, sich auf ein Ende aller Abschiebungen nach Afghanistan zu verständigen. Die vorübergehende Aussetzung von Abschiebungen ist angesichts der katastrophalen Lage nicht ausreichend. Der jüngste Beschluss der Bundesregierung zur vorläufigen Aussetzung lässt weiterhin viele Interpretationsspielräume für weitere Abschiebungen.

Dehnbar ist zum Beispiel der Begriff der „Ausreisepflichtigen, die hartnäckig ihre Mitwirkung an der Identitätsfeststellung verweigern“. Schutzsuchenden, die keinen Pass haben und die auch keinen von der Botschaft ausgestellt bekommen, kann das pauschal unterstellt werden.

Nicht allein der Fall eines afghanischen Schülers aus Nürnberg zeigt, wie umstritten die Frage oft ist, ob jemand sich tatsächlich einer Mitwirkungspflicht entzogen hat. Trotz mehrfacher Vorsprache zur Passbeschaffung bei der afghanischen Botschaft wurde dem Betroffenen mangelnde Mitwirkung vorgeworfen. Auch die Begriffe »Straftäter« und »Gefährder« sind in höchstem Masse problematisch und werden zudem höchst unterschiedlich interpretiert. Auch für solche Personen gelten die Menschenrechte.

Für den 10. Juni rufen über 100 Organisationen und gesellschaftliche Institutionen zur Demonstration in Kiel für ein Bleiberecht für alle Afghaninnen und Afghanen auf. Eine Petition mit 10.000 Unterschriften gegen Abschiebungen nach Afghanistan soll beim Kieler Landeshaus an die dort verhandelnden potentiellen Koalitionspartner*innen der künftigen schleswig-holsteinischen Landesregierung übergeben werden (s. 1. Pressemitteilung des FRSH vom 9. Juni 2017)

3. Abschiebungen in andere EU-Staaten

Nach einem Bericht des RedaktionsNetzwerks Deutschland wollen die Innenminister ohne jegliche zeitliche Befristung Schutzsuchende in andere EU-Staaten abschieben können. Der den Medien vorliegende Beschlussvorschlag zur Innenministerkonferenz soll dies unterstützen.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen und PRO ASYL warnen entschieden vor solch einer weitreichenden Reform. Der ersatzlose Wegfall der Fristen wird dazu führen, dass Rechtlosigkeit entsteht. Angesichts der eklatanten Menschenrechtsverletzungen in Staaten wie Ungarn und Bulgarien dürfen Überstellungen nicht vollzogen werden. Wenn die 6-Monats-Frist für Überstellungen wegfällt und eine Abschiebung in Staaten wie Ungarn, Bulgarien oder Griechenland dennoch scheitert, werden Asylanträge über Monate oder Jahre hinweg in keinem EU-Staat inhaltlich geprüft werden. Die Dublin-Verordnung wird zu einer kompletten Unzuständigkeits-Regelung. So werden Integrationsperspektiven zerstört.

gez. Kai Weber, Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V., nds(at)nds-fluerat.org, T. 0511 – 98246030

gez. Günter Burkard, PRO ASYL e.V., presse(at)proasyl.de


Flüchtlingsrat fordert Neubewertung abgelehnter Asylanträge

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung, nach dem verheerenden Anschlag in Kabul Abschiebungen nach Afghanistan vorläufig auszusetzen. Gleichzeitig fordert der Flüchtlingsrat das Auswärtige Amt auf, in dem für Juli 2017 angekündigten neuen Lagebericht zu einer realistischen Beschreibung der Verhältnisse in Afghanistan zurückzukehren und den offenkundig geschönten und die Bedrohungslage in Afghanistan verharmlosenden Lagebericht vom Oktober letzten Jahres sofort zurückzuziehen.
Darüber hinaus fordert der Flüchtlingsrat eine Neubewertung der Verfolgungslage in Afghanistan und eine Überprüfung der ablehnenden Entscheidungen des Bundesamtes, das trotz der Eskalation des Bürgerkriegs in Afghanistan zunehmend mehr afghanischen Flüchtlingen jeglichen Schutz verweigert:

BAMF-Statistik Jan-April 2017 Afghanistan Syrien Irak Quote

Noch im November 2015 hatte das Auswärtige Amt in seinem als „vertraulich“ eingestuften Lagebericht die Verhältnisse in Afghanistan ungeschönt und realistisch beschrieben. Die Justiz funktioniere „nur sehr eingeschränkt“, hieß es in dem Bericht. Die Regierungsführung sei „weiterhin mangelhaft“ und korrupt. „Traditionell diskriminierende Praktiken und Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen existieren insbesondere in ländlichen Regionen weiter. Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet.“ Einflussnahme durch Verfahrensbeteiligte oder -unbeteiligte und Zahlung von Bestechungsgeldern verhinderten Entscheidungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen des Justizsystems. Der Politische Direktor des Ministeriums, Andreas Michaelis, beklagte unter Bezugnahme auf den Lagebericht, die Bedrohung in Afghanistan habe sich dramatisch erhöht. Die Gefahr für Leib und Leben sei in jedem zweiten afghanischen Distrikt hoch oder extrem. Selbst in Landesteilen, die bisher als relativ sicher gegolten hätten, wachse die Bedrohung rasant (siehe u.a. FAZ 13.11.2015).

Diese Bewertung der Lage in Afghanistan vertrug sich allerdings nicht mit der politischen Agenda der Bundesregierung. Die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD hatten parallel zu dem geplanten Asylpaket II unter Buchstabe H zu Afghanistan am 5. November 2015 den denkwürdigen Beschluss getroffen:

„Wir wollen zur Schaffung und Verbesserung innerstaatlicher Fluchtalternativen beitragen und vor diesem Hintergrund die Entscheidungsgrundlagen des BAMF überarbeiten und anpassen. Dies ermöglicht auch eine Intensivierung der Rückführungen.“

Ein Jahr später legte das Auswärtige Amt daher einen neuen, weichgespülten Lagebericht vor. Nun entdeckte auch das AA Gebiete, die „trotz punktueller [!] Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil“ seien – und unterstützte damit den Kurs von Bundesinnenminister de Maizière, der unter Bezugnahme auf die Beschlüsse der Bundesregierung das Außenministerium um argumentative Rückendeckung gebeten hatte.

Im Februar 2017 wurden die Fronten endgültig geschlossen: Einträchtig kritisierten Außenminister Gabriel und Innenminister de Maiziére die Schleswig-holsteinische Landesregierung für ihre Entscheidung, einen Abschiebungsstopp nach Afghanistan zu verhängen. In einem Brief an die Bundesländer rechtfertigten de Maizière und Gabriel Abschiebungen nach Afghanistan. Es gebe „vergleichsweise ruhige“ Regionen in dem Bürgerkriegsland. Dazu zählte die Bundesregierung immer wieder ausdrücklich auch die Hauptstadt Kabul. Die Bundesregierung setzte sich mit dieser Positionierung über die kritischen Lagebeschreibungen aller seriösen Menschenrechtsorganisationen und auch des UNHCR hinweg, der in seinem Bericht von Dezember 2016 ausdrücklich festgestellt hatte, „dass das gesamte Staatsgebiet Afghanistan von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Sinne des Art. 15 c der EU-Qualifikationsrichtlinie“ betroffen (ist)“.

Auf der Grundlage der fatalen, falschen Lageeinschätzung des Auswärtigen Amts (siehe Kritik von Thomas Ruttig) und der in den sog. „Leitsätzen“ der BAMF-Zentrale vorgegebenen Richtlinien wurden seit Beginn des Jahres 2017 mehr als 50% aller Asylanträge abgelehnt. Die ablehnenden Bescheide des BAMF behaupten regelmäßig, es gäbe in Afghanistan eine sog. „inländische Fluchtalternative“. Es wäre den Antragsteller_innen zuzumuten gewesen, „sich vor einer Flucht ins Ausland in einem anderen als generell sicher geltenden Teil Afghanistans niederzulassen, wie z.B. Kabul, Mazar-e-Scharif oder Herat“, heißt es z.B. in einem Bescheid. Das Risiko, Opfer willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu werden, bleibe „weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt“.


http://www.tagesschau.de/ausland/kabul-anschlag-kommentar-101.html

Deutschlands unglaublicher Zynismus

Stand: 31.05.2017 15:30 Uhr

In Afghanistan werden Dutzende Menschen in den Tod gebombt – mal wieder. Nun setzt die Bundesregierung die Abschiebungen dorthin aus. Aber nicht zum Wohl der Afghanen, sondern zur Entlastung der Botschaftsmitarbeiter. Dieser Zynismus ist kaum mehr zu überbieten.

Ein Kommentar von Jürgen Webermann, ARD-Studio Neu-Delhi

Zwei Meldungen an einem Tag: Erstens, heute sollte ein Abschiebeflieger Richtung Kabul starten. Zweitens: Die deutsche Botschaft in Kabul hat einen Mitarbeiter durch einen ausgesprochen heftigen Bombenanschlag verloren. Wir müssen beide Themen zwingend miteinander verknüpfen und das hat offenbar sogar die Bundesregierung getan – und den Abschiebeflug erst einmal ausgesetzt, mit der Begründung, die Botschaftsmitarbeiter in Kabul könnten sich jetzt nicht auch noch um diese Abschiebung kümmern.

Mehr zum Thema

Schon bisher war der Zynismus der deutschen Behörden, Menschen einfach in Kabul abzuladen und sich selbst zu überlassen, fast grenzenlos. Nicht erst seit heute ist klar: In Afghanistan herrscht Krieg, auch wenn wir das gerne verdrängen. Es gibt ja genug andere Konfliktherde in der Welt, Afghanistan ist da ein bisschen in Vergessenheit geraten. Es gibt außerdem keine sicheren Orte in Afghanistan, wie das Bundesinnenministerium es so gerne hätte.

Die zerstörte Botschaft in Kabul: Sicher ist man in Afghanistan nirgendwo.

Keine Perspektive – kriegsbedingt

Hier ein paar Fakten: Weite Teile des Staatsgebiets sind umkämpft oder in der Hand der Taliban. Die afghanische Armee ist zumeist in der Defensive. Schlägt sie in einer Provinz die Extremisten zurück, kommen diese woanders wieder. Allein 2016 mussten mehr als 600.000 Menschen ihre Häuser verlassen, in 31 von 34 Provinzen gab es Kämpfe. Die Zahl der Kriegsflüchtlinge in Afghanistan beträgt jetzt mehr als zwei Millionen. Ihre Lage zu beschreiben, dafür würde dieser Kommentar nicht ausreichen.

Auch Rückkehrer stehen vor dem Nichts. Eine wirtschaftliche Perspektive gibt es derzeit nicht in Afghanistan, und das ist vor allem kriegsbedingt – das als kurzer Hinweis für alle, die so gerne von afghanischen Wirtschaftsflüchtlingen sprechen. Und nein, auch die Städte sind nicht sicher. In Kabul haben wir das heute mal wieder eindrucksvoll vor Augen geführt bekommen. Es war der fünfte große Anschlag in der Stadt seit Jahresbeginn, ganz abgesehen von vielen kleineren Zwischenfällen.

Stundenlanges Massaker

Im angeblich sicheren Masar-i-Sharif in Nordafghanistan wurde erst vergangenen November das deutsche Generalkonsulat durch einen Angriff zerstört, und Ende April töteten Taliban in der afghanischen Partnerkaserne der Bundeswehr 140 junge Soldaten, es war ein stundenlanges Massaker. Die Provinz Kundus, Schwerpunkt deutscher Entwicklungshilfe, ist so gefährlich, dass dort niemand mehr ernsthaft überprüfen kann, ob dort mit unseren Steuergeldern Schulen gebaut oder das Justizwesen voran gebracht werden.

Warum also schiebt Deutschland überhaupt nach Afghanistan ab? Weil Afghanistan von uns abhängig ist. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass Deutschland und die EU weitere Finanzhilfen für Afghanistan mit der Rücknahme von Abgeschobenen verknüpft haben. Der Staat würde ohne diese Hilfsgelder kollabieren. Genau deshalb ist zu befürchten, dass einige Bundesländer und die Bundesregierung dieses zynische Spiel mit dem Schicksal junger Afghanen schon bald weiter spielen werden. Um unsere angeblich so hohen moralischen Werte geht es dabei schon lange nicht mehr.

Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.


»Hau ab – Gesetz«: Bundestag entscheidet über erneute Asylrechtsverschärfung

 


Koalition blockiert Abstimmung über Familiennachzug im Innenausschuss

Zur heutigen Verhinderung der Beschlussfassung über Oppositionsinitiativen zur Erleichterung des Familiennachzugs, erklären Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE und Luise Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion:

„Bereits vor einem Monat fand im Innenausschuss eine vielbeachtete Anhörung zu unseren Vorschlägen zur Erleichterung des Familiennachzugs statt – die Vorlagen sind also abstimmungsreif. Es ist einfach nur skandalös, dass die Koalition eine Entscheidung bei der jeder weitere Tag neues Leid für Geflüchtete bedeutet, wahltaktisch hinauszögert. Offenbar fürchtet die Koalition eine große Zahl an Befürwortern in den eigenen Reihen für die Oppositionsinitiativen.“

„Die Regierungskoalition peitscht in Sondersitzungen in Höchstgeschwindigkeit Gesetze durch den Bundestag, wenn es um Asylrechtsverschärfungen und Abschiebungen geht. Doch wenn es Rechte für Geflüchtete und eine Zukunft für Flüchtlingsfamilien geht, dann setzt die Koalition auf eine unverantwortliche Blockadepolitik“, kommentiert Luise Amtsberg.

„Die Möglichkeit des Zusammenlebens mit der eigenen Familie ist ein Grundrecht. Doch gegenwärtig ist der Nachzug massiv beschränkt: Zum einem, weil die die Beantragung und Bearbeitung der Visa zum Familiennachzug, vor allem in den Anrainerstaaten Syriens, über ein Jahr dauert. Zum anderen, weil die große Koalition im Asylpaket II beschlossen hat, dass alle Personen mit einem sogenannten subsidiären Schutzstatus, zum Beispiel Bürgerkriegsflüchtlinge, zusätzlich bis zu zwei Jahre warten müssen, bis sie überhaupt einen Antrag auf Nachzug stellen können. Diese Entscheidung führt dazu, dass viele – insbesondere syrische – Familien mehrere Jahre voneinander getrennt leben müssen. Diese grausame und integrationsfeindliche Praxis zwingt Familien von Geflüchteten auf lebensgefährliche Fluchtrouten. Mit ihrer Verzögerungstaktik nimmt die Koalition weitere Fluchttote sowie zerrissene und zerstörte Familien in Kauf. Die Koalition hätte heute die Möglichkeit gehabt dies endlich zu korrigieren“, kommentiert Ulla Jelpke.


Der italienische Journalist Gabriele del Grande ist wieder frei

Tonight the Italian Minister of Interior got the information that the
Turkish government set free Gabriele Del Grande, he is turning back to
Italy now!

Der italienische Journalist Gabriele del Grande, der am  10. April 2017 nahe der syrischen Grenze in der türkischen Provinz Hatay festgenommen wurde (siehe Presseerklärung vom 13.4.), ist gestern aus Protest gegen seine fortgesetzte Inhaftierung in der Türkei in den Hungerstreik getreten.

Der aus Lucca in der Toskana stammende Del Grande ist auch als Internetblogger, Autor und Menschenrechtsaktivist tätig. Sein Blog Fortress Europa befasst sich mit der Flüchtlingstragödie im Mittelmeer. Er war auch als Koautor und Koregisseur am halbdokumentarischen Film „Io sto con la sposa“ (An der Seite der Braut) über syrische und palästinensische Flüchtlinge beteiligt, der 2014 beim Internationalen Filmfestival von Venedig und später auch in Deutschland gezeigt wurde, u.a. in Hannover und Lüneburg.

Nachfolgend dokumentieren wir eine übersetzte Facebook-Mitteilung von Alexandra D’Onofrio (Partnerin von Gabriele) von gestern Nachmittag:
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Heute um 14.30 Uhr hat uns Gabriele angerufen. Es war das erste Telefongespräch seit Sonntag, dem 9. April, als Gabriele in der Grenzregion Hatay von den türkischen Behörden festgenommen wurde. Er war seit dem 7. April in der Türkei. Gabriele sagt:

„Während ich spreche gibt es vier Polizisten, die mich anschauen und zuhören. Ich bin an der Grenze festgehalten worden, und nachdem sie mich im Identifizierungs- und Ausweisungszentrum Hatay hielten, haben sie mich nach Mugla gebracht, wo ich in einem weiteren Identifizierungs- und Ausweisungszentrum in Einzelhaft gesperrt worden bin. Meine Papiere sind in Ordnung, aber es ist mir weder erlaubt worden, einen Anwalt zu kontaktieren, noch ist mir erklärt worden, wie lange diese Festnahme dauern soll. Mir geht es gut, man hat mir nichts getan, aber ich darf nicht telefonieren, sie haben mein Telefon und meine persönlichen Gegenstände beschlagnahmt, obwohl sie mir keine Straftat vorwerfen. Der Grund meiner Festnahme hat mit dem Inhalt meiner Arbeit zu tun. Ich bin darüber mehrmals verhört worden. Anrufen durfte ich nur nach mehreren Tagen des Protests. Es wurde mir nicht mitgeteilt, dass die italienischen Behörden sich mit mir in Verbindung setzen wollten. Ab heute Abend trete ich in Hungerstreik, und ich bitte alle sich aktiv einzusetzen, damit meine Rechte respektiert werden“.

Italien hat die Türkei inzwischen aufgefordert, Gabriele Del Grande freizulassen. Der Fall werde „seit Beginn mit äußerster Aufmerksamkeit“ und in ständigem Kontakt mit Del Grandes Familie verfolgt, erklärte das italienische Außenministerium heute in Rom. Der italienische Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, forderte im Kurzbotschaftendienst Twitter ebenfalls die „sofortige Freilassung“ Del Grandes „und aller ungerechtfertigt in der Türkei inhaftierten Journalisten“
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.

Newroz 2017: Nein zur Diktatur – Ja zu Demokratie und Freiheit

unter dieser Forderung demonstrierten rund 50 000 Mitbürger kurdischer Abstammung am letzten Samstag in Frankfurt / Main und feierten das kurdische Neujahrsfest.
Auch eine große Delegation aus Cuxhaven hatte mit einem Reisebus und mehreren privaten PKW den weiten Weg nicht gescheut.
Besondere Bedeutung hatte für die Demonstranten und ihre Unterstützer vom Arbeitskreis Asyl Cuxhaven das Referendum zur Änderung der Verfassung in der Türkei hin zu einer Ein-Mann-Diktatur.
Während die Opposition weder in den gleichgeschalteten türkischen Medien noch im öffentlichen Raum für ein Nein zu Erdogans Präsidialdiktatur werben kann, sitzen hunderte Politiker darunter 13 Abgeordnete der HDP (Partei der Völker) im Gefängnis. Stadtverwaltungen in den kurdischen Regionen wurden unter Zwangsverwaltung gestellt, im Südosten der Türkei wird ein offener Krieg gegen die kurdische Bevölkerung geführt und auch in Europa werden Gegner der AKP-Politik eingeschüchtert und bedroht. 6000 Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes stehen allein in Deutschland Erdogan zu Diensten und in DITIB-Moscheen wird ungestraft Spionage betrieben.
Für die Demonstranten trägt auch die Bundesregierung für die katastrophale Situation eine Mitverantwortung, weil sie wegen des Flüchtlingsdeals viel zu lange geschwiegen hat. Selbst nach der Verhaftung des Journalisten Deniz Yücel und Erdogans Faschismusvorwürfen an die Adresse der Bundesregierung / Bundeskanzlerin lässt diese sich weiter von der türkischen Regierung vorführen und die deutsche Öffentlichkeit nimmt dies mit zunehmendem Unverständnis und Zorn zur Kenntnis.
Als im November letzten Jahres bundesweit Menschen gegen die Verhaftung der HDP-Spitze auf die Strasse gingen, war es selbstverständlich, dass sie die Fahnen der kurdischen Jugend-, der Frauenbewegung oder der nordsyrischen PYD mit sich führten. In Frankfurt aber erlebten wir, wie sich die BRD-Regierung gegenüber den Kurden zum verlängerten Arm Erdogans machen lässt: Das Mitführen von Fahnen legaler kurdischer Organisationen wurde durch den Innenminister verboten, ebenso das Rufen bestimmter Parolen.
Weil sich viele Tausende dem widersetzten, wurden alle Demonstranten von der Polizei gefilmt oder fotografiert, um sie nachträglich zu bestrafen. Erdogan wird es freuen.


Kniefall vor dem Terrorpaten Erdogan

Druckversion – Kurdische Arbeiterpartei PKK_ De Maizière verbietet Öcalan-Porträts – SPIEGEL ONLINE – Politik


UN-Bericht_ UN kritisieren türkisches Vorgehen gegen PKK _ ZEIT ONLINE


Thomas Ruttig: ard-afghanistan-sicher-der-lagebericht-des-auswartigen-amtes-und-thema-verfehlt-meine-bewertung-desselben/


Realität und alternative Fakten zu Afghanistan


Offener Brief an die Bundeskanzlerin:
Nein zur Schließung der zentralen Mittelmeerroute!


Im Dezember 2016 hat UNHCR in seinem Bericht die dramatische und nochmals verschärfte Sicherheitslage in Afghanistan dargestellt und klargestellt, dass es – im Unterschied zu den öffentlichen Erklärungen des Bundessinnenministers de Maizière – keine „sicheren Gebiete“ in Afghanistan gibt. Die politische Konsequenz lag nahe, dass Abschiebungen nach Afghanistan nach der heftigen Kritik an der öffentlich inszenierten Sammelabschiebung im Dezember umgehend wieder eingestellt würden.

Genau das Gegenteil lässt aber nun ein aktuelles Papier befürchten, das Grüne aus zehn Landesregierungen unter dem Titel „Rückführungen nach Afghanistan“ verabschiedet haben. Dieses Papier sorgt nicht nur in der flüchtlingspolitischen Szene für heftigen Unmut und Unverständnis. Statt einen konsequenten Abschiebestopp nach Afghanistan zu fordern und eine klare Bleiberechtsregelung zu entwerfen, werden trotz vordergründig formulierter Besorgnis über die Sicherheitslage vielmehr „freiwillige“ Ausreisen nach Afghanistan sowie Abschiebungen faktisch bejaht. Zugleich wird der Handlungsspielraum der Bundesländer ohne Not argumentativ verkleinert.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. erwartet von den Grünen auf Bundes- und Landesebene, dass sie Abschiebungen nach Afghanistan aus menschenrechtlicher Perspektive grundsätzlich ablehnen und ihr Positionspapier zurückziehen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Grünen ausgerechnet jetzt in ihrem Papier eine „freiwillige Rückkehr“ nach Afghanistan bewerben und „zwangsweise Rückführungen per Abschiebung“ für unvermeidbar erklären.

Lediglich die Grünen in Niedersachsen haben das Positionspapier erfreulicherweise nicht mitunterzeichnet und ihre grundsätzliche Ablehnung von Abschiebungen nach Afghanistan sachkundig begründet. Angesichts der medialen Berichterstattung und Kritik aus den eigenen Reihen rudern nun auch die ersten grünen Landesverbände zurück. So bestätigten die Grünen in Schleswig-Holstein, Thüringen und Bremen in den letzten Tagen ihre kategorische Ablehnung von Abschiebungen nach Afghanistan.

Indes ist die Positionierung der Grünen in anderen Bundesländern noch keineswegs geklärt. Die Landesgrünen in NRW und Hessen fordern zwar ebenso die Nutzung humanitärer Spielräume, betonen aber zugleich, dass es „kaum Ermessensspielraum der Bundesländer“ gäbe. Diese Aussage widerspricht aber der Praxis der letzten zwölf Jahre, in denen die Länder genau diese Spielräume informell genutzt haben und Abschiebungen nach Afghanistan (mit Ausnahme von Straftätern) faktisch ausgesetzt waren. Folgerichtig hat das Bundesland Bremen seinen rechtlichen Handlungsspiel erst kürzlich genutzt und allen in Bremen geduldeten afghanischen Flüchtlingen (ausgenommen Straftätern) ein Aufenthaltsrecht erteilt.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. fragt in einem Schreiben an die Grünen, warum die Grünen die Positionierungen Bremens und auch die Erwägungen des schleswig-holsteinischen Innenministers hinsichtlich eines Abschiebestopps nicht nutzen und stattdessen kleinmütig auf die Zuständigkeit des Bundes für die Bewertung der Sicherheitslage in Afghanistan abheben. Auch PRO ASYL hat die Grünen scharf kritisiert und sich mit einem Schreiben an die Mandatsträger der Grünen besorgt geäußert. Ist der Bundesinnenminister für die Grünen neuerdings die oberste Instanz in Menschenrechtsfragen?

Wir hoffen und erwarten, dass dieses fragwürdige Positionspapier nicht das letzte Wort der Grünen zum Thema bleibt. Es ist nicht zu spät, diese Position zu korrigieren und Abschiebungen nach Afghanistan unmissverständlich abzulehnen. Die Grünen müssen ihrer menschenrechtspolitischen Position treu bleiben, sich den nächsten angekündigten Sammelabschiebungen in das Kriegsland Afghanistan widersetzen und als Regierungspartei in 11 Bundesländern dafür sorgen, dass Abschiebungen nach Afghanistan ausgesetzt werden.

Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.

Liebe KollegInnen,

nachdem die geplanten monatlichen Afghanistan-Abschiebecharter im Oktober und November 2016 nicht zustande kamen, plant Schwarz-Grün Baden-Württemberg jetzt für Mittwoch 14.12. einen Tabubruch: Den ersten bundesweiten Sammel-Abschiebcharter, vermutlich ab Abschiebflughafen Baden-Baden (Söllingen), evtl. auch ab Stuttgart.

Obwohl sich die Sicherheitslage in Afghanistan seit 15 Jahren unstrittig stets nur weiter verschlechtert hat, und Abschiebungen aus humanitären und tatsächlichen Gründen ausgesetzt wurden, gibt Schwarz-Grün Kretschmann aus BaWü mit seinen Abschiebungen direkt ins Kriegsgebiet jetzt das Signal: „Wir schaffen das nicht!“

Besonders aktiv dabei Ausländerbehörden aus Bayern (CSU) und Hamburg (SPD). Es liegen Hinweise vor, dass zahlreiche Festnahmen und Abschiebungen rechtswidrig sind. Asylfolgeanträge sollten normalerweise Haft und Abschiebung stoppen. Bei der Ausländerbehörde Hamburg erfolgten zahlreiche Festnahmen zwar geplant aber ohne (vorherige) richterliche Entscheidung und somit ebenfalls rechtswidrig (Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG).

Betroffene sollten sich sofort um anwaltlichen Rechtsschutz bemühen!!!

Georg Classen

 

Kritik an Abschiebungen nach Afghanistan – Spiegel fordert vom Bund Einschätzung zur aktuellen Gefahrenlage

Integrationsministerin Anne Spiegel fordert das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt auf, zeitnah eine Einschätzung zur aktuellen Gefahrenlage in Afghanistan vorzulegen. „Während der Bundesinnenminister die Sicherheitslage in Afghanistan für ausreichend hält, um dorthin abzuschieben, wird Medienberichten zufolge diese Einschätzung nicht einmal von der Arbeitsebene des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge geteilt. Wir sind es den bei uns Schutz suchenden Menschen aus Afghanistan und dem Respekt vor unserem Grundgesetz, das das Recht auf Asyl festschreibt, schuldig, dass wir Asylverfahren ernst nehmen“, fordert Ministerin Anne Spiegel. „Wenn die Sicherheitslage in Afghanistan sich in der Wahrnehmung des Bundesinnenministers ganz anders darstellt als in den täglichen Nachrichtensendungen oder in den Berichten der NGOs vor Ort, so wirft dies Fragen auf, auf die wir Antworten benötigen.“

Mit Blick auf die Innenministerkonferenz (IMK) in Saarbrücken, die sich morgen mit dem Thema der Rückführungen nach Afghanistan befasst, fügt Spiegel hinzu: „Ich bin froh, dass Schleswig-Holstein dieses sensible Thema erneut auf die Tagesordnung der IMK setzen ließ. Denn nach der derzeitigen Faktenlage sehe ich die vom Bundesinnenministerium angestrebten bis zu 12.000 Abschiebungen nach Afghanistan in höchstem Maße kritisch.“

Integrationsministerin Spiegel lehnt außerdem das vor dem Beginn der IMK bekannt gewordene Konzept des baden-württembergischen Innenministers Strobl ab, der generell eine schärfere Abschiebepraxis fordert. Spiegel: „Abschiebungen sind in einem Rechtsstaat nur als äußerstes Mittel zulässig. In Rheinland-Pfalz setzen wir deshalb auf die Beratung zur freiwilligen Rückkehr und sind damit sehr erfolgreich: Neun von zehn Ausreisepflichtige verlassen das Land freiwillig. Dies zeigt deutlich:   Wir brauchen in Deutschland eine humane Rückführungspolitik und keine schärfere Abschiebepraxis.“

Mit schönen Grüßen

Astrid Eriksson
Pressesprecherin
Ministerium für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz
Kaiser-Friedrich-Straße 5a
55 116 Mainz


In der Türkei sind etwa 10.000 weitere Beamte, Soldaten und Polizisten als Reaktion auf den Putschversuch entlassen worden. In einem offiziellen Notstandsdekret hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan zudem die Schließung von 500 Instituten, Vereinen, Stiftungen und Wohltätigkeitseinrichtungen angeordnet. Auch gegen Medien geht die Regierung mit dem Dekret weiter vor. Nach Angaben der Generalsekretärin des türkischen Journalistenverbands, Sibel Günes, wurden seit dem Umsturzversuch rund 170 Medienorganisationen geschlossen und 105 Journalisten festgenommen. Zudem hätten die Behörden über 600 Journalisten die Akkreditierung entzogen. Tausende weitere seien arbeitslos.
Seit dem Putschversuch vom 15.07.2016 sind bislang mehr als 110.000 Staatsbedienstete entlassen worden, mehrere Tausend wurden festgenommen: Die türkische Regierung ordnete u.a. die Festnahme von 103 Akademiker_innen  der Technischen Universität Yıldız in Istanbul an. Nach Angaben von Staatsmedien sitzen mehr als 36.000 Verdächtige in Untersuchungshaft. In Diyarbakir wurde die Stadtverwaltung total ausgewechselt. Die Mitarbeiter_innen haben Arbeitsstelle und Beamtenstatus verloren. Sozialdemokratischen Abgeordneten des EU Parlaments aus fünf verschiedenen Ländern wurden daran gehindert, sich dem Gefängnis in Edirne zu nähern. In Mardin wurden vorgestern der Bürgermeister Ahmet Türk, die Co Bürgermeisterin und weiter 30 Personen festgenommen, die Verwaltung wird zurzeit durch Polizei und Militär „gesäubert“. Gestern wurden weitere 420 Mitarbeiter der Stadtverwaltung entlassen, weitere Verhaftungen fanden statt. Dessen ungeachtet hält die Bundesregierung bis heute daran fest, die Türkei sei ein „sicherer Herkunftsstaat“.

Die Verfolgung von Andersdenkenden in der Türkei lässt auch die Zahl der Flüchtlinge aus der Türkei  in Deutschland wieder steigen. Von Januar bis Oktober stellten laut BAMF 4.437 Türken einen Antrag in Deutschland. Im Jahr zuvor waren es nur 1.767 Personen. Das SPD-geführte Außenministerium verwies ausdrücklich darauf, dass politisch Verfolgte in Deutschland Asyl beantragen könnten. Auf die Frage nach der Aufnahme verfolgter Politiker_innen, Journalist_innen oder Künstler_innen wies der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth auf das Grundrecht auf Asyl hin: „Deutschland ist ein weltoffenes Land und steht allen politisch Verfolgten im Grundsatz offen. Sie können in Deutschland Asyl beantragen. Das gilt dezidiert nicht nur für Journalisten. Dafür gibt es unser Recht auf Asyl.“ Dieses sicherlich positive Signal muss ergänzt werden durch Reiseerlaubnisse für Oppositionelle. Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die Bundesregierung auf, bei der Visavergabe an verfolgte türkische Journalisten keine vermeidbaren bürokratischen Hürden zu errichten. „Es kann nicht sein, dass türkische Journalisten ungewollt in ein Asylverfahren getrieben werden, weil deutsche Behörden ihnen als einzige Alternative die Rückreise in ihre Heimat und damit direkt in die Arme einer Willkürjustiz lassen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Bei der Visavergabe ist dringend mehr Flexibilität nötig, um den Bedürfnissen politisch verfolgter Journalisten gerecht zu werden. Hier könnten Deutschlands diplomatische Vertretungen deutlich mehr tun.“

Die Bundesregierung könnte noch viel mehr tun: Trotz aller Berichte über Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei ist sie bislang nicht von ihrer wahnwitzigen Einschätzung zurückgetreten, die Türkei sei ein sicheres Herkunftsland und ein sicherer Drittstaat für Geflüchtete. Nichts drückt die Verlogenheit der Debatte um Menschenrechte und Flüchtlingsfragen deutlicher aus als das von durchsichtigen Interessen geleitete Festhalten der Bundesregierung an dieser Feststellung. Nachfolgend dokumentieren wir die Antworten der Bundesregierung auf die Fragen der Bundestagsfraktion „die Linke“, deren permanenten Nachfragen wir es zu verdanken haben, dass der bigotte Umgang der Bundesregierung mit Menschenrechtern nicht in Vergessenheit gerät.

Kai Weber

Frage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke): „Inwieweit hält die Bundesregierung ihre noch im Juli 2016 und ausdrücklich im Widerspruch zum Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung Peter Altmaier geäußerte Auffassung, die Türkei könne als sicherer Herkunftsstaat angesehen werden (Bundestagsdrucksache 18/9128, Frage 14, Seite 10), vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse zumindest im Rückblick für verfehlt, und inwieweit begründet diese nach Ansicht der Fragestellerin bereits damals offenkundig falsche Einschätzung der Lage in der Türkei durch die Bundesregierung generelle Zweifel an der Verlässlichkeit solcher Einschätzungen bezüglich der vermeintlichen Sicherheit von Herkunftsstaaten (bitte ausführlich begründen)?

Antwort der Bundesregierung: Steht noch aus…

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Frage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke):“Inwiefern hält die Bundesregierung an ihrer im Mai in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/8542 zu Frage 24 erklärten Überzeugung fest, dass die Türkei als sicherer Herkunftsstaat zu behandeln sei, nachdem der für die Koordinierung der Flüchtlingspolitik zuständige Chef des Bundeskanzleramtes Peter Altmaier am 21. Juni 2016 auf dem 16. Flüchtlingssymposium der Evangelischen Akademie zu Berlin dies nach Angaben von Teilnehmenden empört von sich wies und dazu erklärte, die Bundesregierung sehe die Türkei nicht als sicheres Herkunftsland an und sei sich darin auch bei einem Gespräch mit Amnesty International im Bundeskanzleramt einig gewesen (vgl. auch epd vom 21. Juni 2016; bitte begründen), und inwieweit wird sich die Bundesregierung vor diesem Hintergrund und angesichts der aktuellen Entwicklung in der Türkei auf der EU-Ebene für oder gegen den Vorschlag der EU-Kommission einsetzen, die Türkei als sicheren Herkunftsstaat einzustufen (bitte begründen)?

Antwort der Bundesregierung vom 08.07.2016: „Die Bundesregierung hat die Frage nach der Einstufung der Türkei als sicheren Herkunftsstaat bereits mehrfach in der Vergangenheit beantwortet. An dieser Haltung hat sich nichts geändert.“Bundestags-Drucksache 18/9128

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Pressemitteilung der Bundesregierung vom 01.06.2016: „Die Bundesregierung sieht das EU-Türkei-Abkommen im Einklang mit dem EU-Recht und dem internationalen Verpflichtungen zum Flüchtlingsschutz. „Die EU-Türkei-Erklärung stellt ausdrücklich fest, dass bei der Umsetzung das EU-Recht und das Völkerrecht uneingeschränkt gewahrt werden“, heißt es in einer Antwort (18/8542) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/8205).“

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Frage: Ist die Bundesregierung weiterhin der Überzeugung, dass die Türkei als sicherer Herkunftsstaat zu behandeln ist, wie in der Antwort zu Frage 11d auf Bundestagsdrucksache 18/7594 erklärt? Antwort der Bundesregierung: Ja.

Bundestags-Drucksache 18/8542 vom 24.05.2016

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Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken vom 17.02.2016: „Die Bundesregierung spricht sich für eine zügige Verabschiedung der gemeinsamen EU-Liste mit sicheren Herkunftsstaaten auf der Grundlage des Vorschlags der Europäischen Kommission vom 9. September 2015 aus. Dieser Vorschlag der Europäischen Kommission umfasst auch die Türkei.“

Bundestags-Drucksache 18/7594 vom 17.02.2016


Cumhuriyet

 

 

Protestdemonstration in Hamburg 05.11.2016

Protestdemonstration in Hamburg 05.11.2016

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Afghanistan: Die kalte Rechnung des Innenministers

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-11/afghanistan-bamf-asyl-abschiebung-gefahr-innenministerium


Jugendhilfe zweiter Klasse

Flüchtlinge Ministerpräsidenten fordern ein Sondergesetz zur Betreuung unbegleiteter Minderjähriger

„Wider erwarten hat sich Bayern am Freitag bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Rostock mit einem Sparvorschlag durchgesetzt. So heißt es nun unter dem Punkt „Flüchtlinge“ in dem verabschiedeten Beschlusspapier, die Regierungschefs der Länder „bitten die Bundesregierung im Dialog mit den Ländern, rechtliche Regelungen für die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu erarbeiten“. Hierbei sollten die „Steuerungsmöglichkeiten verbessert und die Kostendynamik begrenzt werden“, so die 16 Ministerpräsidenten in dem einstimmig gefassten Beschluss. Konkret soll die Leistungsart „Jugendwohnen“ nunmehr explizit bei den Vorschriften zur Jugendsozialarbeit „beschrieben werden“. Als die rund 50.000 unbegleiteten jungen Flüchtlinge im vergangen Jahr bundesweit verteilt wurden, gab es für sie vielerorts nur Provisorien und keine Unterbringung nach Jugendhilfe-Standard. Was die Länder jetzt wollen, ist eine dauerhafte Sonderregelung für diesen Personenkreis. Der Begriff, um den es geht, heißt „Jugendwohnen“. Anders als in Heimen, wo ein Fachkraft-Kind-Schlüssel von eins zu vier oder fünf die Regel ist, ist das Jugendwohnen im Rahmen der Jugendsozialarbeit schon mit einem Schlüssel von eins zu zehn oder gar eins zu 40 zulässig. Das sei eine „Diskriminierung“ von unbegleiteten jungen Flüchtlingen, heißt es in einem von zahlreichen Flüchtlingsräten und Jugendverbänden unterzeichneten Appell vom Mittwoch.

De facto bedeutet auch dieser Beschluss, dass für junge alleinreisende Flüchtlinge schlechtere Standards gelten sollen als für inländische Jugendliche“, kritisiert der frühere Hamburger Jugendhilfe-Abteilungsleiter Wolfgang Hammer. „Andernfalls bräuchte man keine solche Verabredung speziell für diese Gruppe im Jugendhilfegesetz“,. „Der Beschluss der MPK ist ein schwarzer Tag für ein humanes und weltoffenes Deutschland“, so der Soziologe. Der Auftrag an den Bund, nur für minderjährige Flüchtlinge eigene Rechtsvorschriften zu schaffen und dabei die Kosten senken zu wollen, bedeute für Kinder und Jugendliche, die Opfer von Gewalt, Krieg und Vertreibung sind, eine „Zweite-Klasse-Jugendhilfe“ zu etablieren. Dagegen gelte es zu kämpfen.“

Komplett aufzurufen unter:  (http://taz.de/Bundeslaender-sparen-bei-Fluechtlingen/!5352417/)

Wir fordern weiterhin:
-> Keine Zweite-Klasse Jugendhilfe

-> Keine kindesrechtswidrige Diskriminierung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen als sog. „Sondergruppe“

-> keine weiteren drastischen Standardabsenkungen

-> Kein Abbruch von Integration und Unterstützung mit 18 Jahren


Rücknahmeabkommen mit Afghanistan in Kraft

Die seit über einem Jahr von Bundesinnenminister Thomas de Maizière gebetsmühlenhaft gegenüber den Bundesländern vorgetragene Forderung, Abschiebungen nach Afghanistan zu vollstrecken, setzt sich durch. Am 2. Oktober 2016 hat Deutschland mit Afghanistan ein Rücknahmeabkommen geschlossen. Niedersachsens Innenminister Pistorius hat sich bisher zurückhaltend geäußert, Abschiebungen nach Afghanistan gab es nicht (Ausnahme: Straftäter). Jetzt liegt ein Brief de Maizières vor, in dem die Länder aufgefordert werden, das Abkommen „zügig mit Leben zu füllen“. Mit Blick auf die landesweit zunehmend eskalierende Gewalt in Afghanistan, gehen Rückführungen hingegen mit unkalkulierbaren Risiken für die Betroffenen einher.

Der politische Druck auf afghanische Schutzsuchende ist seit Anfang Oktober 2016 deutlich gestiegen. In Brüssel kamen viele Staaten zur Afghanistan-Konferenz zusammen, die sich eigentlich mit der Zukunft des Landes befassen soll. Im Rahmen dessen wurde nun allerdings auch ein Papier der Europäischen Union und der Regierung Afghanistans bekannt, das am vergangenen Wochenende unterzeichnet wurde. Der „Joint Way Forward on migration issues between Afghanistan and the EU“ ist eine Vereinbarung, die den EU-Staaten die leichtere Abschiebung von afghanischen Flüchtlingen in ihre Heimat garantieren soll.

Das soll auch ein bilaterales am 2. Oktober zwischen Afghansistan und Deutschland geschlossenes Rücknahmeabkommen gewährleisten.

Für eine Abschiebung notwendige Reisedokumente sollen nun innerhalb bestimmter kurzer Fristen von den afghanischen Außenvertretungen ausgestellt werden können. Derzeit wird sogar darüber nachgedacht, am Flughafen in Kabul ein eigenes Terminal für Zwecke der Rückführung einzurichten. Sicherlich wird dieses Thema auch eines der Themen auf der kommenden Innenministerkonferenz Ende November in Saarbrücken sein.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen verweist erneut auf ein im März 2016 veröffentlichtes Fact-Sheet. Darin werden Hinweise gegeben, welche aufenthaltsrechtlichen Perspektiven für geduldete Afghan_innen bestehen. Gegenüber der damaligen Rechtslage ist allerdings darauf hinzuweisen, dass sich im Bereich Arbeitsmarkt weitere Veränderungen wie das Aussetzen der Vorrangprüfung sowie die Anspruchsduldung bei Ausbildung ergeben haben, von denen auch Afghan_innen aufenthaltsrechtlich profitieren könnten.

Aus Sicht des Flüchtlingsrats ist es besonders wichtig darauf hinzuweisen, dass alle Afghan_innen das Recht auf ein faires unvoreingenommenes Asylverfahren in Deutschland haben und nicht dazu gedrängt werden dürfen, ihre Asylanträge zurückzunehmen. Sorge macht dabei der Blick auf die trotz unveränderter Sicherheits- und Verfolgungslage geänderte Entscheidungspraxis des BAMF, auf die der Flüchtlingsrat bereits im August 2016 hingewiesen hatte.

Laut einem Sprecher des Auswärtigen Amtes vom 9.9.16 liege „der Schwerpunkt von Rückführungen mit Afghanistan im Bereich der freiwilligen Rückkehr“. Die bisherigen Zahlen könnten sogar noch höher als die des BAMF liegen, da “einige auf Förderung ganz verzichten oder sich aus Programmen bedienen, auf die der Bund keinen überblicksartigen Zugriff hat.”

Gleichzeitig stehen hinter der Freiwilligkeit bei „freiwilligen Rückkehrern“ einige Fragezeichen. Die Bundesregierung hat bereits erfolgreich politischen Druck aufgebaut, der die sogenannte Schutzquote für Afghanen weiter deutlich gesenkt hat. Dazu gehören laut Pro Asyl Die Verwendung von “Entmutigungsstrategien” und “gezielte Verunsicherung”.

Viele der Rückkehrer dürfte jetzt eine schwierige Zukunft bevorstehen – schon vorher wurde berichtet, dass sie in Kabul nicht wie versprochen Unterstützung erhalten Auch von dem Jobprogramm, das der afghanische Präsident Ghani im letzten Jahr vor dem Hintergrund der großen Fluchtbewegungen versprach, ist in Afghanistan nichts zu sehen.

PRO ASYL hat im August 2016 eine Opens external link in new windowlesenswerte Broschüre zur Situation in Afghanistan aufgelegt und Ende September 2016 eine Protestaktion gegen Abschiebungen nach Afghanistan gestartet und fordert faire Asylverfahren sowie einen sicheren Aufenthaltsstatus für Afghanen. Im August ist die Schutzquote in Deutschland auf unter 50% eingebrochen, obwohl sich die Situation in Afghanistan in keiner Weise zum Besseren verändert hat. In Griechenland sitzen derweil Tausende Afghanen fest, ihnen droht ohne Prüfung der Schutzbedürftigkeit die Rücküberstellung in die Türkei. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe erklärt in der aktualisierten Opens external link in new windowStellungnahme vom 30.9.2016 zu Afghanistan und in einer Opens external link in new windowStellungnahme vom 5. Oktober zur Lage in Kabul die Sicherheitslage erheblich in Frage. Die Hilflosigkeit, mit der die Bundeswehr sich an der propagandistischen Ertüchtigung der afghanischen Streitkräfte beteiligt, schildert Opens external link in new windowSandra Petersmann am 14.10.2016 in einer DLF-Reportage.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert zu Protestschreiben an Bundesinnenminister Thomas de Maizière auf. Mit dem Informationsblatt „Afghanistan ist nicht sicher“ informiert der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein über die aktuelle Lage in Afghanistan und die dort für Rückkehrende bestehende Risiken und Gefahren.


 Integrationsgesetz seit dem 06.08.2016 in Kraft – Vorrangprüfung u.a. in Niedersachsen ausgesetzt

Das sog. Integrationsgesetz, das als Artikelgesetz Änderungen im Aufenthaltsgesetz (AufenthG), im Asylgesetz (AsylG), im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), im Sozialgesetzbuch (SGB) II, III und XII sowie im AZR-Gesetz bewirkt, ist seit dem 06.08.2016 in Kraft.

Das Gesetz hat u.a. durch Änderungen in § 32 BeschV zur Folge, dass die Vorrangprüfung für drei Jahre in Bezirken mit „unterdurchschnittlicher Arbeitslosenquote“ ausgesetzt wird. In der Anlage 2 zur Beschäftigungsverordnung (siehe hier) sind diese Bezirke aufgeführt. So hat sich die niedersächsische Landesregierung (wie mehrere andere Bundesländer) dazu entschlossen, alle Arbeitsagenturbezirke in die Anlage 2 aufzunehmen, so dass in ganz Niedersachsen nun die Vorrangprüfung ausgesetzt ist. Insgesamt ist die Vorrangprüfung in 133 aller bundesweit 156 Agenturbezirke ausgesetzt (siehe Pressemitteilung des BMAS hier). Das heißt Personen im Asylverfahren oder mit einer Duldung können i.d.R. nach drei Monaten Aufenthaltszeit ohne Vorrangprüfung arbeiten (maximal sechs Monate Aufenthaltszeit, wer sich bis dahin noch immer in einer Erstaufnahmeeinrichtung befindet). Auch Leiharbeit ist dann zulässig. Eine Arbeitsbedingungsprüfung findet bei Menschen im Asylverfahren und mit Duldung mit Aufenthalt von weniger als 48 Monaten aber weiterhin statt.

Weiterhin gibt es Erleichterungen für Asylbewerber_innen „mit guten Bleibeperspektiven“ bzw. „bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist“, wie es in den Gesetzen formuliert ist. Dazu zählen derzeit Menschen aus den Herkunftsländern Eritrea, Irak, Iran, Somalia und Syrien. Sie können noch während des Asylverfahrens – sofern freie Plätze vorhanden sind – einen Integrationskurs besuchen.
Zudem können sie bereits nach drei Monaten Aufenthalt bei Bedarf ausbildungsbegleitenden Hilfen in Anspruch nehmen oder an einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilnehmen. Wer über 15 Monate in Deutschland ist, kann im Falle einer betrieblichen Ausbildung Berufsausbildungsbeihilfe in Anspruch nehmen.

Positiv hervorzuheben ist außerdem die Einführung der sog. „3+2 Regelung“, also der Tatsache, dass nun Personen, die eine anerkannte Berufsausbildung beginnen, eine Duldung für die Dauer der Ausbildung ausgestellt werden soll (i.d.R. drei Jahre). Bei Abbruch einer Ausbildung ist die Verlängerung der Duldung für sechs Monate möglich, um sich in der Zeit einen neuen Ausbildungsplatz zu suchen. Die Duldung wird nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung zur Suche nach einer Beschäftigung, die der Ausbildung entspricht, für sechs Monate verlängert. Wer seiner Ausbildung entsprechend eine Beschäftigung findet, kann eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst zwei Jahre bekommen.
Das niedersächsische Innenministerium hat zur Umsetzung der Anspruchsduldung bei Vorliegen eines Ausbildungsplatzes einen Erlass herausgegeben, siehe hier.

Als ein negativer Aspekt des „Integrationsgesetz“ – der im engen Zusammenhang mit Beschäftigung steht – sei hier auf den neuen § 12a AufenthG hingewiesen, der nun die rechtliche Grundlage schafft, dass selbst anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte zur Wohnsitznahme in dem Bundesland verpflichtet werden, in dem sie sich während des Asylverfahrens aufgehalten haben. Zudem können sie zur Wohnsitznahme an einem „bestimmten Ort“ verpflichtet, bzw. von bestimmten Wohnorten ausgeschlossen werden.
Die Wohnsitzauflage darf jedoch nicht erlassen werden, für Personen (und den/die Ehepartner_in, Lebenspartner_in und minderjährige Kinder), die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von mindestens 15-Wochen-Stunden nachgehen und damit den Lebensunterhalt für eine Einzelperson sichern (derzeit 712,-/Monat) und auch nicht für Personen, die eine Berufsausbildung aufnehmen oder in einem Studium- oder Ausbildungsverhältnis stehen.
Auch zur Umsetzung der Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG hat die niedersächsische Landesregierung einen Erlass herausgegeben, siehe hier.

Trotz dieser Verbesserungen gibt es allerdings auch Kritik am Integrationsgesetz, so u.a. vom Flüchtlingsrat Niedersachsen siehe hier.


Info von PRO ASYL zu DUBLIN IV

Liebe Flüchtlingsunterstützer*innen, liebe Aktivist*innen,

viele von Euch haben in den letzten Jahren Schutzsuchenden in Deutschland aktiv geholfen. Oft ging es dabei um die Verhinderung von Dublin-Abschiebungen innerhalb Europas. Die bisherige Dublin-III-Verordnung, der zufolge in der Regel der Staat der Erstregistrierung  für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist, hat dazu geführt, dass Geflüchtete in Staaten abgeschoben werden, in denen ihnen zum Teil menschenunwürdige Aufnahmebedingungen, willkürliche Inhaftierungen oder sogar Folter drohen (z.B. in Griechenland, Bulgarien und Ungarn). Nicht zuletzt durch entschlossene Interventionen und die engagierte Hilfe aus der Zivilgesellschaft war es bislang immer wieder möglich, diese inhumanen Dublin-Abschiebungen zu verhindern.

Nach dem Willen der EU-Kommission soll das Dublin-System nun sogar noch drastisch verschärft werden und Schutzsuchenden jegliche Chance genommen werden, nicht in das für sie zuständige Land abgeschoben zu werden. Der Entwurf der neuen Dublin-IV-Verordnung, der bereits im Mai 2016 präsentiert wurde und ab Oktober dieses Jahres intensiv in Brüssel verhandelt werden soll, zielt darauf ab, Asylsuchende in dem für sie nach der Dublin-Verordnung zuständigen EU-Staat festzusetzen und jegliche Weiterwanderung in andere Mitgliedstaaten zu unterbinden. Wir wollen Euch kurz zusammengefasst über die schlimmsten geplanten Veränderungen informieren und weisen in diesem Zusammenhang auch auf ein ausführlicheres Positionspapier von uns hin (abrufbar unter https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2015/12/PRO-ASYL-Positionspapier-zur-geplanten-Dublin-Reform-Juni-2016-.pdf):

*   Abschaffung von verbindlichen Fristen: Bislang enthält die Dublin-III-Verordnung verbindliche Fristen, innerhalb derer der Staat, in dem sich ein Asylsuchender aufhält, die Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat durchführen muss. Gelingt es bspw. Deutschland nicht, eine Dublin-Abschiebung nach Italien als dem für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat innerhalb von (normalerweise) sechs Monaten durchzuführen, muss Deutschland das Asylverfahren selbst durchführen und darf die betroffene Person nicht mehr nach Italien abschieben. Genau diesen Zuständigkeitswechsel nach Fristablauf, der Zehntausenden Asylsuchenden, denen eine Abschiebung in einen EU-Staat mit untauglichem oder fast nicht existentem Aufnahmesystem drohte, viel Leid erspart hat, will die EU nun ersatzlos abschaffen. Das bedeutet, dass sämtliche Interventionen aus der Zivilgesellschaft, die auf einen Fristablauf abzielen, in Zukunft ins Leere laufen werden: Kirchenasyl ist nicht mehr möglich, die Verhinderung einer Abschiebung wird nichts mehr bringen. Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche hat deswegen schon mit einer Postkartenaktion auf die geplante Dublin-Reform reagiert: http://www.kirchenasyl.de/portfolio/postkartenaktion-dublin-iv-stoppen/
*   Beschränkung des Selbsteintrittsrechts: Bei aller Kritik an Dublin-III war es bisher zumindest möglich, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei bestimmten Flüchtlingsgruppen auf eine Abschiebung verzichtet. So hat das BAMF in der Vergangenheit immer wieder bei besonders schutzbedürftigen Geflüchteten (z.B. traumatisierte Menschen, denen die Abschiebung nach Bulgarien drohte) von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht und das Asylverfahren in Deutschland durchgeführt. Auch diese Möglichkeit, mit der besonders schutzbedürftige Asylsuchende vor einer Abschiebung in inhumane Verhältnisse bewahrt werden konnten, will die EU streichen. Die Anwendung des Selbsteintrittsrechts soll nur bei bestehenden familiären Verbindungen möglich sein. Ebenfalls ausgeschlossen wäre in der Zukunft dann eine Entscheidung, wie sie die Bundesregierung im Sommer 2015 getroffen und syrischen Geflüchteten aus Ungarn die Aufnahme in Deutschland ermöglicht hat. Humanitäre Spielräume werden damit abgeschafft.
*   Abschiebung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF): UMFs sind bisher von Dublin ausgenommen. Der Entwurf der Dublin-IV-Verordnung sieht nun vor, dass auch sie in Zukunft wieder in den für sie zuständigen Staat abgeschoben werden sollen.
*   Einschränkung von sozialen Leistungen: Damit Schutzsuchende möglichst in dem für sie zuständigen Staat bleiben, will die EU-Kommission  eine Weiterwanderung in andere Mitgliedstaaten mit Dublin-IV hart sanktionieren. So sollen Asylsuchende, die sich nicht im Staat ihrer Zuständigkeit aufhalten, keinen Anspruch mehr auf soziale Leistungen erhalten. Medizinische Hilfe soll nur noch im Notfall geleistet werden. Das Ziel ist klar: Durch den Ausschluss von  sozialen Leistungen sollen Asylsuchende faktisch gezwungen werden, „freiwillig“ den Staat ihres tatsächlichen Aufenthalts zu verlassen.

Weitere Verschärfungen finden sich im Detail in der Dublin-IV-Verordnung. Wir werden dazu demnächst auf der Website von PRO ASYL eine umfangreiche Stellungnahme veröffentlichen. Die breite Öffentlichkeit nimmt von diesen drohenden Verschärfungen bisher keine Kenntnis, auch weil die Relevanz von Fristablauf und Selbsteintrittsrecht für die Asylpraxis kaum bekannt ist. Wir hoffen deshalb, dass ihr die Informationen über diese bis dato beispiellose Asylrechtsverschärfung in euren Strukturen, politischen Gruppen, Hilfsnetzwerken etc. weiterverbreitet. Wir werden uns auf politischer Ebene zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren und Wohlfahrtsverbänden mit Vehemenz dafür einsetzen, dass Dublin-IV in seiner jetzigen Form nicht verabschiedet wird und hoffen bei diesem Ansinnen auf Eure Unterstützung.

Mit besten Grüßen
Maximilian Pichl (Rechtspolitischer Referent) und Andreas Meyerhöfer (PRO ASYL-Einzelfallberatung)


 

IALANA Stellungnahme zur Türkei


 

Stellungnahme des Flüchtlingsrat Niedersachsen

zum geplanten Integrationsgesetz unter besonderer Betrachtung des Arbeitsmarktzugangs
von Flüchtlingen und zur Segregation Asylsuchender nach vermeintlichen
Aufenthaltsperspektiven

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Menschenkette gegen Rassismus

Rund 7.000 Menschen beteiligten sich am Sonntag 19.06.2016 an einer Menschenkette  in Hamburg um ein solidarisches Zeichen gegen Rassismus und für Menschenrechte und Vielfalt zu setzen. Vom Rathausmarkt führte die Menschenkette über vier Kilometer und verband die  Jüdische Gemeinde, die Hauptkirche St. Petri und die Al Nour Moschee miteinander.

Fast überall standen die Menschen in doppelter Reihe. Die Aktion zum Weltflüchtlingstag  fand außer in Hamburg auch in zahlreichen anderen Städten bundesweit statt, unter anderem in Berlin, München, Leipzig, Bochum und Karlsruhe. An der Menschenkette in Hamburg beteiligten sich auch Mitglieder des Arbeitskreis Asyl Cuxhaven.

Stillstand statt Flüchtlingsaufnahme:
Bei Bund und Land bewegt sich nichts mehr

Pressemitteilung des Flüchtlingsrates Niedersachsen vom 26.05.2016

Nachdem die Schließung der Balkan-Route und der völkerrechtswidrige Deal mit der Türkei die Flucht von Menschen aus Verfolgung und Krieg nach Deutschland weitgehend zum Erliegen gebracht haben, feiert die Bundesregierung die Aufnahme von Flüchtlingen in homöopathischen Dosen im Rahmen des Resettlementverfahrens als großen Erfolg und sinnt befriedigt nach weiteren guten Taten. So freut sich das BAMF am 19.05.2016, dass 103 syrischen Flüchtlingen aus der Türkei in Friedland aufgenommen worden seien. In der Presseerklärung des BAMF heißt es wörtlich:

„…Zunächst stellt Deutschland 1.600 Aufnahmeplätze bereit. Wenn diese ausgeschöpft sind und weiterhin Bedarf im Rahmen des oben genannten 1:1-Mechanismus besteht, stehen weitere rund 13.500 Aufnahmeplätze innerhalb bestehender Verpflichtungen zur Verfügung. Dabei handelt es sich um einen Teil der Aufnahmeplätze, die ursprünglich zur Umsiedlung von Personen aus besonders belasteten EU-Staaten vorgesehen waren und nun umgewidmet werden sollen….“

Offenbar will also Deutschland seine Verpflichtung aus dem Beschluss der EU vom 22.09.2015 nicht mehr umsetzen. Das ist gerade vor dem Hintergrund der erfolgten Räumung von Idomeni ein Skandal. Das sogenannte  re-location-Programm vom 22.09.2015 sah eigentlich vor, dass 160.000 eindeutig schutzbedürftige Personen  aus Griechenland und Italien auf andere Mitgliedstaaten umverteilt werden sollten. Der Rat stimmte am 22.09.2015 diesem Vorschlag zu. Die Zwischenevaluierung vom 15.03.2016 ergab jedoch, dass nur 937 Personen aus den genannten Staaten auf andere Mitgliedstaaten verteilt wurden. Deutschland hatte sich verpflichtet, 10.327 Asylsuchende aus Italien, 17.209 aus Griechenland aufzunehmen. Tatsächlich überstellt wurden jedoch nur 57.  Angesichts des Elends und des Leids, das vor allem besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder in Griechenland erdulden müssen, ist das eine absolut beschämende Bilanz.

Auch das re-settlement-Programm der EU wird bis dato nicht befriedigend umgesetzt: Auf Vorschlag der Kommission wurden die Mitgliedstaaten am 20.07.2015 vom Rat aufgefordert, 22.504 Personen neu anzusiedeln (re-settlement), davon 1.200 in Deutschland. Die Zwischenevaluierung vom 15.03.2016 ergab:  4.555 Personen wurden in 11 EU-Mitgliedstaaten und assoziierten Dublin-Staaten neuangesiedelt. Zumeist erfolgte die Übernahme aus der Türkei, aus Jordanien und dem Libanon.

Leider bewegt sich auch in Niedersachsen nichts mehr: Im Januar 2016 erklärte Niedersachsen, dessen Innenminister doch zu Beginn seiner Amtszeit noch so stolz war auf die maßgeblich von ihm initiierte Ermöglichung einer Aufnahme von Familienangehörigen, seinen endgültigen Ausstieg aus dem Landesaufnahmeprogramm. Das 2013 beschlossene Landesaufnahmeprogramm,  das Angehörigen hier lebender Flüchtlinge eine  Einreise  auf eigene Kosten gefahrlos  ermöglichte, lief zum 30.06.2015 aus und wurde trotz eines gegenteiligen Beschlusses der Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe beim niedersächsischen Landtag nicht wieder verlängert. Dagegen haben Berlin, Brandenburg, Hamburg, Schleswig-Holstein und Thüringen ihre Aufnahmeprogramme verlängert. Während Idomeni, das Symbol der gescheiterten EU-Flüchtlingspolitik, geräumt ist, ohne dass sich für die betroffenen Flüchtlinge eine menschenwürdige Perspektive auf ein Leben ohne Flucht und Not aufgetan hätte, duckt sich  die niedersächsische Landesregierung und will mit alledem nichts zu tun haben, schon gar keine Flüchtlinge aus Griechenland aufnehmen.

Wie war das nochmal gemeint mit der Willkommenskultur?


Der Flüchtlingsrat Niedersachsen ist empört über die zwangsweise Beendigung des Protescamps Weißekreuzplatz durch die Landeshauptstadt Hannover und spricht von einem fatalen Zeichen

Noch während die Camp-Aktivisten gestern Abend im wenige Meter vom Camp entfernten Kulturzentrum Pavillon mit dem Bezirksbürgermeister des Stadtbezirks Mitte, Michael Sandow, über dessen Vorschläge zur Verstetigung des Protestes der sudanesischen Geflüchteten diskutierte, schaffte die Polizei Fakten: Gegen ca. 21.00 Uhr sperrte sie das Protestcamp ab und begann, die Zelte abzubauen. Damit setzte sie dem Camp nach fast zwei Jahren ein vorläufiges Ende.

Die Räumung des Camps ist ein fatales Zeichen an die Flüchtlinge und an die weitere Öffentlichkeit. In Zeiten, in denen sich Europa verstärkt gegen Zuflucht suchende Menschen abschottet, Abkommen mit der von einem Autokraten regierten Türkei schließt und Verhandlungen mit Diktatoren wie dem sudanesischen Präsidenten Omar Al Bashir führt, um Flüchtlinge bereits in Afrika abzufangen, in Zeiten, in der die Bundesregierung Verschärfungen in der Asylgesetzgebung durchpeitscht, PEGIDA aufmarschiert und die AFD Wahlerfolge feiert, in denen beinahe täglich Flüchtlingsunterkünfte oder Asylsuchende direkt angegriffen werden, kann die Räumung nur als Zugeständnis an den Zeitgeist gewertet werden. Bislang stand die Stadt Hannover für einen anderen Stil im Umgang mit Flüchtlingen, die hier bei uns Schutz suchen und ihre Rechte einfordern.

gez. Sigmar Walbrecht


Geheimer EU-Plan:
80.000 Afghanen sollen abgeschoben werden

23.03.2016
Ein vertrauliches EU-Diskussionspapier schlägt vor, die Entwicklungshilfe für Afghanistan als Druckmittel zu benutzen, um das Land dazu zu bringen, Flüchtlinge zurückzunehmen.

Mehr als 80.000 Afghanen sollen nach einem geheimen EU-Plan „in naher Zukunft“ aus Europa abgeschoben werden. Das Papier warnt aufgrund der katastrophalen wirtschaftlichen Lage sowie der zunehmenden Gewalt in Afghanistan, durch die allein letztes Jahr 11.000 Zivilisten ums Leben kamen, vor zusätzlichen Fluchtbewegungen nach Europa.

Obwohl man sich der immer angespannteren Sicherheitslage also bewusst ist, will man afghanischen Flüchtlingen keinen Schutz bieten – im Gegenteil: Die Abschiebungen von Afghan*innen sollen massiv verstärkt werden. Aufgrund der schwierigen Lage in Afghanistan selbst, wird dabei Zufluchtsmöglichkeiten in der Region eine größere Bedeutung beigemessen: „Aufgrund der sich verschlechternden Situation in Afghanistan sowie dem Druck auf Afghanen in Pakistan und dem Iran, besteht ein hohes Risiko zusätzlicher Migrationsströme nach Europa. Das erfordert eine Verstärkung der Interventionen, Zufluchtsmöglichkeiten in der Region zu erhalten“, so das Papier.


»Aufgrund der sich verschlechternden Situation in Afghanistan […] besteht ein hohes Risiko zusätzlicher Migrationsströme nach Europa«

aus dem geheimen EU-Plan


Weitere Staaten als Türsteher Europas?

Angesichts von über einer Million Binnenflüchtlingen in Afghanistan und 5,4 Millionen Menschen, die in Pakistan und im Iran Zuflucht suchen und deren Situation „höchst unsicher und ohne verlässliche langfristige Perspektiven ist“, stellt sich allerdings die Frage, wie man die Nachbarstaaten dazu bringen möchte, Millionen Flüchtlingen echte Zukunftsaussichten zu geben, wenn sie das seit Jahrzehnten nicht getan haben?

Einen Einblick gibt der Vorschlag des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil, nach dem Deal mit der Türkei, jetzt auch mit dem Iran über die Aufnahme von noch mehr Flüchtlingen, zum Beispiel aus Afghanistan, zu sprechen. Das Modell, weitere Staaten als Türsteher anzuheuern und dabei darüber hinwegzusehen, dass es für die Menschen dort kaum Zukunftsperspektiven gibt, wird also bereits propagiert.

Erpresser-Strategie aus Brüssel

Um die afghanische Regierung trotz der immer angespannteren Sicherheitssituation und den fortschreitenden Gebietsgewinnen der Taliban dazu zu bringen, der Rückführung von zehntausend Afghan*innen zuzustimmen, hat sich die EU-Kommission verschiedene Druckmittel ausgedacht:  Entwicklungshilfe und Handelsvereinbarungen sollen nach der neuen EU-Strategie als Anreiz dienen, um Abschiebeabkommen abzuschließen.

So will die EU-Kommission Afghanistan mit der Kürzung der Entwicklungshilfe drohen, die  immerhin 40% des Bruttoinlandsproduktes des Landes ausmacht. Bei Kooperation hingegen soll die afghanische Elite im Gegenzug mit Studienplätzen an europäischen Universitäten belohnt werden. Die real existierende Gefährdungslage für die Menschen in Afghanistan wird dabei einfach ausgeblendet – oberstes Ziel scheint zu sein, Fluchtbewegungen nach Europa um jeden Preis zu stoppen.

— Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. Röpkestr. 12 30173 Hannover Tel.: 0511/98 24 60 30 Mo-Fr: 10.00 bis 12.30, Di+Do: 14.00 bis 16.00 Fax: 0511/98 24 60 31 Mail: nds@nds-fluerat.org www.nds-fluerat.org www.facebook.com/Fluechtlingsrat.Niedersachsen


Presseerklärung
16. März 2016

PRO ASYL kritisiert die Mitteilung der EU-Kommission zum EU-Türkei-Deal

Die EU-Kommission<http://o56x.mj.am/link/o56x/y6wnq55v019/2/5HyhV4K7qe1quLSJcii8SQ/aHR0cDovL2V1cm9wYS5ldS9yYXBpZC9wcmVzcy1yZWxlYXNlX0lQLTE2LTgzMF9kZS5odG0>   hat heute in Brüssel die Pläne zur Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei verändert und präzisiert. PRO ASYL bleibt bei der grundsätzlichen Kritik an der geplanten Vereinbarung. Zwar hat die EU-Kommission nun vorgesehen, dass eine Einzelfallprüfung jedes Asylantrages in der EU stattfindet. Sie spricht auch davon, dass die „pauschalen“ Rückführungen ausgeschlossen sein sollen.

Dies erachtet PRO ASYL angesichts des de facto nicht existierenden Asylsystems in Griechenland als eine Farce. Griechenland hat nicht die Kapazität, faire Asylverfahren durchzuführen. Es existiert kein wirksames Gerichtssystem mit ausreichender Größe, sodass Entscheidungen der Behörden durch Gerichte geprüft werden können. Ein menschenwürdiges Aufnahmesystem ist in Griechenland inexistent. Die EU-Kommission versucht der europäischen Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen. De facto drohen weiterhin Massenabschiebungen ohne rechtstaatliche, inhaltliche Prüfung der Schutzbedürftigkeit.

Die EU-Kommission versucht aus Sicht von PRO ASYL, ungenügend die rechtlichen Hürden des EU-Türkei-Deals kleinzureden. PRO ASYL weist erneut darauf hin, dass nach dem EU-Recht gewährleistet sein muss, dass ein sicherer Drittstaat die Genfer Flüchtlingskonvention ohne Vorbehalt unterzeichnet hat. Zudem muss ihre Anwendung auch in der Praxis sicher gestellt sein. Es muss ein Asylverfahren existieren, das zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d Genfer Flüchtlingskonvention führen kann. Die EU-Kommission redet nun nur noch davon, dass ein mit der Genfer Flüchtlingskonvention äquivalenter Schutz gewährleistet sein solle (Mitteilung EU-Kommission 16.3.2016<http://o56x.mj.am/link/o56x/y6wnq55v019/3/UzUrCAOAD4MHQ_peaeg93A/aHR0cDovL2VjLmV1cm9wYS5ldS9kZ3MvaG9tZS1hZmZhaXJzL3doYXQtd2UtZG8vcG9saWNpZXMvZXVyb3BlYW4tYWdlbmRhLW1pZ3JhdGlvbi9wcm9wb3NhbC1pbXBsZW1lbnRhdGlvbi1wYWNrYWdlL2RvY3MvMjAxNjAzMTYvbmV4dF9vcGVyYXRpb25hbF9zdGVwc19pbl9ldS10dXJrZXlfY29vcGVyYXRpb25faW5fdGhlX2ZpZWxkX29mX21pZ3JhdGlvbl9lbi5wZGY>  , S. 3). Damit wird eingestanden, dass in der Türkei aktuell nicht die Voraussetzungen für die Einstufung als sogenannter sicherer Drittstaat gegeben sind. Der geforderte Schutz ist in der Türkei nicht gegeben. Die  Genfer Flüchtlingskonvention gilt nicht für Syrer, Iraker und andere außereuropäische Flüchtlinge, kritisiert PRO ASYL. Angesichts von bis zu 3 Millionen Flüchtlingen in der Türkei ist klar, dass die Türkei diese Voraussetzungen nicht erfüllen kann.

In ihrer Mitteilung formuliert die EU-Kommission das Ziel, dass Flüchtlinge in sogenannten sicheren Zonen in Syrien leben können. Dies ist aus Sicht von PRO ASYL in höchstem Maße problematisch. Die Türkei verfolgt mit allen Mitteln das Ziel, in sich zusammenhängende kurdische Gebiete zu verhindern. Es besteht die Gefahr, dass Flüchtlinge im Spiel regionaler militärpolitischer Interessen missbraucht werden und die EU damit die argumentative Basis für militärische Interventionen der Türkei liefert.


Stellungnahme von Caritas und Diakonie zum Entwurf eines Gesetzes
zur Bestimmung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten.

2016 02 02 Stellungnahme_DCV_Diakonie_Sichere Herkunftsstaaten_01022016


gutachten: manche fluechtlinge kann deutschland nicht abweisen

http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/grenzschliessung-gutachten-manche-fluechtlinge-kann-deutschland-nicht-abweisen-1.2832479

Das gestern (28.01.16) in seinen Grundzügen beschlossene zweite Asylpaket trifft vor allem Flüchtlinge mit sogenanntem „subsidiärem Schutz“, also Menschen, denen eine Rückkehr nicht möglich ist, weil ihnen im Herkunftsland Folter oder eine sonstige unmenschliche Behandlung droht. Ihr derzeit bestehender Anspruch auf Familienzusammenführung soll für zwei Jahre ausgesetzt werden. Das ist nicht nur zynisch, es verstößt auch gegen völkerrechtliche Normen und gegen unsere Verfassung, die dem Schutz der Familie einen zentralen Stellenwert einräumt.

Jahrelang hat uns die Politik Sand in die Augen gestreut mit der Behauptung, man wolle den angeblichen „Missbrauch“ bekämpfen, um den „wirklich Verfolgten“ beistehen zu können. Jetzt werden syrische Flüchtlinge, die im öffentlichen Drama immer als Paradebeispiel für „echte Flüchtlinge“ präsentiert wurden, von mehreren Seiten in die Zange genommen: Mit der Wiedereinführung von Einzelverfahren zum 1.1.2016 verbunden ist eine Entrechtung für viele der betroffenen Flüchtlinge, denen nicht mehr (wie 2015 zu rund 95%) ein Flüchtlingsstatus zugesprochen wird. Seither werden syrische Flüchtlinge in erheblicher Zahl aus dem Schutzbereich der Genfer Flüchtlingskonvention herausdefiniert und erhält nur noch „subsidiären Schutz“. Wie viele der Flüchtlinge damit das Anrecht auf einen Familiennachzug für zwei Jahre verlieren sollen, hängt dann unmittelbar ab von der neuen Praxis des Bundesamts. Parallel bemüht man sich, die Türkei als „Fluchtalternative“ aufzubauen, siehe die Presseerklärung von PRO ASYL.  Verlogener geht es kaum mehr.

Zu befürchten ist, dass die geplante Verschärfung Familien auf bis zu vier bis fünf Jahre auseinanderreißen würde. Bis zum positiven Asylentscheid kann beispielsweise ein Jahr vergehen. Darauf folgt die zweijährige Sperrfrist. Bis die Angehörigen einen Termin in der deutschen Botschaft bekommen, kann es ebenfalls bis zu einem Jahr dauern. Im Anschluss werden die Reisedokumente mehrere Monate lang geprüft. In dieser Zeit sind Familien von subsidiär Geschützten weiterhin Gefahren in den Verfolgerstaaten ausgesetzt. Viele Familienangehörige, auch Kinder, werden so vor die Wahl gestellt, jahrelang im Kriegs- oder Krisengebiet, Verfolgung, Gefahr und Elend ausgesetzt zu bleiben oder die lebensgefährliche Flucht über die Ägäis und die Balkan-Route auf sich zu nehmen. Der verweigerte Familiennachzug wird tödliche Folgen haben.


 Asylpaket II stoppen
Keine Einschränkung von fairen Asylverfahren

Aufruf_Asylpaket2_19.1.16


OFFENER BRIEF VON KÜNSTLER_INNEN, MEDIENSCHAFFENDEN UND WISSENSCHAFTLER_INNEN AN DIE BUNDESKANZLERIN

für Rechtsstaatlichkeit in der Türkei

https://www.change.org/p/bundeskanzlerin-dr-angela-merkel-setzen-sie-sich-bei-den-regierungsgespr%C3%A4chen-ein-f%C3%BCr-rechtsstaatlichkeit-in-der-t%C3%BCrkei?recruiter=32814145&utm_source=share_petition&utm_medium=copylink

 

Nicht alles, was im Netz steht, ist wahr.

Immer wieder Lügen über Straftaten von Flüchtlingen. Dafür wird sogar die Popularität des Kollektivs Anonymous missbraucht, um die rechte Absicht einer Lüge zu verbergen: mit einem gleichnamigen Account (Anonymous). Wie reagiert die Polizei auf Lügen im Netz?

https://www.facebook.com/morgenmagazin/videos/1261216553895160/?video_source=pages_finch_trailer&theater


„Leute, die sich für den Schutz von Frauen nur interessieren, wenn wir von Ausländern angegriffen werden, sind Rassisten. Ob in Köln o. Kabul“

Anne Roth

Sexualisierte_Gewalt

Stellungnahme des Flüchtlingsrats Niedersachsen zur
anhaltenden Debatte um sexualisierte Gewalt

Sylvesternacht in Köln

Frauen Protest KölnSagt Euren Töchtern nicht, dass sie nicht ausgehen sollen.
Sagt Euren Söhnen, dass sie sich benehmen sollen!“

 

 

 

 

 

 

Unser Sexmob

Eine Kolumne von Thomas Fischer

Thomas Fischer ist Bundesrichter in Karlsruhe und schreibt für ZEIT und ZEIT ONLINE über Rechtsfragen.

sexmob-koeln-kriminalitaet-strafrecht-fischer-im-recht

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#ausnahmslos
Gegen sexualisierte Gewalt und RassismusMit der Kampagne „Ausnahmslos“ positionieren sich namhafte Feministinnen gegen eine Instrumentalisierung von Rechts. Mit dabei sind auch die Initiatorinnen der #Aufschrei-Twitter-Kampagne, Anne Wizorek, Jasna Strick und Nicole von Horst.
Im Sozialen Netzwerk Twitter hat am Montag ein neues Schlagwort einen steilen Aufstieg genommen. Unter dem sogenannten Hashtag #ausnahmslos setzen sich namhafte Feministinnen im Zuge der aufgeheizten Debatte über die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht dafür ein, sich gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus stark zu machen: „Immer. Überall. #ausnahmslos.“ Sie verweisen damit auf einen gemeinsam formulierten Aufruf.Verfasst haben diesen 22 Feministinnen, unter ihnen die Initiatorinnen der #Aufschrei-Twitter-Kampagne, Anne Wizorek, Jasna Strick und Nicole von Horst, die damit Anfang 2013 ein Schlagwort schufen, um Erfahrungen mit Sexismus und sexualisierter Gewalt zu teilen und die Co-Gründerin des im selben Jahr folgenden Äquivalents #SchauHin gegen Alltagsrassismus Kübra Gümüsay. Mehrere Vertreterinnen des feministischen „Missy Magazine“ sind ebenso dabei, wie die Rapperin Sookee oder Frauen der Mainzer „People of Colour“-Hochschulgruppe, die kürzlich eine Kampagne gegen #CampusRassismus an deutschen Hochschulen starteten.Zudem schlossen sich hunderte teils prominente Mitzeichnerinnen aus Politik, Medien, Wissenschafts- und Kulturbetrieb dem Aufruf an, darunter [Anke und Daniel Domscheit-Berg,] Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD), die Grünen-Politikerinnen Claudia Roth und Renate Künast, Linken-Vorsitzende Katja Kipping – und sogar internationale Mitstreiterinnen wie die US-amerikanische Bürgerrechtsikone Angela Davis.Die #ausnahmslos-Feministinnen fordern, sich konsequent gegen sexualisierte Gewalt einzusetzen und diese nicht nur zu thematisieren, wenn die Opfer weiß und „die Täter die vermeintlich ‚Anderen‘ sind: die muslimischen, arabischen, Schwarzen oder nordafrikanischen Männer – kurzum, all jene, die rechte Populist_innen als ,nicht deutsch‘ verstehen“. Feministische Anliegen dürften nicht von Rechtspopulisten instrumentalisiert werden, wie in den vergangenen Tagen geschehen.Weiter heißt es: „Alle Menschen sollen sich von klein auf, unabhängig von ihrer Ethnie, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität, Religion oder Lebensweise, sicher fühlen und vor verbalen und körperlichen Übergriffen geschützt sein: egal ob auf der Straße, zu Hause, bei der Arbeit oder im Internet.“ Zudem stellen die Verfasserinnen Forderungen an Politik, Gesellschaft und Medien, etwa sexuelle Belästigung als eigenen Straftatbestand zu fassen, die Arbeit von Beratungsstellen zu stärken und Opfer ernst zu nehmen.In den Sozialen Netzwerken stieß das neue Schlagwort am Montag auf viel Zuspruch, wurde aber wie vergleichbare Hashtags auch direkt von Twitterern unterwandert, die das Schlagwort für gegenteilige Zwecke nutzten.Zur Kampagne: www.ausnahmslos.org und auf Twitter: @ausnahmslosorg und #ausnahmslos.
aus:  Frankfurter Rundschau vom 11.01.16
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Aus SPIEGEL ONLINE

Eine Kolumne von

Die rassistische Hysterie nach den Übergriffen in verschiedenen deutschen Städten schadet den Opfern, weil sie eine wirkliche Debatte über sexualisierte Gewalt verhindert.

Druckversion – S.P.O.N. – Oben und unten_ Des Rudels Kern – SPIEGEL ONLINE – Kultur

Die Rape Culture wurde nicht nach Deutschland importiert – sie war schon immer da

http://www.vice.com/de/read/die-rape-culture-wurde-nicht-nach-deutschland-importiert-sie-war-schon-immer-da-aufschrei-118

 

Rechtswidrig abgeschobene tschetschenische Familie zurück im Landkreis Gifhorn

Presseinformation, 07.01.2016

Rechtswidrig abgeschobene tschetschenische Familie zurück im Landkreis Gifhorn

Die Anfang Dezember 2015 seitens des Landkreises Gifhorn rechtswidrig abgeschobene tschetschenische Frau konnte mit ihren beiden minderjährigen Kindern zwischenzeitlich aus Russland wieder nach Deutschland einreisen. Der Landkreis Gifhorn hatte bereits Mitte Dezember dafür die nötigen Schritte in die Wege geleitet und trägt auch die Kosten der Rückreise. Die Deutsche Botschaft Moskau hat ebenfalls unbürokratisch dazu beigetragen, dass die Rückreise nun zügig erfolgen konnte.

Aus Sicht des Flüchtlingsrats Niedersachsen kommt es jetzt darauf an, dass die Familie wieder am bisherigen Wohnort leben kann, damit insbesondere der Schulbesuch der beiden Kinder erfolgreich weitergeführt wird und keine weiteren Härten entstehen. „Nach der schockierenden und unerwarteten Abschiebung muss die Familie jetzt bestmöglich durch den Landkreis Gifhorn unterstützt und begleitet werden“, so Sebastian Rose vom Flüchtlingsrat.

Es bleibt offen, wie es zu dieser Abschiebung überhaupt kommen konnte, die während noch laufendem Asylverfahren erfolgte. Vor Abschluss eines Asylverfahrens ist eine Abschiebung in das Herkunftsland verboten. Es stellt sich die Frage, ob solche Fehler nicht auch dadurch begünstigt werden, dass von vielen Seiten der Ruf nach mehr und schnelleren Abschiebungen stetig lauter wird.

Der Fall liegt weiterhin dem niedersächsischen Innenministerium als Fachaufsichtsbeschwerde zur Prüfung vor. Der Flüchtlingsrat behält sich daneben auch die Prüfung weiterer rechtlicher Schritte vor.

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Interview mit Ernst Gottfried Mahrenholz (SPD, Ex -Verfassungsrichter)

Mahrenholz: Abschiebungen rechtswidrig
Ex-Verfassungsrichter: Land verletzt Humanität

Von Heiko Randermann

Hannover. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Ernst Gottfried Mahrenholz (SPD) hat die Abschiebung von 125 Menschen in den Kosovo durch das Land Niedersachsen als verfassungswidrig kritisiert. Mit dieser Aktion sei „auch ein Stück Humanität abgeschoben worden“, sagte Mahrenholz der HAZ. „Diese Familien waren hier verwurzelt. Ihre Kinder waren hier geboren.“ Das Land Niedersachsen habe lange gewusst, dass diese Menschen kein Aufenthaltsrecht hätten. Es sei damit selbst zur Ursache für die jahre- und jahrzehntelange Duldung der Menschen geworden.

Den Rechtsbruch sieht der frühere niedersächsische Kultusminister darin, dass Niedersachsen von diesem Kurs ohne nachvollziehbaren Grund abgewichen sei: „Der Staat durfte gegenüber den Betroffenen nicht so handeln wie gegenüber einem soeben abgewiesenen Asylbewerber.“ Niedersachsen habe mit seiner Duldung den Menschen erlaubt, sich hier ein Leben einzurichten – und das binde ihn.

„Hier geht es um die Verantwortung aus vorangegangenem Tun – das verpflichtet den Staat“, argumentiert Mahrenholz. „Wo liegt der Grund für die Abschiebung, wenn – so Innenminister Boris Pistorius – der Asylkompromiss auf Bundesebene nichts damit zu tun gehabt hatte?“

Insbesondere die Menschenwürde der Kinder und Jugendlichen sei verletzt worden. „Sie sind jetzt in ihrer je eigenen geistigen, bildungsmäßigen und moralischen Entwicklung von den Chancen abgeschnitten, die Niedersachsen ihnen geboten hatte“, sagte Mahrenholz. Erhellend sei hier der Blick auf die eigenen Kinder.

Das Land hatte am Mittwoch mit einer Chartermaschine 125 Menschen aus Albanien, Serbien und dem Kosovo über den Flughafen Hannover abgeschoben. Unter ihnen waren nach Zeugenberichten ältere Personen mit Gehhilfen, aber auch viele junge Menschen.

125 Flüchtlinge wurden gestern morgen ohne vorherige Ankündigung in Niedersachsen festgenommen und in den Kosovo abgeschoben. Eine solche Massenabschiebung ist von der Landesregierung mehrfach angekündigt worden. Für Überraschung und Empörung sorgt allerdings die Tatsache, dass sich unter den Betroffenen viele langjährig geduldete Flüchtlinge befanden – also solche Flüchtlinge, die die Innenminister Pistorius mehrfach und ausdrücklich eine vorsichtige und menschliche Praxis versprochen hat.

Der nachfolgende Auszug aus einem Bericht der Hannoverschen Zeitung spricht für sich: Betroffen waren auch Kinder und Jugendliche, die bereits Jahrzehntelang in Niedersachsen lebten oder zur Schule gingen, und die den Kosovo nur aus den Berichten ihrer Eltern kennen. Der Flüchtlingsrat hat diese Massenabschiebung scharf kritisiert: Eine Landesregierung, die vor einem Jahr noch öffentlich erklärt hat, mehr Menschlichkeit in der Ausländer- und Flüchtlingspolitik an den Tag zu legen, hat mit Flüchtlingen anders umzugehen. Auch wenn eine Ankündigung des Abschiebungstermins inzwischen gesetzlich untersagt ist, hätte die Möglichkeit bestanden, in entsprechenden Fällen zumindest eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, und den Flüchtlingen (wenn überhaupt) vorher und ohne Terminansage anzukündigen, dass eine Abschiebung demnächst eingeleitet wird, um ihnen so die Möglichkeit einzuräumen, sich vorzubereiten oder ggfs. rechtliche Schritte zur Überprüfung der Abschiebungen einzuleiten. Nach Auffassung des Flüchtlingsrat Niedersachsen verbietet es sich grundsätzlich, Flüchtlingskinder abzuschieben, die hier bei uns aufgewachsen sind und den Kosovo nur vom Hörensagen kennen.

Viele der betroffenen Kinder und Jugendlichen sind in unserer Gesellschaft groß geworden. Sie sind deutsch sozialisiert und sprechen kein serbokroatisch. Es erscheint überaus fragwürdig, ihnen ein Aufenthaltsrecht mit der Begründung zu verweigern, sie hätten einige Tage unentschuldigt in der Schule gefehlt, wie dies kürzlich das Verwaltungsgericht Göttingen entschieden hat..

Ihre Hoffnungen und Wünsche werden diese Jugendlichen nach einer Abschiebung vergessen müssen. Was wird aus einem 13-jährigen Roma-Jungen, der heute in ein Roma-Ghetto abgeschoben wird, oft genug in Wellblechbaracken ohne Wasser und Strom? UNICEF-Studien zufolge haben diese Kinder kaum eine Chance, die Schule zu besuchen und einen Beruf zu erlernen. Stattdessen werden sie gezwungen sein, ihren Lebensunterhalt mit Metall- oder Papiersammeln zu verdienen. Hinzu kommt die alltägliche Diskriminierung und Ausgrenzung von Roma. Ist es ein Ausdruck von „Realitätssinn“, diese Kinder in ein Land abzuschieben, das sie nicht kennen und in dem sie offensichtlich untergehen werden?

Der EGMR postuliert, dass der Artikel 8 der EMRK diejenigen schütze, die in Deutschland verwurzelt sind und keine Bezüge zu ihrem angeblichen Herkunftsland haben. Das OVG Bremen leitet daraus schon für Jugendliche ab 14 Jahren Ansprüche ab – im Unterschied zum nds. OVG Lüneburg. Die Frage ist natürlich, ab welchem Alter Kinder diese Rechte in Anspruch nehmen können – als eigenständige Rechtspersonen. Aber natürlich handelt es sich hierbei um zentrale menschenrechtliche Fragestellungen. Die Antwort, die das Land Niedersachsen mit der gestrigen Massenabschiebung gegeben hat, ist erschütternd kaltschnäuzig.

Kai Weber

HAZ vom 17.12.2015
http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Niedersachsen/Abschiebung-von-125-Asylbewerbern-aus-Niedersachsen

Plötzlich nicht mehr geduldet
Das Land wendet das schärfere Asylrecht an:
125 Menschen wurden gestern mit dem Flugzeug in den Kosovo abgeschoben

Hannover. Gestern am frühen Morgen in Friesoythe. Gzim B. wollte gerade aufstehen, frühstücken, zur Schule gehen. Seit 1988 ist seine Familie in Deutschland. „Plötzlich stand ein Mann vom Landkreis Cloppenburg in meinem Zimmer“, erzählt der 15-Jährige am Handy, da befindet er sich bereits im Terminal D am Flughafen in Langenhagen. Zwei Stunden später wird er in einer vom Land gecharterten Boeing 737-800 nach Pristina im Kosovo abgeschoben.

So oder so ähnlich ist es vielen abgelehnten Asylbewerbern in Niedersachsen am Mittwoch ergangen, ganz überwiegend langjährig geduldete Menschen aus dem Kosovo, aus Albanien und Serbien. Nach vielen Jahren in Niedersachsen dürfen sie plötzlich nicht mehr bleiben. Das ist das neue schärfere Asylrecht, das Bundestag und Bundesrat unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise Ende Oktober verabschiedet haben.

Gzim B., seine Geschwister und Eltern sind Roma aus dem Kosovo. Sie wurden von der Polizei in einem Kleintransporter zunächst nach Cloppenburg in die Kreisstadt gefahren. Dort mussten sie mit weiteren abgelehnten Asylbewerbern in einen Reisebus steigen, der sie nach Langenhagen brachte. Am Terminal D fuhren gestern Mittag immer neue Busse, Kleintransporter und Pkw mit Kennzeichen aus Braunschweig, Uelzen, Oldenburg und Cuxhaven vor. 125 Menschen mit Koffern oder Plastiktüten stiegen aus, in die sie das Nötigste gepackt hatten – sie hatten erst am Morgen erfahren, dass sie nicht mehr bleiben dürfen. Alte Menschen waren darunter und ganz junge wie Gzim B., der nach dem Hauptschulabschluss zur Realschule gehen wollte. „Meine Zukunft ist zerstört“, sagte er gestern. „Ich kenne niemanden im Kosovo. Ich war noch nie dort.“

Erst zu Jahresbeginn hatte Innenminister Boris Pistorius per Erlass angeordnet, dass Abschiebungen immer vorher anzukündigen sind. Doch das war, bevor in nur einem Jahr eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Der Erlass ist vom Bundesrecht überholt.

Entsprechend unglücklich waren sie gestern bei SPD und Grünen im Landtag. Auch der Flüchtlingsrat übte Kritik. „Diese Leute sind hier aufgewachsen und haben hier ihre Heimat“, sagte Kai Weber. „Sie werden in ein Land abgeschoben, dessen Sprache sie oft nicht einmal sprechen.“

Innenminister Boris Pistorius rechtfertigte die Abschiebung. „Das ist ein völlig normaler Vorgang. In anderen Bundesländern ist das schon viel öfter passiert“, sagte der SPD-Politiker gestern. Dass es einen solchen Flug geben soll, habe die Landesregierung im November angekündigt. Die Rechtslage sei eindeutig. In keinem der Fälle gebe es ein Ausweisungshindernis. Der SPD-Abgeordnete Ulrich Watermann sagte, nach dem Asylkompromiss gebe es wenig rechtliche Handhabe. Man habe immer davor gewarnt, dass viele langjährige Geduldete betroffen seien. „Man hätte einen Schnitt machen müssen. Aber dafür gab es keine Mehrheit.“

Gzim B. sagte gestern Abend, der Flug nach Pristina sei „okay“ gewesen. „Jetzt wissen wir aber nicht wohin. Wir haben keine Bleibe. Keine Ahnung, wo sie uns jetzt hinschicken.“ Dann hat er keine Zeit mehr. Er muss sich registrieren lassen. Die Temperatur gestern Abend in der Hauptstadt des Kosovo: ein Grad Celsius.

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Abgeschobene Tschetschenin kommt wieder
Landkreis Gifhorn holt Flüchtling zurück

Der Landkreis Gifhorn hat zugesagt, den vorgenommenen Rechtsbruch zu heilen und eine rechtswidrig abgeschobene Tschetschenin mit ihren beiden 11- und 14-jährigen Kindern wieder aus Russland zurückzuholen. Das berichtet die HAZ in ihrer heutigen Ausgabe. Landrat Ebel hatte zuvor in einer Presseerklärung noch behauptet, das Vorgehen des Landkreises sei rechtmäßig gewesen. Wieweit das der Familie angetane Unrecht überhaupt wieder gutgemacht werden kann, bleibt abzuwarten. Insbesondere ein Kind leidet infolge schwerer Gewalterfahrungen unter psychischen Problemen. Inzwischen hat sich auch UNHCR in den Fall eingeschaltet und um Akteneinsicht gebeten. Zu fordern ist, dass die Behörden jetzt alles daran setzen, eine schnelle Rückkehr nach Deutschland zu ermöglichen. Nachfolgend der Bericht aus der heutigen Ausgabe der HAZ:

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HAZ vom 22.12.2015
Abgeschobene Tschetschenin kommt wieder
Landkreis Gifhorn holt Flüchtling zurück

Hannover. Der Landkreis Gifhorn holt eine Anfang Dezember nach Russland abgeschobene Tschetschenin wieder zurück. Das bestätigte die Rechtsanwältin der 52-jährigen Flüchtlingsfrau, Ina Stelten, am Montag der HAZ. Die Tschetschenin war am 2. Dezember mit ihren beiden 14- und elfjährigen Kindern in die russische Föderation abgeschoben worden, obwohl ein Asylverfahren noch nicht abgeschlossen worden war. „Einen so krassen Fall habe ich noch nicht erlebt“, meinte Anwältin Stelten, die die Abschiebung im Dezember nicht mehr verhindern konnte. Der Flüchtlingsrat hat wegen dieser „krassen Menschenrechtsverletzung“ (Geschäftsführer Kai Weber) das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen eingeschaltet, das sich um Akteneinsicht bemüht.

„Die Ausländerbehörde des Landkreises hat uns mitgeteilt, dass sie die Kosten des Rückflugs übernimmt“, sagte die Anwältin. Jetzt gehe es darum, dass die Familie möglichst schnell ein Einreisevisum bekomme. Die Anwältin hofft, dass dies Anfang kommenden Jahres geschieht. Die Tschetschenin war am 2. Dezember mit einem begleitenden Arzt ins Flugzeug gesetzt worden, obwohl kurz zuvor ein Braunschweiger Gericht dies verboten hatte und auch das Bundesamt für Migration und Flucht (BAMF) eingeschritten war. Der Landrat in Gifhorn, Andreas Ebel, hatte damals die Abschiebung als rechtens bezeichnet und darauf hingewiesen, dass das BAMF ursprünglich die Asylanträge der Frau abgelehnt hatte, die über Polen nach Deutschland eingereist war. Der Einspruch des Braunschweiger Verwaltungsgerichts hätte den Landkreis zu spät erreicht, argumentierte damals der Landrat. Die Familie war zunächst in Moskau gelandet, wo es ihr nach Angaben der Anwältin sehr schlecht gegangen sei. So litte die elfjährige Tochter der Frau unter einer schweren posttraumatischen Störung.

Das niedersächsische Innenministerium wollte die Rückholung gestern nicht kommentieren. Kai Weber vom Flüchtlingsrat meinte, „wenigstens eine gute Nachricht“. Der Landkreis selbst schwieg.

Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.

Neues aus Altenwalde

Am Freitag, 11.12. sind die ersten 200 Menschen in der Notunterkunft angekommen und haben nach einem kurzen medizinischen Check die Räume bezogen. In den nächsten Tagen könnten weitere Neuankömmlingen kommen, das DRK rechnet aber erst Ende Januar mit einer „Vollbelegung“. siehe unter Links OHA Offenes Herz Altenwalde

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Neues zur Familie Meta

Im Dezember 2011 wurde die Romafamilie Meta aus Otterndorf in den Kosovo abgeschoben.
Seit November 2013 ist die Familie wieder zurück in Otterndorf.
Die Anhörung vor dem BAMF war am 14.12. 2015

Über die neuen Entwicklungen werden wir informieren.
Ein Jahr vor der Abschiebung schrieb der älteste Sohn Lumni einen Rap. (siehe unter Audio und Video)

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Abschiebepraxis in Bayern

http://www.sueddeutsche.de/bayern/fluechtlinge-ohne-bleibeperspektive-raus-aber-zackig-1.2780489

Deutschkurse für Alle

https://www.change.org/p/bundesregierung-bundesinnenminister-thomas-de-maizi%C3%A8re-innenminister-des-landes-schleswig-holstein-stefan-studt-deutschkurse-f%C3%BCr-alle-bundesregierung-schlie%C3%9Ft-afghanen-u-a-aus/sponsors/new

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Erfahrungsbericht von den Balkangrenzen

http://pangaea-project.org/2015/11/11/grenzerfahrungen-erfahrungsbericht-von-den-balkangrenzen/

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Vollzug ohne Prüfung von Schutzgründen

setzt tschetschenische Flüchtlingsfamilie akuter Gefahr von Verfolgung oder menschenrechtswidriger Behandlung aus

Bereits am 2. Dezember hat der Landkreis Gifhorn eine alleinstehende tschetschenische Flüchtlingsfrau (52) mit ihren beiden 14- und 11-jährigen Kindern rechtswidrig in die russische Föderation abgeschoben. Das Vorgehen des Landkreis Gifhorn stellt damit eine flagrante Verletzung des internationalen Völkerrechts und der nationalen Vorschriften dar.  Daher fordert der Flüchtlingsrat eine sofortige Enthebung der verantwortlichen Beamten im Landkreis Gifhorn und die umgehende Organisation einer Rückkehr der Familie nach Deutschland. Zum Ablauf der Ereignisse:

Am Morgen des 2. Oktober dringen 10 Polizisten gegen 7:15 Uhr ohne Vorankündigung in die Wohnung der im Oktober 2013 nach Deutschland geflüchteten tschetschenischen Familie O. ein und nötigen sie, ihre Sachen zu packen. Vorliegende Atteste über die 11-jährige, psychisch schwerkranke Tochter, die bereits mehrere Suizidversuche aufgrund schwerwiegender Gewalterfahrungen hinter sich hat und sich aufgrund einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung in psychologischer Behandlung befindet, beeindrucken die Beamten nicht. Sie zwingen die Familie ins Flugzeug und verweigern eine Prüfung des Gesundheitszustands vor dem Abflug auch der Mutter, die über Schwindel und hohen Blutdruck klagt.  Anwältin Inken Stern informiert das BAMF, das vergeblich bei der Ausländerbehörde um eine Aussetzung der Abschiebung nachsucht. Auch die Anwältin wird von der Ausländerbehörde hingehalten. Schließlich stellt Rechtanwältin Stern um 9:40 Uhr – eine Stunde vor dem Abheben der Maschine – einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Braunschweig, das die offenkundige Rechtswidrigkeit der Abschiebung feststellt. Dennoch wird die Abschiebung durchgeführt: Die Bundespolizei habe, so heißt es, die Familie nicht mehr aus dem Flieger herausholen können.

In Moskau angekommen, erhält die mittellose Frau O. mit ihren Kindern Unterstützung von einer Frau, die die Familie bei Angehörigen unterbringt. Zum Arzt kann Frau O. mit ihren Töchtern nicht gehen, weil sie kein Geld hat. Aber es geht ihr sehr schlecht. Anwältin Inken Stern hat mittlerweile einen Antrag beim Landkreis Gifhorn auf Folgenbeseitigung gestellt.

Zur Vorgeschichte: Das BAMF hatte zunächst einen Dublin-Bescheid erlassen, dem zufolge die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens auf der Grundlage der Dublinverordnung bei Polen liege. Ein dagegen gerichteter Eilantrag, der lediglich die Frage der formalen Zuständigkeit für die Prüfung des gestellten Asylantrags zum Gegenstand hatte, wurde vom Verwaltungsgericht Braunschweig am 30.04.2015 abgelehnt. Da die Abschiebung nach Polen aus gesundheitlichen Gründen in der Folgezeit nicht durchgeführt werden konnte, ging die Zuständigkeit für die Prüfung von völkerrechtlichen oder nationalen Abschiebungshindernissen mit Fristablauf zum 19.08.2015 auf Deutschland über, was der Ausländerbehörde mit BAMF-Schreiben vom 18.09.2015 auch mitgeteilt worden ist. Damit entfiel die Abschiebungsdrohung nach Polen. Eine Abschiebung ins Herkunftsland Russland war zu keinem Zeitpunkt statthaft. Auch die Intervention des BAMF am Tag der Abschiebung bei der Ausländerbehörde konnte diese nicht dazu bewegen, die Abschiebung zu stoppen.

Anlage: Unterlagen Familie O.

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Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Langer Garten 23 B
D - 31137 Hildesheim

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Musterbrief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages

Sehr geehrte*r _________________,
Ich wende mich an Sie als Mitglied des Deutschen Bundestages. In Kürze soll über das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (Asylpaket II) entschieden werden. Der aktuelle Gesetzesentwurf ist nicht mit Grund – und Menschenrechten vereinbar, wie verschiedene Fachverbände und Geflüchtetenorganisationen bereits aufgezeigt haben.
1. Für die beschleunigten Verfahren ist eine Prüfungs-, Widerspruchs- und Entscheidungsfrist von jeweils einer Woche vorgesehen. So haben Betroffene (die nur Sachleistungen beziehen) keine realistischen Chancen auf Rechtsberatung durch Anwält*innen. Ein faires Asylverfahren und die verfassungsrechtliche Garantie des effektiven Rechtsschutzes sind also nicht gewährleistet. (siehe Position des Deutschen Anwaltsvereins DAV unter: http://anwaltverein.de/de/newsroom/zum-geplanten-gesetz-zur-einfuehrung-beschleunigter-asylverfahren-neues-asylrecht-darf-keine-rechtsfreien-raeume-schaffen)
Insbesondere traumatisierte Menschen werden durch die Kürze der Zeit massiv in der Wahrnehmung ihres Rechtes auf Asyl eingeschränkt, da sie Zeit und Schutz brauchen um über Gewalterfahrungen als Asylgrund sprechen zu können. Ebenso ist zweifelhaft, inwiefern kleinere (einmalige!) Verstöße gegen formale Auflagen oder die Residenzpflicht die Einstellung eines Verfahrens rechtfertigen, das darüber entscheidet, ob einem Menschen Schutz vor Verfolgung und Gewalt geboten wird oder nicht.

2. Die Aussetzung des Familiennachzugs für Geflüchtete mit subsidiärem Schutz für 2 Jahre widerspricht dem verfassungsmäßigen Auftrag zum Schutz der Familie. Sie gefährdet außerdem ohne sachlichen Grund die im Herkunftsland verbliebenen Angehörigen, ebenfalls Opfer von Folter oder Gewalt zu werden oder auf der Flucht ihr Leben zu riskieren.

3. Die geplanten Regelungen zu medizinischen Abschiebehindernissen sehen vor, dass auch lebensbedrohlich erkrankte Personen abgeschoben werden können, wenn die Krankheit schon vor Einreise bestand, oder eine medizinische Versorgung im Herkunftsland theoretisch möglich ist. Es soll jedoch nicht geprüft werden, ob dies im Einzelfall tatsächlich realistisch und zumutbar ist. Auch der Nachweis relevanter bestehender Erkrankungen wird durch die bürokratischen Regelungen und engen Zeitfenstern erschwert bis unmöglich gemacht. (Zu den gesundheitlichen Folgen der Abschiebung von Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen siehe Stellungnahme der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer BAFF: http://www.baff-zentren.org/news/stellungnahme-m-asylpaket-ii)
Es kann nicht sein, dass zur Vollziehbarkeit von Abschiebungen die Gefährdung von Leib und Leben der Betroffenen in Kauf genommen wird!

Ich fordere Sie deshalb auf, sich diesen Angriffen auf Grundrechte und Menschenwürde der betroffenen Geflüchteten entgegenzustellen und sollte es zu einer Abstimmung kommen, diesem oder einem ähnlichen Gesetzesentwurf Ihre Zustimmung zu verweigern.

„Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“ – Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2012 –

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Name

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Die „NoBorder-Train-Kitchen“, kochen seit einer Woche täglich für 2000 Menschen an der griechisch-mazedonischen Grenze in Idomeni.
http://grenzenloskochenhannover.blogsport.de/2015/12/03/unterstuetzungs-aufruf-call-for-support-noborder-train-kitchen-idomeni/

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Flüchtlingsrat und Landesarmutskonferenz appellieren an Landesregierung:
Keine Zustimmung zu neuerlichen Asylrechtsverschärfungen!

PM_ Asyl_LAK_integriert_final

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Keine Bundeswehr-Beteiligung am „War on Terror“!
Für eine politische Lösung!
Völkerrecht nicht aushöhlen!
Bundesausschuss Friedensratschlag ruft zu Aktionen auf!

PM_2015-11-27_Syrien_IS

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Nachfolgend Links zur Debatte um die Sicherheitslage in Afghanistan.
Der neue Lagebericht des Auswärtigen Amts von November 2015
liegt in der Geschäftsstelle des Flüchtlingsrats Niedersachsen vor.

http://www.dw.com/de/leben-in-afghanistan-weitgehend-normal/a-18847200
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-rueckfuehrung-nach-afghanistan-kaum-moeglich-a-1062500.html
http://www.huffingtonpost.de/2015/11/12/ursula-von-der-leyen-abschiebung-afghanischer-fluechtlinge_n_8551060.html

Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Langer Garten 23 B
D – 31137 Hildesheim

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neue-grenzpolitik-rueckstau-auf-der-balkanroute
http://www.sueddeutsche.de/politik/neue-grenzpolitik-rueckstau-auf-der-balkanroute-1.2750323

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Einreise- und Aufenthaltsverbote:
BAMF versetzt Asylsuchende mit Schreiben in Panik

Das Bundesamt versetzt derzeit in großem Stil asylsuchende Flüchtlinge im laufenden Verfahren mit der Aufforderung in Angst und Schrecken, Stellung zu beziehen zu einem möglichen behördlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot (gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG) nach einer Abschiebung. In entsprechenden Schreiben werden die Betroffenen aufgefordert, innerhalb von 2 Wochen – bei sog. ‚sicheren Herkunftsländern‘  innerhalb einer Woche – Gründe vorzutragen, die einer solchen Verhängung entgegenstehen.

Wir halten dieses Vorgehen des BAMF für unmöglich und haben die Behördenleitung aufgefordert, diese Praxis einzustellen. Zwar handelt es sich hier um ein Formschreiben, mit dem das BAMF für den Fall einer späteren Ablehnung nur vorbaut: Es ist für die Behörde nur bei rechtzeitiger Anhörung der Betroffenen möglich, Einreise- und Aufenthaltsverbote zu verhängen. Solange das Asylverfahren läuft, hat das keinerlei Auswirkungen, und wenn der Bescheid positiv ist, natürlich auch nicht. Dennoch ist das Vorgehen des BAMF empörend, weil die Betroffenen natürlich nicht verstehen, warum sie noch vor einer Entscheidung über ihren Asylantrag zu derartigen Fragen Stellung beziehen sollen, und fälschlich vermuten, es gehe um ihre Abschiebung. Im Übrigen ist es unverständlich, warum das BAMF die begrenzten Ressourcen der Behörde für solche Absurditäten vergeudet, statt sich auf die Bearbeitung von Asylanträgen zu konzentrieren.

Betroffene können und sollten Stellung beziehen und dem BAMF mitteilen, welche außerhalb des Asylverfahrens liegenden sonstigen Gründe noch für einen Aufenthalt im Bundesgebiet sprechen, etwa: Bindungen, Beziehungen, Arbeit, Krankheiten etc.,  darüber hinaus sollten sie auf weitere Gründe verweisen, die im Laufe der Zeit – nach Abschluss des Asylverfahrens – noch relevant werden könnten, und sich weiteren Vortrag vorbehalten. Eine Orientierung gibt ein aktuelles Musterschreiben des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg zu dem Sachverhalt, das natürlich unter Angabe des Aktenzeichens an die jeweils zuständige BAMF-Dependance gerichtet werden sollte

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IPPNW-Pressemitteilung vom 20.11.2015

Geplante Asylrechtsverschärfung
ÄrztInnen als willfährige Abschiebehelfer?

Die ÄrztInnen in sozialer Verantwortung (IPPNW) kritisieren die im Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums geplante elementare Einschränkung international garantierter Grundrechte von Flüchtlingen. Die im Entwurf vorgesehenen Abschiebungen trotz schwerer Erkrankungen (§ 60 Abs. 7 AufenthG-Entwurf) sowie eine ausschließliche Beauftragung vom Bundesinnenministerium bestellter Abschiebeärzte (§ 60a Abs. 2d AufenthG-Entwurf) verstoßen gegen den hippokratischen Eid und stehen im Widerspruch zu zahlreichen Beschlüssen von Bundesärztekammer und Ärztetagen. „Hier sollen offenbar die mühsam zwischen Innenministerium, Behörden und Ärztekammer erarbeiteten Regelungen gekippt werden, um Flüchtlinge ohne Rücksicht auf ihre körperliche und psychische Integrität abschieben zu können“, kritisiert Carlotta Conrad, Vorstandsmitglied der IPPNW.

Laut Gesetzentwurf sollen zukünftig nur noch spezielle vom Bundesinnenministerium ernannte AbschiebeärztInnenen die medizinische Begutachtung vor der Abschiebung durchführen dürfen. Schon heute ist die Qualität der medizinischen Untersuchungen vor Abschiebungen unbefriedigend. Die beauftragten ÄrztInnen, die als AmtsärztInnen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Auftrag gebenden Behörden stehen, beschränken die Untersuchung in vielen Fällen ausschließlich auf die Klärung der Transportfähigkeit. Eine eventuelle krankheitsbedingte Rückkehrunfähigkeit wird in vielen Fällen nicht berücksichtigt. Auch Traumafolgestörungen, die die Rückkehrfähigkeit in die Herkunftsländer einschränken würden, werden unzureichend untersucht, und beschrieben. Und dies, obwohl die Bundesregierung den Vereinten Nationen 2011 rechtswirksam zusicherte: „Solange die Existenz einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht ausgeschlossen werden kann, darf eine Abschiebung auf dem Luftwege nicht stattfinden.“.

Es gibt sogar eine Reihe von ÄrztInnen, die die Rückkehrfähigkeit auch bei schwerkranken Flüchtlingen bejahen und von einigen Behörden bevorzugt angefordert und eingesetzt werden. So wurde im Jahr 2007 beispielsweise nach einer oberflächlichen Begutachtung durch einen Psychiater bei einem Flüchtling, der wegen einer drohenden Abschiebung bereits einen Suizidversuch begangen hatte, die stationäre psychiatrische Behandlung zwangsweise beendet. Der Flüchtling wurde in Abschiebehaft genommen, wo er sich mittels Strangulation das Leben nahm.

Gemäß dem Gesetzentwurf sollen künftig zudem auch Abschiebungen von lebensbedrohlich erkrankten Personen möglich sein. So ist in Ländern wie Nigeria die medizinische Versorgung mit lebenserhaltenen Medikamenten für die Mehrheit der HIV-Infizierten nicht zugänglich. Trotzdem wird in dem Referentenentwurf  suggeriert, dass in Ghana und Nigeria eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet sei und folglich z.B. an HIV oder Aids erkrankte Menschen abgeschoben werden können. Eine solche gesetzliche Unbedenklichkeitsbescheinigung ist mit den Menschenrechten unvereinbar.

Der Gesetzentwurf wird derzeit in der Großen Koalition verhandelt und soll bis Weihnachten im Schnellverfahren verabschiedet werden. Der am 18. November 2015 veröffentlichte Referentenentwurf enthält weitere massive Einschränkungen des Asylrechts, widerspricht humanitären Schutzrechten und lässt gerade diejenigen, die Schutz, Hilfe und Behandlung brauchen, ohne das ihnen international verbürgte Recht zurück. Das ist aus heilkundlicher Sicht inakzeptabel.

Kontakt: Angelika Wilmen, Pressesprecherin der IPPNW, Tel. 030-69 80 74-15, Frank Uhe, Asyl-Experte der IPPNW, Tel. 030/698074 – 10, Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), Körtestr. 10, 10967 Berlin, Email:wilmen@ippnw.de,www.ippnw.de

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Presseerklärung  11. November 2015

PRO ASYL zur Wiedereinführung der Dublinprüfung bei Syrern

Integrationspolitisches Fiasko, Bundesamt für Flüchtlinge wird kollabieren, nationalistische Egoismen werden zunehmen

Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL wirft dem Bundesinnenministerium vor, ein integrationspolitisches Fiasko anzurichten. Zehntausende von Flüchtlingen werden in eine monatelange Warteschleife gedrängt. Angst und Unsicherheit werden die Folge sein. Der Schlüssel für eine Integration ist Rechtssicherheit. Das wird mit dieser Entscheidung verhindert. Die Bundesregierung will die Zurückweisung Zehntausender von Flüchtlingen nach Ungarn oder Kroatien prüfen. Dies ist zugleich unmenschlich und unrealistisch.

Die Folgen der Entscheidung

Wie viele syrische Flüchtlinge könnten davon betroffen sein:
Von der Entscheidung könnten bis zu 200.000 Flüchtlinge betroffen sein. 61.706 Schutzsuchende aus Syrien waren Ende Oktober noch im Asylverfahren. Eingereist, aber noch nicht registriert, sind im Jahr 2015 rund 140.000. Allerdings ist davon auszugehen, dass ein beträchtlicher Anteil durch Deutschland durchreist und das Asylverfahren in anderen EU-Staaten durchführen möchte.

Auswirkungen auf die Dauer der Asylverfahren und die Schutzsuchenden:

Die durchschnittliche Verfahrensdauer bei syrischen Flüchtlingen beläuft sich gegenwärtig auf rund 4,2 Monate. Hinzu kommt der oft monatelang dauernde Zwischenzustand, während dem die Betroffenen lediglich über die BÜMA (Bescheinigung über Meldung als Asylsuchende) verfügen. Das Bundesamt wird bei Dublin-Prüfungen ein aufwändiges Verfahren anwenden müssen um die Frage zu klären, ob eine Überstellung nach Ungarn oder Kroatien möglich ist. Deutschland hat zwei Monate Zeit für die entsprechende Anfrage, der angefragte Staat drei Monate für eine Antwort.

In dieser Zeit findet de facto Integration nicht statt, da die Betroffenen über keinen Status in Deutschland verfügen. Nach einer Entscheidung hat Deutschland sechs Monate Zeit, einen Schutzsuchenden in das andere EU-Land zu überstellen. Dies verlängert die Zeit der Unsicherheit für Syrer auf eineinhalb bis zwei Jahre.

Nach aller Erfahrung wird allerdings nur ein kleiner Teil der Betroffenen abgeschoben werden. Bei Abschiebungen nach Ungarn waren es im 1. Halbjahr 2015 nur 2%, 2014 waren es 5%, insgesamt waren es 10%.

Auswirkungen auf das Bundesamt:

Beim Bundesamt sind Ende Oktober 328.000 Asylverfahren offen. Im ganzen Jahr 2015 wurden 205.000 entschieden. Hiervon entfallen 61.000 auf syrische Flüchtlinge, die überwiegend im schriftlichen als auch verkürzten Verfahren entschieden wurden. Das jetzt geplante Verfahren erhöht den Arbeitsaufwand beim Bundesamt beträchtlich. Der Kollaps droht.

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Hier kurz eine Meldung von dpa über die Beschlüsse von CDU/CSU und SPD zur zukünftigen Asylpolitik. Es ist schockierend, mit welcher Leichtigkeit die beiden großen Regierungsparteien mühsam erkämpfte Rechte und Errungenschaften (etwa in den Bereichen Familiennachzug, Residenzpflicht, ungekürzte Leistungen, Verzicht auf Sachleistungen und Gutscheine) mit einem Federstrich wieder zurücknehmen und überwunden geglaubte Abschreckungs- und Lagerkonzepte aus den 90er Jahren erneut als Lösungsmodelle präsentieren. Wir werden uns warm anziehen müssen…

Die wichtigsten Punkte, auf die sich CDU, CSU und SPD geeinigt haben:
  • Aufnahmeeinrichtungen: Für Asylbewerber mit geringer Aussicht auf Anerkennung werden drei bis fünf spezielle Aufnahmeeinrichtungen geschaffen – die ersten in Bamberg und Manching in Bayern. Nur in diesen Zentren können die betroffenen Flüchtlinge einen Asylantrag stellen, dort werden die Anträge bearbeitet und entschieden. Auch Rechtsmittel gegen die Entscheidung können dort eingelegt und Abschiebungen organisiert werden.
  • Zeitlicher Rahmen: Insgesamt sollen die Verfahren in drei Wochen abgeschlossen werden. Für das Verwaltungsverfahren ist dabei eine Woche vorgesehen. Legt jemand Rechtsmittel gegen die Entscheidung ein, soll das juristische Verfahren in zwei Wochen zu Ende sein.
  • Betroffene: Bestimmt sind die Zentren für Bewerber aus sicheren Herkunftsländern wie den Balkanstaaten. Hinzu kommen Flüchtlinge mit einer Wiedereinreisesperre und jene, die Folgeanträge stellen oder beispielsweise keine gültigen Ausweispapiere haben.
  • Einschränkungen für diese Asylbewerber: Für die Flüchtlinge gilt eine Residenzpflicht. Das heißt, sie dürfen den Landkreis oder die kreisfreie Stadt nicht verlassen, in dem ihre Anträge bearbeitet werden. Tun sie es dennoch, bekommen sie keine Leistungen mehr, der Asylantrag ruht. Bei wiederholtem Verstoß gegen die Residenzpflicht soll sofort abgeschoben werden.
  • Flüchtlingsausweis und Datenbank: Mit einem einheitlichen Ausweis und einer Datenbank für Flüchtlinge und Asylbewerber soll eine sichere und rasche Identifizierung der Flüchtlinge gewährleistet werden. Eine Registrierung und ein solcher Ausweis sind Voraussetzungen dafür, dass ein Asylantrag gestellt werden kann und für Leistungen.
  • Familiennachzug: Wie von der Union verlangt, soll für eine bestimmte Flüchtlingsgruppe für zwei Jahre der Nachzug von Angehörigen ausgesetzt werden. Dies gilt demnach für Menschen, die nicht nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder dem Asyl-Grundrecht anerkannt werden, aber in der Bundesrepublik bleiben dürfen.
  • Sprach- und Integrationskurse: Asylbewerber, die voraussichtlich in Deutschland bleiben können und deshalb solche Kurse besuchen dürfen, müssen einen Teil der Kosten selbst zahlen.
  • Türkei: Union und SPD sind dafür, rasch einen EU-Türkei-Gipfel einzuberufen, bei dem eine Migrations-Agenda verabschiedet werden soll. Unter anderem soll es eine finanzielle Unterstützung der Türkei zur besseren Versorgung der Flüchtlinge geben. Die Bundesregierung will sich für die Eröffnung neuer Kapitel bei den laufenden EU-Beitrittsverhandlungen einsetzen. Zudem soll es ein legales Kontingent von Flüchtlingen geben, die aus der Türkei in die gesamte EU kommen dürfen.
  • EU-Außengrenzen/Afghanistan: Der derzeit nicht gewährleistete Schutz der EU-Außengrenzen soll wiederhergestellt, Schleusungen sollen beendet werden. Noch in diesem Jahr sollen die beschlossenen Registrierzentren in Griechenland und Italien funktionsfähig sein. Gemeinsam mit den USA will sich die Bundesregierung weiter an der Stabilisierung Afghanistans beteiligen.

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